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Standpunkte Was Start-ups von der kommenden Regierung erwarten

Verena Pausder, Vorsitzende des Start-up-Verbands
Verena Pausder, Vorsitzende des Start-up-Verbands Foto: Patrycia Lukas

Start-ups sind ein zentraler Hebel für Wachstum, Wohlstand und technologische Souveränität. Die neue Regierung sollte das Thema daher zur Chefsache machen, fordert Verena Pausder. Sie schlägt dafür eine Reihe konkreter Maßnahmen und Ziele vor.

von Verena Pausder

veröffentlicht am 10.03.2025

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Die Welt befindet sich in einer geopolitisch herausfordernden Lage. Jahrzehntealte Gewissheiten und Partnerschaften geraten plötzlich ins Wanken. Angesichts der digitalen Dominanz amerikanischer Großkonzerne stellt sich damit auch die Frage von bestehenden Abhängigkeiten neu. Eine klare Positionierung Deutschlands ist notwendig: Wir müssen uns auf unsere eigenen Stärken besinnen und uns vor allem bei Schlüsseltechnologien unabhängiger machen.

Das von Union und SPD in Aussicht gestellte Sondervermögen schafft zwar mittelfristig neue finanzielle Spielräume – doch wirklichen Aufschwung erreichen wir nur, wenn wir unsere Kraft in Zukunftstechnologien lenken. Dabei dürfen neue Schulden nicht darüber hinwegtäuschen, dass strukturelle Reformen dringend notwendig sind, um langfristig Wachstum zu sichern.

Kapital mobilisieren: Innovation braucht privates Kapital

Ohne Kapital keine Innovation. Es ist die Voraussetzung, damit Start-ups und Scale-ups erfolgreich wachsen können. Während in den USA und China Milliarden fließen, droht Europa den Anschluss zu verlieren. Selbst Frankreich hat Deutschland bei den Start-up-Investitionen überholt. In den USA wurden 2024 pro Kopf 510 Euro in Start-ups investiert, in Frankreich 108 Euro und in lediglich Deutschland 90 Euro. Unser Problem ist dabei vor allem die Wachstumsphase. Wenn wir Zukunftstechnologien, Wachstum und globale Champions wollen, müssen wir mehr privates Kapital aus Europa für Venture Capital mobilisieren.

Die WIN-Initiative und der Zukunftsfonds haben bereits wichtige Impulse gesetzt. In der neuen Wahlperiode müssen sie weiterentwickelt und deutlich ausgebaut werden. Auch eine kluge Reform der Altersvorsorge kann zusätzliches privates Kapital zur Start-up-Finanzierung mobilisieren und nebenbei in der Breite der Bevölkerung neue Möglichkeiten der Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg von Wachstumsunternehmen schaffen. Attraktive Exit-Optionen wie Unternehmensverkäufe (Trade Sales) und Börsengänge sind entscheidend, um einen nachhaltigen Finanzierungskreislauf zu gewährleisten. Seit 2015 ist es aber durch Börsengänge europäischer Tech-Unternehmen in den USA zu Wertschöpfungsverlusten von über 400 Milliarden Euro gekommen. Besonders Börsengänge bei uns müssen deshalb attraktiver werden, um Wertschöpfung im Land zu halten.

Den Staat vom Innovationsbremser zum Innovationsbeschleuniger machen

Ein schneller digitaler Staat gibt den richtigen Impuls für Wirtschaft und Gesellschaft. In Deutschland muss er von der Innovationsbremse zum Innovationsbeschleuniger werden. Wir brauchen weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung. Es liegt dabei nicht unbedingt am Geld – insgesamt floßen in den letzten vier Haushaltsjahren bereits rund 65 Milliarden Euro in die Digitalisierung – davon 16 Milliarden Euro allein in die Verwaltungsdigitalisierung. Aber wir sind nicht wirklich vorangekommen. Damit sich das jetzt endlich ändert sind vier Dinge wichtig: Ein klares politisches Mandat mit umfangreichen Kompetenzen, ein eigenes zentrales Digitalbudget, eine klare Strategie und ein strikter Top-down-Ansatz.

