Energie-Klima icon Energie & Klima

Standpunkte Andere überzeugen - über die Finanzierung von NGOs

Nils Meyer-Ohlendorf

Die Finanzierung von Zivilgesellschaft durch die EU-Kommission ist ein heißes politisches Thema. In seinem Standpunkt diskutiert Nils Meyer-Ohlendorf vom Ecologic Institut, was in dieser Debatte getan werden sollte.

von Nils Meyer-Ohlendorf

veröffentlicht am 01.07.2025

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Die Diskussion um die Finanzierung von NGOs durch die EU-Kommission spitzt sich zu. Das Europäische Parlament hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um die Förderung von NGOs zu untersuchen. Es steht der Vorwurf im Raum, dass die Behörde über Bande gespielt hat: NGOs sollen mit finanzieller Unterstützung Lobbyarbeit für die politischen Ziele der Kommission geleistet haben. Das LIFE-Programm steht im Mittelpunkt dieser Diskussion. Zuschüsse aus diesem Programm zu den Betriebskosten von Umweltverbänden haben besonders viel politische und mediale Aufmerksamkeit bekommen.

Verbände sehen darin den Versuch, sie zu diskreditieren. Es gibt eine Kampagne von rechts – von Mitte rechts bis rechts außen – um sie zu diffamieren und einzuschüchtern. Es findet eine Hexenjagd statt. Auf der anderen Seite wird behauptet, NGOs seien eine Schattenlobby. Mit Steuergeldern alimentiert, verfolgten sie in intransparenter Weise ihre demokratisch nicht legitimierten Ziele.

Was sollte in dieser Debatte getan werden?

Wie bei anderen polarisierten Themen ist es sinnvoll, die Debatte mit Gemeinsamkeiten zu beginnen, nicht mit dem Trennendem. Für konkrete Lösungen ist es wichtig, zuerst common ground zu finden und dann strittige Fragen anzugehen. Trotz der polarisierten Debatte gibt es in zentralen Punkten auch Konsens – über Lagergrenzen hinweg.

Es ist weitgehend allgemein anerkannt und geltendes Recht, dass Zivilgesellschaft ein zentrales Element von Demokratie ist. Sie ist gelebte Meinungs-, und Vereinigungsfreiheit. Als Mitgliederorganisationen vertreten NGOs die Interessen von Millionen Menschen. Als Expertengruppen stellen sie neue Ideen zur Debatte. Sie kontrollieren Politik und Wirtschaft.

Es gibt auch weiterhin einen breiten Konsens in der EU, dass Zivilgesellschaft finanzielle Förderung durch den Staat braucht. Ohne staatliche Förderung wären viele zivilgesellschaftliche Aktivitäten nicht möglich. Spenden reichen nur sehr selten aus. Es besteht auch viel Zustimmung dafür, dass staatliche Unterstützung notwendig ist, um Waffengleichheit in der politischen Diskussion herzustellen. Viele zivilgesellschaftliche Gruppen verfügen nur über einen Bruchteil der finanziellen Mittel wirtschaftlicher Interessensvertreter.

Dies wird im Prinzip auch von den Parteien anerkannt, die die Arbeitsgruppe zur Untersuchung von NGO Förderung eingerichtet haben. Für die EVP geht es nicht darum, staatliche Förderung von Zivilgesellschaft insgesamt in Frage zu stellen, sondern vor allem um die Frage, ob NGOs mit Hilfe öffentlicher Mittel bestimmte politische Positionen verstärken. Nicola Procaccini, Ko-Vorsitzender der EKR, hat sich ähnlich geäußert. Bei aller Vorsicht gegenüber solchen Aussagen ist es für die politische Debatte sinnvoll, diese Punkte zu betonen und sie in der weiteren Debatte zu verwenden.

Der Vorwurf, es gebe eine Kampagne von rechts gegen NGOs im Allgemeinen und gegen die Klimabewegung im Besonderen, geht aber in die falsche Richtung: Er betont Trennlinien und polarisiert; mögliche Gemeinsamkeiten und Verbündete werden unsichtbar. Er überzeugt nur die Überzeugten. Er schnürt Mitte rechts und rechts außen zusammen, obwohl es erhebliche Unterschiede zwischen beiden gibt. Die AfD zum Beispiel sieht NGOs eher als Feind. Sie will die staatliche Finanzierung von „politischen Vorfeldorganisationen“ verbieten.

