In gut zwei Jahren wird der ETS 2 eingeführt. Der Europäische Emissionshandel wird damit neben dem Verkehrssektor auch auf den Gebäudebereich ausgeweitet. Durch den Handel von CO2-Zertifikaten sollen Emissionen dort eingespart werden, wo dies kostengünstig möglich ist. Der Preis der frei gehandelten CO2-Emissionen soll sich aus Angebot und Nachfrage ergeben. Bei hoher Nachfrage verteuern sich Emissionen schneller, was eine verstärkte Lenkungswirkung auslösen soll – soweit die Theorie.
Schon werden Stimmen laut, die fordern, den Zertifikatehandel im Gebäudebereich zeitlich vorzuziehen und den bisherigen Instrumentenbaukasten aus Förderanreizen und ordnungsrechtlichen Leitplanken allein durch Preissignale abzulösen. Diese einseitige Strategie ist eine riskante Wette, wie eine aktuelle Analyse des Beratungsunternehmens Guidehouse zeigt. Denn die Klimabilanz des deutschen Gebäudebestands ist schlecht. Seit Jahren werden die (bis vor Kurzem noch rechtlich verbindlichen) Klimaziele in diesem Bereich regelmäßig verfehlt. Die Sanierungsquote dümpelt nach Angaben des Bundesverbandes energieeffiziente Gebäudehülle (Buveg) bei 0,7 Prozent und ist damit so niedrig wie nie zuvor. Daran wird ein CO2-Preis, der aktuell bei rund 1 Cent je kWh Gas liegt und den kleinsten Teil der Heizkosten ausmacht, nichts ändern. Selbst mit einem CO2-Preis von über 200 Euro werden die Energieeinsparziele für 2030 nicht erreicht, wie ein aktuelles Gutachten von Prognos zeigt.
Preissprünge könnten Wirksamkeit des Emissionshandels beeinträchtigen
Zudem werden die knappen Verschmutzungsrechte umso teurer, je mehr CO2 der Gebäudebestand emittiert. So warnte die Agora Energiewende in einer Studie eindringlich vor der Gefahr unkalkulierbarer Preissprünge, die unmittelbar auf die Energiekosten durchschlagen würden. In der Folge wären staatliche Eingriffe in den Emissionshandel wohl unvermeidbar, um soziale Verwerfungen abzufedern. Mit Preisobergrenzen verlöre der Emissionshandel jedoch seine Lenkungswirkung. Klar ist also: Es sind weitere, wirksame Maßnahmen nötig. Die Ausweitung des Emissionshandels muss jetzt vorbereitet und in einen Mix politischer Instrumente eingebettet werden.
Sonst können Heizen und Warmwasser für viele Menschen schlagartig unerschwinglich werden, die nicht darauf reagieren können. Das betrifft insbesondere Mietende in unsanierten Gebäuden, kann aber auch privates Wohneigentum gefährden. Tatsächlich rechnet kaum jemand damit, dass die Politik „ernst“ macht. Ansonsten würde der angekündigte Handel bereits jetzt für Unruhe, vielleicht sogar Bewegung sorgen.
Die Analyse von Guidehouse schlägt einen Mix aus verbindlichen Sanierungsstandards (MEPS) auch für unsanierte Wohngebäude, einer zielgruppenspezifischen Kommunikation und einem verlässlichen, darauf abgestimmten Förderangebot vor. Ein solcher klarer Rahmen würde Eigentümer vor einem Wertverlust ihrer Gebäude und Nutzer vor Energiepreisschocks schützen. Kommunikation ist ein zentrales Element, um Eigentümerinnen und Eigentümer sowie Mietende in die Lage zu versetzen, mit ihrem Handeln Teil der Lösung zu werden, statt einfach betroffen zu sein. In gleicher Weise muss die Kommunikation mit Handwerk und Industrie stattfinden, damit klare und verlässliche Planungsperspektiven entstehen. Die Fördergelder könnten darauf konzentriert werden, zielkompatibel und sozial ausgleichend zu wirken. Finanziert aus den Einnahmen des Emissionshandels entstünde so eine Hebelwirkung, da Preise und Anreize zusammenwirken.
Klimaschutz im Gebäudesektor funktioniert nicht allein über den Markt
Keine Frage: Im Energiesektor hat sich der Europäische Emissionshandel als überaus wirksames Instrument erwiesen, zumindest was die Nutzung emissionsarmer Erzeugung betrifft. Im Gebäudebereich aber sind die Wirkmechanismen und Marktrationalitäten ganz andere. In angespannten Wohnungsmärkten mit einem wenig effizienten Gebäudebestand haben die Menschen oft schlicht nicht die Wahl – außer eben zu frieren. Auch die Verteilung der Kosten nach CO2-Bilanz löst das Nutzer-Investor-Dilemma nicht auf. Wer CO2-arme, aber nicht notwendigerweise billigere Energieträger zum Heizen einsetzt, kann die Verbrauchskosten 1:1 auf die Nutzenden umlegen. Einen Sanierungsanreiz gibt es dann nicht mehr.
Nur mit einem Mix aus CO2-Preis, einer konsequenten Umsetzung von klaren Sanierungsstandards und -pfaden sowie einer zielgruppenscharfen Förderung und Information käme der Gebäudebestand endlich auf den Zielpfad. Für die Gebäudewirtschaft, Industrie, Bauwirtschaft und Handwerk ergäben sich dringend benötigte klare Perspektiven. Die Bundesregierung ist jetzt in der Pflicht, diesen Weg konsequent zu gestalten, anstatt sich auf einseitige und riskante Wetten zu verlassen. Nur so kann ein soziales und ökologisches Desaster verhindert und ein nachhaltiger Klimaschutz erreicht werden.
Ute Czylwik leitet bei der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) den Gebäudebereich. Die Deneff macht sich für eine ambitionierte und wirksame Energie(effizienz)politik in Deutschland und Europa stark.
Kjell Bettgenhäuser ist Associate Director bei Guidehouse und arbeitet schwerpunktmäßig im Bereich nationaler und europäischer Gebäudeenergiepolitik und -analyse. Guidehouse ist ein internationales Beratungsunternehmen in den Bereichen Management-, Technologie- und Risikoberatung.