Das beschleunigt uns dann auch wirtschaftlich. Bürokratie und langsame Prozesse bremsen uns Start-ups nämlich wahnsinnig – von der Idee bis zur operativen Geschäftstätigkeit vergehen vier bis acht Wochen, im Extremfall bis fünf Monate. In Großbritannien sind es ein bis zwei Wochen mit der Option auf eine Expressgründung in 24 Stunden, in Estland sind es 18 Minuten – beim digitalen Vorreiter im Baltikum gibt es keine Notarpflicht. In Zukunft muss das in 24 Stunden möglich sein – ohne Papierstapel, aber mit einem One-stop-shop ohne wochenlange Wartezeiten.

Staatliche Förderprogramme müssen einfacher zugänglich sein, mit digitalisierten Prozessen und einer zentralen Plattform. Die Vereinfachung von Notar- und Meldepflichten wären ein weiterer wichtiger Schritt. Dadurch entsteht mehr Raum fürs Wesentliche: neue Ideen und innovative Produkte können schneller vorangetrieben werden.

Der Staat muss Start-ups als Partner sehen und ihnen den Zugang zu öffentlichen Aufträgen erleichtern. Bis 2030 sollten mindestens fünf Prozent aller Ausschreibungen an Start-ups gehen, um Verwaltung und Services zu modernisieren. Ein einheitliches, digitales Vergabesystem kann Bürokratie abbauen und wiederum Innovationen im öffentlichen Sektor vorantreiben.

Deeptech stärken: Forschung in Gründungen umwandeln

Deutschland lebt von Ideen, nicht von Rohstoffen – und Start-ups machen Innovationen schnell marktfähig. Deshalb muss der Weg von der Forschung in die Wirtschaft einfacher und schneller werden. Dafür sollte der Leuchtturmwettbewerb „Start-up-Factories“ schnellstmöglich fortgesetzt und vollendet werden.

Dann hat Deutschland auch die Chance, ein global führender Deep-Tech-Standort zu werden – wenn wir es schaffen, unsere exzellente Forschungslandschaft in bahnbrechende Gründungen umzuwandeln. Hochschulen sollten mindestens ein Prozent ihres Budgets für Spin-offs bereitstellen. Zudem muss die Finanzierung von First-of-a-Kind-Produktionsstätten und der Marktzugang für innovative Technologien erleichtert werden.

Dafür braucht es neue Ansätze, die Eigenkapital- und Fremdkapital-Instrumente intelligent miteinander verbinden. Denn weder die herkömmliche Venture-Capital-Finanzierung noch der klassische Bankkredit passen zu diesen Geschäftsmodellen. Der Staat kann hier aber neue Märkte entstehen lassen – mit überschaubarem Risiko.

Choose Germany: Die besten Talente der Welt nach Deutschland holen – und hier halten

Der Fachkräftemangel ist ein großer Schmerz für Start-ups und Scaleups – auch weil der globale Wettkampf um die klügsten Köpfe in vollem Gange ist. Deutschland kann diesen Wettbewerb gewinnen – wenn es sich als attraktives Land für internationale Tech-Talente positioniert. Wir brauchen ein Willkommenspaket für Talente aus aller Welt: weniger Bürokratie bei der Visa-Vergabe, gezielte Anreize für innovative Köpfe und eine klare Botschaft für Talente, Entrepreneure und Investoren: Choose Germany. Zudem sollte die Anerkennung ausländischer Abschlüsse vereinfacht werden: Dem Arbeitgeber sind dabei mehr Freiräume zu gewähren.

Start-ups zur Chefsache machen – mit einem Rahmen für Innovation

All das braucht eine klare politische Einbettung mit nachverfolgbarer Wirkungsmessung. Eine Start-up-Strategie – als Leitplanke für ein innovationsfreundliches Wirtschaftssystem. Start-ups sind keine Nische, sie sind die Problemlöser der großen Herausforderungen unserer Zeit. Deshalb müssen sie Chefsache werden. Die kommende Regierung sollte ein klares Bekenntnis abgeben, dass Start-ups ein zentraler Hebel für Wachstum, Wohlstand und technologische Souveränität sind. Im Resultat werden Deutschland und Europa unabhängiger und stärker – ein echter Game Changer, gerade wenn alte Partnerschaften bröckeln.

Verena Pausder ist seit Ende 2023 Vorsitzende des Bundesverbands Deutsche Start-ups. Sie hat selbst unter anderem den Kinder-App-Entwickler Fox&Sheep und die Haba Digitalwerkstatt gegründet.

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