Mit dem staatlich geförderten Ausbau erneuerbarer Energien sollen die negativen Umweltwirkungen der konventionellen Stromerzeugung, vor allem der Klimawandel, reduziert werden. Immer deutlicher wird jedoch, dass die Nutzung erneuerbarer Energien selbst durchaus auch mit negativen Auswirkungen für Mensch und Umwelt einhergeht. Bestes Beispiel ist die Windenergie. Windräder verursachen Schallemissionen und Schattenwurf, verändern das Landschaftsbild und beeinträchtigen den Lebensraum von Tieren. Die Energiewende führt also zu umweltpolitischen Zielkonflikten – zwischen Klimaschutz auf der einen und Umwelt- und Anwohnerschutz auf der anderen Seite. Die wachsende Protestbewegung gegen neue Windparks, Biogasanlagen oder Stromtrassen muss als Indiz dafür verstanden werden, dass diese Konflikte gerade auf lokaler Ebene durchaus erheblich sind und politische Beachtung verdienen. Soll die Energiewende in nachhaltiger Weise gelingen, braucht es politische Konzepte zur Lösung dieser Konflikte.
Joachim Weimann stellt die richtige Diagnose: Der deutschen Politik fehlt bislang ein schlüssiges Gesamtkonzept, mit dem die umweltpolitischen Zielkonflikte gelöst werden könnten. Getrieben wird der Ausbau erneuerbarer Energien vor allem durch die im Erneuerbare-Energien-Gesetz verankerte staatliche Förderung. Welche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt dabei etwa mit dem Bau eines Windrades einhergehen, spielt für die Förderung keine Rolle. Betreiber bauen ihre Anlagen vorrangig dort, wo der meiste Wind weht. Ein unkontrollierter Wildwuchs von Windrädern soll in Deutschland vor allem durch das Planungs- und Genehmigungsrecht verhindert werden.
Zuständig dafür sind vorrangig die Behörden auf Ebene der Länder und Kommunen. Sie müssen bei der Entscheidung, ob und wo ein Windrad gebaut werden darf, eben gerade prüfen, ob die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt minimiert und gesetzliche Auflagen eingehalten werden. Allzu oft erweist sich das Planungs- und Genehmigungsrecht jedoch als stumpfes Schwert. Bestes Beispiel sind die Vorranggebiete, die viele Bundesländer mittlerweile für den vermeintlich geordneten Ausbau der Windenergie festgelegt haben. Regelmäßig werden diese von den Projektierern neuer Windparks angefochten und damit vorübergehend außer Kraft gesetzt werden. In der Zwischenzeit kann dann weiter munter auch außerhalb dieser Gebiete gebaut werden.
Insgesamt stimmt also die Abstimmung zwischen den energie- und umweltpolitischen Instrumenten auf nationaler und regionaler Ebene nicht. Dabei steht der Ausbau der erneuerbaren Energien gerade erst am Anfang. Gegenwärtig werden zwar schon knapp über 30 Prozent des deutschen Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt. Bis zum Jahr 2050 soll dieser Anteil jedoch auf 80 Prozent erhöht werden. Die umweltpolitischen Konflikte werden also weiter zunehmen. Mehr denn je werden in Zukunft intelligente politische Lösungen gefragt sein.
Aber ist es wirklich zielführend, zur Lösung der Konflikte in Zukunft auf die Förderung erneuerbarer Energien zu verzichten und allein auf den Emissionshandel als umweltpolitisches Allheilmittel zu setzen? Das suggeriert Joachim Weimann in seinem Standpunkt. Seine Argumentation: Der Emissionshandel sei das wirksamste und volkswirtschaftlich günstigste Instrument um CO2-Einsparungen zu erreichen. Die Förderung erneuerbarer Energien hingegen schaffe hier keinen Mehrwert, dafür aber zusätzliche Kosten für Umwelt und Anwohner.
Doch diese Argumentation greift zu kurz. Der Emissionshandel entspricht in der Praxis nur bedingt dem Lehrbuchmodell. Er gewährleistet zwar, dass der festgelegte Emissionsdeckel zu den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten erreicht wird. Seine letztliche Wirksamkeit hängt jedoch maßgeblich daran, ob der Emissionsdeckel selbst richtig gewählt wurde. Das darf bezweifelt werden. Schließlich ist er vorrangig Ergebnis zäher politischer Verhandlungen zwischen den europäischen Mitgliedsstaaten, bei denen die tatsächlich unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes notwendigen Emissionsreduktionen nur eine untergeordnete Rolle spielten.
