Seit fast drei Jahren arbeitet die Europäische Zentralbank (EZB) mit Hochdruck an einer digitalen Variante des Bargelds – dem digitalen Euro. Auch das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten beschäftigen sich intensiv mit dem Projekt, da es für dessen Einführung eine demokratische Legitimation in Form eines EU-Gesetzes benötigt.
Zu den technischen Ausarbeitungen des Regelwerks werden von der EZB außerdem Vertreter:innen der Finanzindustrie, des Handelssektors und Verbraucherschützer:innen eingeladen. Nicht verwunderlich also, dass es sich für die EZB als Balanceakt herausstellt, alle Standpunkte der verschiedenen Interessensgruppen gebührend zu berücksichtigen.
Ohne Klarheit über alle notwendigen finalen Details steht man von Handelsseite dem digitalen Euro grundsätzlich positiv gegenüber. Jedoch können Entscheidungen der EZB und der Gesetzgeber dieser Einstellung schnell Einhalt gebieten. Das Kostenmodell, das Innovationspotential und die Annahme eines digitalen Euros durch die Endnutzer:innen stellen hierbei die wesentlichen Erfolgsfaktoren dar.
Das Kostenmodell
Die Kosten insbesondere kartenbasierter Zahlverfahren steigen kontinuierlich. Der Handel benötigt deshalb europäische Alternativen, die der Dominanz von Mastercard, Visa und Paypal die Stirn bieten können. Mit der Einführung des digitalen Euros kann davon ausgegangen werden, dass die Durchschnittskosten von eingehenden Kundenzahlungen sinken. Hiervon würden insbesondere kleinere Händler:innen profitieren, die in der Regel nur begrenzte Möglichkeiten haben, mit ihren Zahlungsabwicklern Konditionen zu verhandeln und deshalb nicht selten ganz auf elektronische Zahlungen verzichten (Cash only).
Die Erwartung an den digitalen Euro ist, dass bei ihm als digitaler Erweiterung des Bargelds für die Abwicklung einer Transaktion annähernd keine Kosten anfallen sollten. Zunächst, weil der Betreiber des Verfahrens – das Eurosystem (die Europäische Zentralbank und die Zentralbanken der Euro-Länder) – seine Kosten nicht an die Zahlungsdienstleister weiterverrechnet. Außerdem fallen auf Bankenseite keine Settlement- oder Kreditrisiken an, welche im Kartengeschäft mutmaßlich die Interbankenentgelte zu einem Großteil rechtfertigen, die wiederum für eine erhebliche Kostenposition auf Handelsseite stehen.
Es ist vorgesehen, dass die Gesetzgeber die Prinzipien des Kompensationsmodells im Gesetz verankern. Um vor allem die kleineren Einzelhändler vor ausufernden Kosten eines digitalen Euros zu schützen, muss hier also genau hingeschaut werden. Setzt man die Stellschrauben etwa so, dass es mit der Einführung nicht zu den erwarteten Einsparungen kommt, so wird der Zuspruch des Handelssektor schnell schwinden. Eine Akzeptanzpflicht des digitalen Euros für den Handel könnte diese Situation noch weiter verschärfen.
Das Innovationspotential
Mit der Implementierung des digitalen Euros muss zwangsläufig eine neue und innovative Infrastruktur aufgesetzt werden. Auf diesen Schienen sollten Anbieter maßgeschneiderte Zahlungsdienstleistungen an den Endkunden bringen und somit neue Anwendungsfälle und eventuell Verkaufskanäle für den Handel erschlossen werden können.
Ein Blick nach Indien zeigt, wie es mit einer staatlich unterstützten Zahlungsinfrastruktur (UPI) klappen kann. Letztes Jahr wurden dort 84 Milliarden Transaktionen über UPI abgewickelt. Das System ermöglicht es Fintechs, sich mit Ihren Apps direkt an das Netzwerk einzuklinken. Inzwischen werden 95% des gesamten Umsatzes von diesen Drittanbietern ausgelöst, die es ganz ohne Interbankenentgelte geschafft haben, mit ihren innovativen Produkten die Gunst der Kund:innen zu gewinnen.
Auch für international agierende Händler:innen könnte der digitale Euro Potentiale aufweisen. Da das Zahlverfahren Kunden in der gesamten Eurozone zur Verfügung steht, ganz gleich ob im stationären oder im Online-Geschäft, besteht die Möglichkeit, mit wenigen technischen Schnittstellen eine große Menge an Nutzer:innen zu erreichen. Folglich werden hier sicherlich Auswirkungen auf den bestehenden Mix aus angebotenen Zahlverfahren der Händler:innen festzustellen sein.
Annahme durch Endnutzer:innen
Der digitale Euro soll Bargeld und Kartenzahlung natürlich nicht ersetzen, sondern ergänzen. Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren wird dennoch sein Marktanteil am Payment-Mix sein, über den letztlich der Kunde und die Kundin entscheidet. Glaubt man den Befragungen, so macht es den Anschein, dass viele Bürger:innen bisher wenig Kenntnis vom digitalen Euro haben.
Umso wichtiger ist es, bei der Ausgestaltung des Produkts und der gesetzlichen Rahmenbedingungen die Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Marktteilnehmer:innen genau unter die Lupe zu nehmen. Datensparsames, schnelles und einfaches Bezahlen muss hierbei unbedingt im Vordergrund stehen. Wird es zu kompliziert und holprig, werden sich Nutzer:innen nicht von ihren gewohnten Zahlverfahren abwenden.
Axel Schaefer arbeitet als Payments Regulation & Innovation Specialist bei Ingka (IKEA) und vertritt den europäischen Handelsverband Euro Commerce in den Ausschüssen zur Ausarbeitung des technischen Regelwerks des digitalen Euros bei der EZB.