Energie-Klima icon

Energie & Klima

Standpunkte Auch die Milliardäre müssen zahlen

Kathrin Henneberger, Bundestagsabgeordnete, Bündnis 90/Die Grünen
Kathrin Henneberger, Bundestagsabgeordnete, Bündnis 90/Die Grünen Foto: Kathrin Henneberger

Aktuell wird um die dringend notwendige Reformierung der Schuldenbremse und die Ausgestaltung eines 500-Milliarden-Euro-Sondervermögens für Infrastruktur gerungen. Bei diesen Instrumenten darf es nicht bleiben, schreibt Kathrin Henneberger. Notwendig sind in ihren Augen weitere Maßnahmen, um die Haushaltseinnahmen gerechter zu gestalten. Die Grünen-Abgeordnete fordert, reiche Verursacher der Klimakrise zur Kasse zu bitten.

von Kathrin Henneberger

veröffentlicht am 06.03.2025

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Noch vor Kurzem wurden Ideen wie die globale Milliardärssteuer vorangetrieben und in einem G20-Beschluss verankert. Jetzt, bei den Sondierungs- und bald beginnenden Koalitionsgesprächen, müssen sie als Vorhaben der nächsten Bundesregierung festgelegt werden. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Nur weil die Klimakrise weniger medial präsent ist, haben sich die Probleme nicht aufgelöst. Nur weil sie im aktuellen Sondierungspapier der Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD nicht auftaucht, ist sie nicht weniger dringlich. Die 1,5-Grad-Grenze der globalen Erhitzung wird überschritten, und die Lebensgrundlage von Hunderten Millionen Menschen ist bedroht.

Statt eines aktuell vorgeschlagenen Sondervermögens für Infrastruktur, ohne klare Richtlinien für Klimaschutz oder eine Ausschlussliste für fossile Investitionen, benötigt es eine klimagerechte Reform der Schuldenbremse. Zudem müssen wir die Verursacher der Klimakrise zur Verantwortung ziehen. Denn sowohl weltweit als auch in Deutschland trägt die Öffentlichkeit die Kosten für Wetterextreme und die notwendigen Investitionen in Erneuerbare sowie klimaresiliente Infrastruktur, während die größten Verursacher – Milliardäre sowie fossile Großkonzerne – weiterhin vom Verkauf von Öl, Gas und Kohle profitieren.

Wir erleben klimapolitische Rückschritte

Wie Oxfam 2023 berichtete, verursacht das reichste Prozent der Weltbevölkerung (77 Millionen Menschen) genauso viel Klimaverschmutzung wie die ärmeren zwei Drittel der Menschheit (fünf Milliarden Menschen), die vor allem in Ländern leben, die besonders stark von der Klimakrise betroffen sind. Milliardär*innen verursachen in 90 Minuten mehr Treibhausgase als Durchschnittsbürger*innen in ihrem gesamten Leben – durch ihre exzessiven Lebensstile, ihre Investitionen in fossile Industrien und ihren auf Profite gerichteten Einfluss auf Medien, Wirtschaft und Politik.

Den Einfluss der Superreichen erleben wir aktuell besonders drastisch in den USA, wo Elon Musk und Donald Trump Klimaschutz rückabwickeln und soziale Infrastruktur sowie überlebenswichtige Organisationen wie die Entwicklungsbehörde USAID schwächen.

Ein weiterer zentraler Grund für die Lücken in der Klimapolitik sind die immer noch hohen Gewinne fossiler Konzerne sowie ihr Wille, weiter in fossile Infrastruktur zu investieren. Blackrock, der weltweit größte Vermögensverwalter, stieg kürzlich aus einem Klimabündnis aus, das seine Mitgliedsunternehmen verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Statt den notwendigen Kurswechsel einzuleiten, verdienen Unternehmen wie Blackrock mit klimaschädlichen Geschäften weiter Billionen. Die Kosten wälzen sie auf die Allgemeinheit ab.

Die Klimakrise verschärft soziale Ungerechtigkeit

Auch in Deutschland sind es vor allem Superreiche, die den Klimawandel verursachen: Ein neues Gutachten des Forschungsinstituts DIW econ schätzt, dass ein*e Milliardär*in in fünf Minuten so viel CO2 verursacht wie ein*e Durchschnittsbürger*in im gesamten Jahr – zu 99 Prozent aufgrund profitabler Beteiligungen an fossilen Geschäften. Auch mit ihren Yachten und Privatjets verursachen Milliardär*innen 190-mal mehr Mobilitätsemissionen als durchschnittliche Menschen. Für die gleiche Menge müsste ein Familienwagen 75-mal um die Erde fahren. Insgesamt emittiert das reichste Prozent in Deutschland 15-mal mehr CO2 als die ärmste Hälfte zusammen.

Hierzulande wie weltweit sind es gleichzeitig die Menschen mit den kleinsten Einkommen, die am stärksten unter den Auswirkungen der eskalierenden Klimakrise leiden. Sie leben häufig in Regionen, die besonders anfällig für extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen oder Hitzewellen sind. Ihre Wohnungen können Wind und Wetter weniger standhalten. Ihre Ersparnisse reichen nicht aus, um Sturmschäden zu reparieren oder knapper werdende Lebensmittel zu bezahlen. Besonders verletzlich sind benachteiligte Kinder, Frauen, ältere und erkrankte Menschen, Menschen mit Behinderung sowie andere marginalisierte Gruppen.

Wir brauchen die Milliardärssteuer

Der Bundeshaushalt reicht schon lange nicht mehr, um in die notwendige Klimaanpassung unserer Sozialsysteme und Infrastruktur zu investieren. Wir benötigen mehr finanzielle Mittel. Laut dem Expertenrat für Klimafragen reichen die Investitionen noch nicht, damit Deutschland seine langfristigen Klimaziele erreicht. Bekannte Vorschläge zur Geldbeschaffung sind eine nachhaltige Reform der Schuldenbremse, die wir jetzt brauchen. Darüber hinaus spreche ich mich für eine Milliardärssteuer, einen Abbau fossiler Subventionen und eine Abgabe auf den Abbau fossiler Rohstoffe aus, die global als „Carbon Damage Tax“ bekannt ist.

Die Einführung einer Milliardärs- beziehungsweise Überreichensteuer, für die sich im vergangenen Jahr auch die G20 ausgesprochen haben, könnte für Deutschland jährliche Mehreinnahmen von fünf bis 17 Milliarden Euro bringen. Diese Mittel brauchen die öffentlichen Kassen dringend.

Auch die Carbon Damage Tax ist ein essenzielles Instrument: Schon bei der Förderung von Öl, Gas und Kohle würden Unternehmen für klimakrisenbedingte Verluste und Schäden aufkommen. Das ist klimagerechte Politik: eine Politik, die Klimaschutz mit sozialer Gerechtigkeit verbindet und eine stabile Demokratie sichert. Die Verantwortung für die politische Umsetzung liegt bei der nächsten Bundesregierung – und unsere Aufgabe ist es, sie anzutreiben.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen