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Digitalisierung & KI

Standpunkte Warum Verwaltung ein „People Business“ ist

Christina Lang, Leiterin des Digital Service
Christina Lang, Leiterin des Digital Service Foto: Digital Service

Damit Deutschland digitaler wird, kommt es vor allem auf die Menschen an, die den Wandel künftig gestalten. Denn Verwaltung ist und bleibt ein „People Business“, sagt Christina Lang, Leiterin des Digital Service. Was eine gute Struktur für Fachkräfte ausmacht und warum ein Blick nach Großbritannien lohnt.

von Christina Lang

veröffentlicht am 11.04.2025

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Seit Mittwoch ist klar: in Deutschland wird es erstmals ein eigenes Digitalministerium auf Bundesebene geben. Der Modernisierungsbedarf des Staates wird aber auch darüber hinaus diskutiert. Damit neue Strukturen die hochgesteckten Erwartungen erfüllen können, kommt es vor allem auf die Menschen an, die in ihnen den Wandel künftig gestalten. Denn Verwaltung ist und bleibt ein „People Business“. Es sind Fachwissen, Kompetenz und gute Zusammenarbeit der verantwortlichen Personen, die den entscheidenden Unterschied machen werden. Und nicht ein neues Namensschild an der Tür.

Kompetente Fachkräfte und motivierte Beschäftigte sind der Schlüssel

Die digitale Transformation der Verwaltung erfordert zwei Dinge: die gezielte Gewinnung neuer Digitalexpert:innen und die Qualifizierung erfahrener Verwaltungsfachkräfte.

Der öffentliche Sektor muss Talente in Bereichen wie User Research, Produktentwicklung, Software-Architektur und IT-Sicherheit für sich gewinnen, um Digitalisierungsthemen kompetent zu beurteilen, zu regulieren und zu steuern. Gleichzeitig beinhaltet fast jeder Fachbereich heute auch digitale Fragen. Deshalb sind praxisnahe Weiterbildungsangebote in Digital- und Datenkompetenz für bestehende Beschäftigte unerlässlich. Zum einen, damit sie ihr Fachwissen auch im digitalen Kontext anwenden können und zum anderen, damit sie nutzerzentriertes, wirkungsorientiertes Arbeiten und die Potenziale von Digitalisierung in ihren Fachbereichen einbeziehen.

Aus meiner Arbeit beim Digitalservice weiß ich, wie erfolgreich die Zusammenarbeit zwischen Tech-Talenten und Verwaltung funktionieren kann und wie motivierend das Arbeiten in interdisziplinären Teams für alle Beteiligten ist. Seit 2018 bringen die Fellowships Tech4- und Work4Germany Expert:innen für agiles Management und nutzerzentrierte Entwicklung in Ministerien, um mit der dortigen Rechts- und Fachexpertise an konkreten Aufgaben und Lösungen des Staates zu arbeiten. Und seit 2020 zeigen wir als Unternehmen, dass man Tech- und Digital-Expert:innen dauerhaft für die Verwaltungsdigitalisierung gewinnen kann, wenn man ihnen eine moderne Arbeitskultur mit mehr Gestaltungsfreiheit und passenden Karrierepfaden ermöglicht.

Beides – die Rekrutierung neuer Talente und das „Upskilling“ der Verwaltung – gelingt nicht von selbst. Die Pensionierungswelle, der Fachkräftemangel und knappe Budgets setzen die Verwaltung immer stärker unter Druck. Ohne eine klare Strategie, neue Strukturen und gezielte Investitionen in Menschen kommt die digitale Transformation nicht voran.

Vorbild Großbritannien

Ein Blick nach Großbritannien zeigt, wie eine klare Personalstrategie und gute Maßnahmen wirken können. Dort werden neben den klassischen Beamtenlaufbahnen wesentliche Digitalrollen und entsprechende Karrierewege separat definiert und gefördert. So können in der Regierung qualifizierte Digitalexpert:innen und Verwaltungsexpert:innen als interdisziplinäre Teams leistungsfähige Lösungen für einen digitalen Staat entwickeln.

Das Government Digital and Data Profession Capability Framework wurde bereits 2019 etabliert. Mittlerweile arbeiten knapp 20.000 Personen innerhalb der britischen Regierung in diesen Rollen. 2024 wurde das Framework erweitert, um erstmals auch Führungsrollen wie CTOs, CDOs und CISOs im Senior Civil Service (SCS) gezielt zu definieren. Das Ziel: klare Karrierewege für digitale Fachkräfte schaffen und ihre Schlüsselrolle in der Verwaltungsmodernisierung stärken.