Neben anderen Einflussfaktoren erklärt gerade auch der laxe Emissionsdeckel die gegenwärtig niedrigen CO2-Preise von fünf bis zehn Euro je Tonne. Derartig niedrige Emissionspreise setzen aber kaum Anreize, die langfristig notwendigen Investitionen in CO2-arme Stromerzeugungstechnologien vorzunehmen. Stattdessen wird weiter in Kohlekraftwerke investiert, die für die nächsten 40 Jahre Strom erzeugen werden. Die unzureichenden Anreize des heutigen Emissionshandels werfen also einen langen Schatten.
Darüber hinaus sind die übermäßigen CO2-Emissionen nicht das einzige Marktversagen, das im Zuge der Energiewende staatliche Eingriffe notwendig macht. Ebenso funktionieren Märkte für innovative Vermeidungstechnologien nicht perfekt, und neben dem Klimawandel müssen auch weitere Umweltprobleme konventioneller Stromerzeugung in den Griff bekommen werden, etwa Luftverschmutzung und Ressourcenverbrauch. Die aus ökonomischer Sicht idealen politischen Antworten auf diese Probleme – etwa Umweltsteuern – fehlen oft. Unter diesen Voraussetzung ist der staatlich geförderte Ausbau erneuerbarer Energien eine (wenn auch im ökonomische Sinne nur zweitbeste) Option, einen Schritt in die richtige Richtung zu machen. Zusätzliche Instrumente – wie eben die Erneuerbaren-Förderung – werden also gebraucht, damit die Energiewende in Deutschland tatsächlich gelingen kann.
Und klar sollte auch sein: Umweltpolitische Zielkonflikte sind keineswegs ein Alleinstellungsmerkmal der Förderung erneuerbarer Energien. Man stelle sich nur einen Emissionshandel mit strafferem Emissionsdeckel vor, der zu spürbaren CO2-Preisen jenseits der 30 Euro je Tonne führte. Stromerzeuger hätten starke Anreize, auf CO2-arme Energietechnologien wie erneuerbare Energien umzuschwenken – mit den bekannten umweltpolitischen Zielkonflikten auf lokaler Ebene.
Insgesamt führt es also nicht weiter, die staatliche Förderung erneuerbarer Energien im Sinne eines besseres Umwelt- und Anwohnerschutzes grundsätzlich in Frage zu stellen. Notwendig sind vielmehr politische Ideen, wie die Energiewende-Ziele mit minimalen umweltpolitischen Zielkonflikten erreicht werden können. Maßnahmen, mit denen die Auswirkungen von erneuerbaren Energien auf Mensch und Umwelt reduziert werden können, sind vielfältig. Dazu gehören technische Optionen, die etwa den Standort, die Auslegung und Betrieb der Anlagen betreffen. Mindestens genauso wichtig sind aber auch gesellschaftliche Lösungen, die von der finanziellen Teilhabe an Anlagen bis hin zur stärkeren Einbindung der Anwohner in die Entscheidungs- und Genehmigungsprozesse reichen.
Gesucht wird also ein intelligenter umweltpolitischer Maßnahmenmix, der all diese Optionen zu aktivieren vermag. Dazu kann möglicherweise eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gehören, etwa eine stärkere Differenzierung der Förderung unter ökologischen Gesichtspunkten. Wichtig wird aber auch die grundlegende Überarbeitung des Planungs- und Genehmigungsrechts sein, damit nationale und regionale umweltpolitische Ziele besser koordiniert und die Interessen der Anwohner stärker berücksichtigt werden. Klar ist in jedem Falle: Eine Politik, die allein auf den Emissionshandel als umweltpolitisches Allheilmittel setzt, brächte erhebliche umweltpolitische Risiken und Nebenwirkungen mit sich, vor denen leider keine Packungsbeilage und auch kein Apotheker warnen.
Paul Lehmann leitet an der Universität Leipzig eine Nachwuchsforschungsgruppe, die politische Strategien zur Minimierung der Umweltwirkungen erneuerbarer Energien erforscht, und ist Gastwissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ.