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Standpunkte Wie sich die EU gegen Tech-Riesen wehren kann

Johnny Ryan ist der Direktor von Enforce und Senior Fellow beim Open Markets Institute.
Johnny Ryan ist der Direktor von Enforce und Senior Fellow beim Open Markets Institute. Foto: Enforce

Big Tech dominiert Europa, hält unsere Unternehmen klein, schadet unseren Kindern und untergräbt unsere Sicherheit. J.D. Vance hat angekündigt, dass die USA die NATO schwächen werden, wenn wir unsere Regeln gegen Musk durchsetzen. Wie könnte Ursula von der Leyen darauf antworten?

von Johnny Ryan

veröffentlicht am 19.11.2024

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Eine Handvoll riesiger US-amerikanischer und chinesischer Technologieunternehmen dominiert Europas digitale Infrastruktur, Plattformen und Medien. Das untergräbt die Fähigkeit Europas, seine eigenen großen Digitalunternehmen wachsen zu lassen oder seine Kinder, Wahlen und nationale Sicherheit zu schützen.

Europa muss sich in der Technologiebranche starkmachen, sonst wird es schikaniert. Die Drohung des designierten US-Vizepräsidenten J.D. Vance, dass die USA die NATO finanziell aushungern würden, wenn Brüssel europäisches Recht gegen Elon Musks „X“ (Twitter) durchsetzt, zeigt, was uns bevorsteht.

Wie Europa seine Muskeln stärken kann

Europa verfügt über einen beeindruckenden Werkzeugkasten, mit dem digitale Probleme angegangen werden können. Aber diese Instrumente sind verstreut über mehrere Abteilungen der Europäischen Kommission, verschiedene unabhängige EU-Agenturen und nationale Behörden in den 27 EU-Ländern.

Europa hat schon länger ein Silo-Problem, die Einführung neuer Digitalgesetze in den vergangenen Jahren hat es nicht vereinfacht. Aber Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kann dieses Problem lösen. Wie, schlagen wir in einer Empfehlung vor, die heute die Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlicht.

Der erste Schritt ist es, einen hochrangigen Beamten in jeder relevanten Abteilung der Kommission zu ernennen. Diese Beamten sollen als Hauptaufgabe die Durchsetzung in ihren Bereichen koordinieren und Kontakt mit externen Agenturen und nationalen Behörden halten. Diese Stelle nennen wir „Chief Enforcement Officer“.

Diese Chief Enforcement Officers sollen zweitens in einer Taskforce zum Schutz der Sicherheit und des Wohlstands in Europa zusammengeführt werden. Die Taskforce sollte von einer hochrangigen politischen Persönlichkeit geleitet werden und die Fäden der europäischen Tech-Durchsetzung zusammenbringen. Das würde es Präsidentin von der Leyen erlauben, Big-Tech-Firmen aus mehreren Richtungen gleichzeitig anzugehen.

Das ist möglich, ohne Silos abzureißen. Für schnelle Kohärenz ist Kooperation besser als ein völliger Umbau. Keine der beteiligten Stellen würde irgendwelche ihrer Befugnisse verlieren, aber ihre Möglichkeiten könnten nun kohärent auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet werden. Schritte für eine einheitlichere Umsetzung würden auch die Fragmentierung im Binnenmarkt verringern.

Für kleine Unternehmen Raum zum Wachsen schaffen

Europas Tech-Wirtschaft zum Wachsen zu bringen, ist eins der ersten strategischen Ziele, die die Taskforce angehen sollte.

Selbst die beste Innovation wird auf einem manipulierten Markt keinen Erfolg finden. Sehr große außereuropäische Tech-Firmen dominieren unseren Markt, indem sie unsere Gesetze brechen. Damit Europas KMUs und Start-ups skalieren können, brauchen wir nicht nur Billionen-Investitionen in Infrastruktur und Innovation. Wir müssen zuerst Raum im Markt für sie öffnen, in dem sie wachsen können, damit sie nicht von riesigen Unternehmen aus USA und China erstickt werden, die sich weigern, unsere Regeln einzuhalten.

Eine starke Durchsetzung unserer europäischen Gesetze gegen das anhaltende Fehlverhalten dieser außereuropäischen Tech-Riesen ist ein wirtschaftliches Muss. Damit sollte keine zusätzliche regulatorische Belastung für europäische KMUs und Start-ups entstehen. Die größten Firmen aus USA und China haben ihre europäischen Wetten auf Irland gesetzt (und in Amazons Fall auf Luxemburg), weil sie hoffen, dass diese Länder „Datenoasen“ sind, die sich zieren, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) durchzusetzen.

Die kleinliche Umsetzung der DSGVO behindert KMUs und Start-ups, aber es hat bisher nur wenig wirkliche Durchsetzung gegeben, um den Datenmissbrauch der großen Tech-Firmen einzuschränken. Ein Großteil ihrer Stärke beruht darauf, dass sie Daten sammeln und gesetzeswidrig und ohne Rechenschaft benutzen. Das ist die Grundlage dafür, dass Tiktok-Algorithmen Selbsthass und Selbstmord in die Social-Media-Feeds unserer Kinder spülen, oder für Googles Werbetechnologie, die Daten über Europas sensibles Personal an potenzielle militärische Widersacher weitergibt.

Regeln für verantwortungsvolle Datennutzung sind Kryptonit für die amerikanischen und chinesischen Tech-Riesen. Wenn Irland und Luxemburg die DSGVO vollständig gegen sie durchsetzen würden, hätte das eine tiefgreifende Wirkung: Es würde nicht nur die hart erkämpften Grundfreiheiten von Europäerinnen aufrechterhalten, sondern würde auch im Platz im Markt schaffen, damit Europas Alternativen wachsen können. Kommissionspräsidentin von der Leyen sollte sicherstellen, dass das passiert – wenn nötig, mit juristischen Drohungen („Vertragsverletzungsverfahren“).

Von der Leyens Signal

Sie könnte so nach Peking und Washington signalisieren, dass auf dem europäischen Markt europäische Regeln beachtet werden müssen. Ein glaubhaftes Signal dafür wäre es, die Lücke zwischen gesetzlichen Werkzeugen zu schließen und alle möglichen Werkzeuge unter politischer Führung zusammenzubringen. Selbst der unbedarfteste Big-Tech-CEO oder ausländische Staatschef wird erkennen, dass Europa ernst genommen werden muss, wenn es geschlossen handelt.

Johnny Ryan ist Direktor bei Enforce und Senior Fellow beim Open Markets Institute. Vorher arbeitete er in Führungsrollen in den Branchen Onlinewerbung, Medien und Technologie.

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