Gleichzeitig investiert Großbritannien massiv in Weiterbildung auf allen Ebenen: Mehr als 600 Beamt:innen der Leitungsebene wurden in Digitalgrundlagen und dem Aufbau einer datengetriebenen und nutzerzentrierten Verwaltungskultur sowie dem Einsatz von KI geschult – damit sie souveräner über Technologieprojekte entscheiden und die Transformation kompetent vorantreiben können.

Die richtigen Strukturen für die richtigen Köpfe

Fundament für den digitalen Staat und das Gewinnen der besten Talente sind die richtigen Strukturen, moderne Arbeitsweisen und ein zeitgemäßes Führungsverständnis. Digitale Erfolge wird eine neue Bundesregierung nur dann erzielen, wenn sie die richtigen Rahmenbedingungen schafft. Denn so lange Prozessfokus, komplexe Zuständigkeitslogiken und politischer Minimalkonsens als Kompromiss den Arbeitsalltag bestimmen und es an digitalen Arbeitswerkzeugen sowie Kollaborationsmöglichkeiten mangelt, wird die digitale Transformation immer wieder ins Stocken geraten.

Was braucht es also, damit Digitalexpert:innen und Verwaltungsexpert:innen interdisziplinär und wirkungsorientiert zusammenarbeiten können:

  • Neue Rollenprofile: In zentralen Digitalisierungseinheiten – sei es in einem Digitalministerium oder in den Digitalisierungsteams der Fachministerien – benötigt es klar definierte Profile für Digitalisierungs- und Transformationsaufgaben. Dies reicht von Führungskräften, die neue Wege eröffnen, bis hin zu Expert:innen auf der Arbeitsebene, die über die notwendigen digitalen Kompetenzen verfügen.
  • Weiterbildung und agile Methoden: Bestehende Mitarbeitende müssen Zugang zu Qualifizierungen erhalten, die von modernen Arbeitsmethoden (zum Beispiel agile Entwicklung, nutzerzentrierte Prozessgestaltung) über Tools bis hin zu ausreichend Zeit für praxisorientierte Fortbildungen reichen. Dies erfordert Investitionen in qualitativ hochwertige, skalierbare Weiterbildungsprogramme. Diese Investitionen zahlen sich aus: So wird Digitalisierungskompetenz nicht immer wieder teuer extern eingekauft, sondern bei den eigenen Mitarbeitenden auf- und ausgebaut.
  • Attraktives Umfeld für Talente: Digitalaffine Fachkräfte möchten eigenverantwortlich arbeiten, in cross-funktionalen Teams agieren und nachvollziehen können, dass ihre Arbeit echte Wirkung entfaltet. Eine Führungskraft, die einem Gestaltungsmöglichkeiten einräumt, projektbasiertes Arbeiten und die Aussicht, an gesellschaftlich relevanten Themen mitzuarbeiten, motiviert viele Menschen und ist dabei oft entscheidender als hohe Gehälter.

Jetzt die richtigen Voraussetzungen schaffen

Eine neue Bundesregierung sollte die Chance nutzen und neue, moderne Strukturen für die Verwaltungsdigitalisierung aufbauen. Es braucht die Zusammenführung der Zuständigkeit für IT und Verwaltungsdigitalisierung auf ministerieller Ebene, um die Digitalisierung des Staates stringent und kompetent zu steuern. Gleichzeitig ist eine starke nachgelagerte Einheit nötig, die unabhängig vom politischen Tagesgeschäft die Umsetzung konsequent vorantreibt. Dazu braucht es engagierte Verwaltungsexpert:innen und Expert:innen mit hoher Digital-, Technologie- und Methodenkompetenz unter einem Dach.

Diese beiden Organisationen müssen mit einem modernen Führungsverständnis, breiter Fach- und Digitalkompetenz und einer Kultur von Kollaboration und Interdisziplinarität etabliert werden. Dann können sie die digitale Transformation so erfolgreich vorleben, einfordern und ausstrahlen, dass daraus ein mutige Bewegung in der gesamten Verwaltung entstehen kann. Eine Verwaltung ist nur so gut wie die Menschen, die in ihr arbeiten – und das ist eine Chance, die wir unbedingt nutzen sollten.

Christina Lang ist Gründerin und Geschäftsführerin der Digital Service GmbH.

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