Außerdem rückt sich die Klimabewegung mit dem Vorwurf einer Kampagne von rechts selbst nach links. Das ist ein großes Problem. Denn angesichts der Zusammensetzung des jetzigen EU-Parlament wird es schwierig, Mehrheiten für die eigenen Anliegen zu organisieren, wenn die eigene Position als ein Abwehrkampf gegen „rechts“ dargestellt wird. Wie können Mehrheiten zustande kommen, wenn die EVP als Teil einer rechten Kampagne gesehen wird?

Klimabewegung wird angreifbar

Um in diesem europäischen Parlament Mehrheiten zu organisieren, ist es vielversprechender, Überparteilichkeit, Gemeinwohlorientierung, Fachkompetenz und Repräsentativität zu betonen. Auch die gegenwärtige politische Stimmung spricht für diese Strategie. Obwohl die Klimabewegung verlorenen Zuspruch in den letzten beiden Jahren zum Teil zurückgewonnen hat, meinen weiterhin Mehrheiten, dass sie nicht das Wohl der gesamten Gesellschaft im Blick hat. Trotz ihrer politischen Heterogenität wird sie eher links verortet.

Diese Stimmungslage macht die Klimabewegung angreifbar. Für die Zukunft staatlicher Förderung von NGOs ist es aber von zentraler Bedeutung, dass sie breite Unterstützung in der Gesellschaft haben und nicht als Teil eines politischen Lagers wahrgenommen werden. Der Konsens, dass die finanzielle Unterstützung der Zivilgesellschaft auch eine staatliche Aufgabe ist, darf nicht weiter bröckeln.

Um außerhalb des eigenen Lagers zu überzeugen, hilft außerdem ein gelasseneres und weniger aufgeregtes Auftreten. Aufgeregte Beiträge erwecken zum einen den Eindruck, dass es NGOs vor allem um Besitzstandswahrung geht. Zum anderen illustrieren sie, dass die Klimabewegung stärker polarisiert ist als der Rest der Bevölkerung. Diese Polarisierung schwächt ihre Überzeugungskraft. Viele Menschen fühlen sich durch die Polarisierung der Klimabewegung und ihre Sprache nicht angesprochen.

Für eine gelassenere Diskussion ist es wichtig, klarzustellen, dass Mehrheiten das Recht haben, Förderprogramme zu verändern oder auch ganz abzuschaffen. Staatliche Förderung hängt am Haushalt, ist also immer befristet und wird immer wieder neu verhandelt und beschlossen. In der derzeitigen Diskussion entsteht aber oft der Eindruck, dass praktisch jede Änderung von Förderprogrammen ein Angriff auf NGOs und deshalb auf die Demokratie sei. Das LIFE-Programm – zum Beispiel – ist nicht Teil des demokratischen Systems der EU.

Es trägt auch zu einer gelasseneren Debatte bei, wenn die derzeitige Diskussion nicht als Ergebnis einer verschwörerischen Kampagne „von rechts“ abgetan wird. In der Diskussion wird zwar oft ein Zerrbild der Arbeit von NGOs gezeichnet, aber es überzeugt nicht, wenn Kampagneorganisationen sich über Kampagnen beklagen. Die Kampagne von rechts ist weniger ein Rachefeldzug als vielmehr Ausdruck der politischen Realität, dass die Klimabewegung Erfolg hat – also auch ein Kompliment.

Kurzum: Es geht um mehr Überparteilichkeit und weniger Polarisierung. Eine konkrete und gelassene Diskussion – auch von administrativen Details – ist besser, als die polarisierte Metadebatte zu Demokratie und Autokratie noch weiter zu verstärken. Mehrheiten können so besser davon überzeugt werden, was staatliche Förderung von NGOs in der Regel ist: gut angelegtes Steuergeld.

Nils Meyer-Ohlendorf ist Head des International and European Governance Program des Ecologic Instituts. Klimaschutz, EU Politik, Demokratie und Governance sind Schwerpunkte seiner Arbeit. Die Ansichten in diesem Standpunkt sind rein persönliche.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen