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Standpunkte Verwaltungsdigitalisierung und Digitalregulierung trennen!

Stefan Heumann, Geschäftsführer der Agora Digitale Transformation
Stefan Heumann, Geschäftsführer der Agora Digitale Transformation Foto: Agora Digitale Transformation

In der nächsten Legislaturperiode müssen die Zuständigkeiten im Digitalen dringend gebündelt werden, schreibt Stefan Heimann von der Agora Digitale Transformation. Doch das bedeutet nicht, alle Aufgaben in einem Haus zu zentrieren.

von Stefan Heumann

veröffentlicht am 10.12.2024

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Immer, wenn es nicht läuft mit der Digitalpolitik in Deutschland, flammt die Diskussion um ein Digitalministerium wieder auf. Wir kennen das Ritual. So auch dieses Mal. Vom versprochenen digitalen Aufbruch der Ampelregierung ist wenig zu spüren. Die Rufe nach dem Digitalministerium werden zugleich lauter. Dieses Mal ist die Dynamik aber eine andere. Die Frage ist weniger, ob ein Digitalministerium kommt, sondern vielmehr, wie es aussehen soll.

Auch wir halten eine Bündelung von Zuständigkeiten im Digitalen für dringend erforderlich. Und wir begrüßen, dass die Debatte sich inzwischen nicht mehr auf die Forderung nach einem Digitalministerium reduziert. So braucht es für bessere, ressortübergreifende Koordination und Steuerung auch die richtigen Instrumente wie zum Beispiel ein Digitalbudget und eine aus übergeordneten Zielen abgeleitete Digitalstrategie. Gemeinsam haben viele Vorschläge, dass sie sowohl die Zuständigkeit für Verwaltungsdigitalisierung als auch die Digitalregulierung im Digitalministerium bündeln wollen. Wir halten diesen Ansatz für falsch.

Zwei Bündel statt einem

Zur Begründung wird angeführt, dass sowohl Verwaltungsdigitalisierung als auch Digitalregulierung auf Bundesebene an verteilten Zuständigkeiten kranken (1). Das Digitalministerium hätte mit beiden Zuständigkeiten eine gute Größe (2). Um besser regulieren zu können, hätte das Ministerium sich selbst auch mehr mit praktischen Fragen der Verwaltungsdigitalisierung beschäftigt (3). Wir sind von keinem der drei Argumente überzeugt.

Das erste Argument lässt sich leicht entkräften. Man kann die Zuständigkeiten für Verwaltungsdigitalisierung und Digitalregulierung jeweils bündeln, ohne sie dabei in ein Haus zu packen. Inhaltliche Gründe, die Themen zusammenzulegen, gibt es kaum. Verwaltungsdigitalisierung richtet sich auf Bundesebene primär nach innen – auf die Modernisierung und Digitalisierung der Strukturen und Prozesse der Verwaltung.

Die Digitalregulierung richtet sich hingegen primär nach außen. Es geht darum, einen guten regulatorischen Rahmen für die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft zu setzen. Die Fragestellungen und benötigten Kompetenzen sind sehr unterschiedlich, so dass sich nur wenig Synergieeffekte ergeben. Das zweite Argument ist ebenfalls schwach. Wenn es primär um die richtige Größe gehen soll, sind viele andere Kombinationen von Zuständigkeiten denkbar, die zu einer gewünschten Größe führen.

Das dritte Argument überzeugt ebenfalls nicht. In den Vorschlägen zur Zusammenführung werden Verwaltungsdigitalisierung und Digitalregulierung als unterschiedliche Abteilungen unter dem Dach eines Digitalministeriums gesehen. Nur weil in der Abteilung nebenan zu Fragen der Verwaltungsdigitalisierung gearbeitet wird, heißt das noch lange nicht, dass sich bei den Erfahrungen und Kompetenzen in der Regulierungsabteilung irgendetwas ändert. Hier hätte eine stärkere Zusammenarbeit mit den Datenlaboren eine größere Wirkung, als der Umstand, dass man in der Ministeriums-Cafeteria auf Personen trifft, die sich mit Verwaltungsdigitalisierung befassen.

Kein eigenes Haus für Verwaltungsdigitalisierung

Es gibt also wenig überzeugende Argumente für das Zusammenlegen. Allerdings gibt es starke Argumente, die dagegensprechen. Wir wollen hier vor allem zwei anführen. Politische Aufmerksamkeit liegt immer stärker bei den Themen mit hoher Außenwirkung. Da der Bund im föderalen Kontext vergleichsweise wenig direkte Interaktionen mit Bürger:innen und Unternehmen hat, ist das Interesse von außen im Gegensatz zu Regulierungsfragen, die Wirtschaft und Gesellschaft unmittelbar betreffen, notwendigerweise geringer. Wir können es uns bei der Verwaltungsdigitalisierung aber schlicht nicht noch einmal leisten, dass das Thema nicht die volle Aufmerksamkeit der Hausspitze erhält.

Zweitens, Verwaltungsdigitalisierung wird auf Bundesebene immer noch falsch angegangen. Es wird auf Fragen der IT-Infrastruktur des Bundes und die Digitalisierung bestehender Leistungen und Prozesse (Onlinezugangsgesetz) reduziert. Das Potenzial der Verwaltungsdigitalisierung lässt sich allerdings nur heben, wenn es im Kontext einer Verwaltungsmodernisierung bearbeitet wird. Hierfür braucht es ein starkes Mandat, auch Strukturen und Prozesse der Arbeit in der Bundesverwaltung zu modernisieren und dabei das große Potenzial der Digitalisierung endlich zu nutzen. Diese Aufgabe ist zu groß und wichtig, als dass man sie an eine Abteilung in einem Digitalministerium delegieren könnte.

Digitalstaatsminister:in mit Unterbau und Budget

Was heißt das in der Praxis? Zwei Ministerien, eines für Verwaltungsdigitalisierung und -Modernisierung und eines für Digitalregulierung, wird es nicht geben. Wir plädieren daher dafür, dass Digitalregulierung den Kern eines Digitalministeriums bilden sollte. Um das Gewicht des Hauses zu erhöhen, könnte man noch Förderprogramme mit starken Digitalisierungsfokus hinzufügen. So hätte das Haus auch über Zuständigkeit (Regulierung) und Haushaltsmittel (Förderprogramme) ein entsprechendes Gewicht am Kabinettstisch.

Für die Verwaltungsdigitalisierung sollte der Posten eine:r Staatsminister:in mit Anbindung ans Bundeskanzleramt nach dem Vorbild der Beauftragten für Kultur und Medien geschaffen werden. Noch viel wichtiger ist allerdings der politische Auftrag, Verwaltungsdigitalisierung im Bund im Kontext einer Modernisierung der Arbeitsweise und der Prozesse in und zwischen den Ministerien voranzutreiben. Das heißt, die:der Staatsminister:in bekommt vollen Kabinettsrang mit allen Mitzeichnungspflichten und einen eigenen personellen Unterbau sowie Haushalt und zentrale Verantwortung für IT-Steuerung und Digitalbudget. So hätten wir in der nächsten Legislatur statt einem, zwei starke Akteure für Digitalisierung auf Bundesebene. Ein wirkliches Aufbruchszeichen wäre das auf jeden Fall!

Stefan Heumann ist Geschäftsführer der Agora Digitale Transformation. Der Politikwissenschaftler war zuvor Vorstand bei der Stiftung Neue Verantwortung (SNV).

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