Der Klimawandel interessiert sich nicht für globale Machtkämpfe, Populismus und seine Politisierung. Er findet statt und schreitet voran. Wer das bestreitet oder davor die Augen verschließt, belügt seine Wähler und interessiert sich nicht für nachkommende Generationen. Hitzewellen in früher ungekanntem Ausmaß, Abschmelzen von Gletscher- und Arktiseis, Dürren und Gefährdung von Regenwäldern – welche Belege wollen die Klimawandel-Ignoranten eigentlich noch?
Natürlich müssen die Ursachen des Klimawandels über die bereits bekannten Gründe hinaus weiter erforscht werden. Aber der signifikante Beitrag der Verbrennung fossiler Energien zur Klimaerwärmung ist seit langem evident.
Das globale Ringen um Macht nimmt darauf leider keine Rücksicht. Diese Rivalitäten hat es immer gegeben, sie gewinnen aber gerade eine neue Dimension. Grenzen werden weltweit in Frage gestellt und territoriale Ansprüche erhoben. Das steht im Widerspruch zu den internationalen Konfliktlösungsmechanismen, die seit dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurden.
Die globale Klimapolitik droht dabei unter die Räder zu geraten. Gefährlich wird es, wenn populistische Klimawandel-Ignoranten mit Propaganda und Lügen hier als Verstärker wirken. Die Klimapolitik wird für Stagnation, Inflation und Arbeitsplatz-Abbau verantwortlich gemacht.
Schwächen der gegenwärtigen Klimapolitik nicht länger ignorieren
Leider bietet die aktuelle Klimapolitik mit ihrem Hang zu Überkomplexität und Überregulierung zu viele Angriffspunkte für solche Polemiken. Damit die Klimapolitik sich dieser Tendenzen erwehren kann, muss sie ihre Defizite beseitigen. Es fällt schwer, über ihre Schwächen zu sprechen, ohne sich dem Verdacht der Klimawandel-Relativierung oder gar -Leugnung auszusetzen.
Der Klimaschutz ist weltweit so dogmatisch geworden, dass wenig Resonanz erfährt, wer im Interesse des Klimaschutzes neue Konzepte zu seiner Bekämpfung vorschlägt. Schon die Kritik an vorherrschenden Klimaschutz-Instrumenten erweckt Misstrauen und verleitet dazu, solche Kritiker mit Klimawandel-Ignoranten gleichzusetzen. Damit wird ungewollt die Tendenz befördert, Klimaschutzpolitik zu einem Ziel populistischer Angriffe zu machen.
Wo die Klimaschutzpolitik an ihre Grenzen stößt
Wo die bestehende Klimaschutzpolitik überholt ist und an ihre Grenzen kommt, wird an drei Beispielen deutlich:
Zum einen funktioniert das System der UN-Klimakonferenzen nicht mehr richtig. Dies sind inzwischen Riesen-Veranstaltungen mit mehreren 10.000 Teilnehmern, die CO2-intensiv in Flugzeugen und Privatjets anreisen. Der Vorsitz der vorletzten, letzten und nächsten Klimakonferenz liegt bei Staaten mit massiven Öl- und Gasinteressen. Und zunehmend macht sich in destruktiver Weise der Einfluss von Großmachtpolitik bemerkbar.
Verbesserungsbedarf gibt es auch auf EU-Ebene. Die EU hat seit 2019 in kurzer Zeit mit dem Green Deal ein riesiges Klimaschutz-Gesetzespaket geschaffen, dessen Umsetzung in vollem Gange ist und dabei immer neue Regulierungen erzeugt. Jedoch: Die Einzelteile der insgesamt 27 Regelwerke und Hunderter Unter-Regulierungen sowie das Zusammenspiel Tausender Paragraphen durchschaut niemand mehr. Wie soll damit Klimaschutz unter verlässlichen Rahmenbedingungen möglich sein?
Drittens macht sich in Deutschland eine Fixierung auf jährliche CO2-Emissionsziele breit. Deren quantitative Erfüllung steht seit einigen Jahren im Mittelpunkt. Die qualitative Bewertung von Klimaschutz-Ergebnissen wird dadurch vernachlässigt. Ein genauer Blick auf das Gesamtbild zeigt aber schnell: Klimaschutz kommt nur in der Energiewirtschaft voran, im Verkehr, Gebäudebereich und der Landwirtschaft dagegen nicht. Und das positive Ergebnis der Industrie bei der Emissionsminderung ist trügerisch – die Rezession trägt daran einen großen Anteil.
Weltweiter Siegeszug des Grünstroms: So wird Klimapolitik resilient
Dieser Befund kann niemanden zufrieden stellen, dem Klimaschutz am Herzen liegt und dem es darum geht, der globalen Torpedierung des Klimaschutzes entgegenzuwirken. Dabei gibt es einen großen Lichtblick, den niemand leugnen kann.
Der Zuwachs der globalen Stromerzeugung speist sich überwiegend aus erneuerbaren Energien, deren weltweiter Siegeszug kaum noch zu stoppen ist. In den USA ist etwa Texas einer der führenden Bundesstaaten bei der Stromerzeugung aus Solar- und Windkraft – daran wird auch die neue amerikanische Regierung nichts mehr ändern können.
China ist der weltweit größte Investor in grünen Strom, um den ungebrochenen Energiehunger des Reichs der Mitte zu stillen. In der EU ist die Elektrizitätserzeugung mittlerweile zu 70 Prozent CO2-frei (woran übrigens die Kernenergie einen Anteil von etwa einem Drittel hat). In Deutschland liegt der Grünstrom-Anteil bei rund 60 Prozent und wird weiter steigen.
Vor allem der Erfolg einer Technologie ist dabei bemerkenswert: der Photovoltaik. Ihre weltweiten Wachstumsraten haben alle Erwartungen übertroffen. Trotz des beeindruckenden Hochlaufs, sollten wir uns die Frage stellen, ob das gleiche Ergebnis mit weniger Regulierungsaufwand und Geld erreichbar gewesen wäre. Warum können nicht auch die negativen lessons learnt aus dem Sieg des Grünstroms genutzt werden, wenn es um den besten Weg zur Klimaneutralität in Industrie, Mobilität, Raumwärme und nicht zuletzt der Landwirtschaft geht?
EEG – ein Beispiel für Effektivität mit geringer Effizienz
Die grüne Erfolgsstory in der Stromerzeugung erklärt sich durch den Einsatz neuer Technologien, ihre anfängliche staatliche Förderung und erhebliche Kostenreduzierungen durch Innovation und Skaleneffekte. Damit sind Windkraft und Photovoltaik schon heute bei den Betriebskosten nahezu konkurrenzlos.
Was sie immer noch teuer macht, sind die Systemkosten infolge notwendigen Ausbaus von Stromnetzen und Backup-Kapazitäten zur Vorsorge gegen Dunkelflauten. Dieser Kostenanstieg dürfte zwar noch etwas anhalten, aber vorübergehend sein, sobald die für Grünstrom erforderlichen Netz- und Backup-Kapazitäten geschaffen sind.
Zu den Lehren dieser Erfolgsgeschichte in Deutschland gehört, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sehr effektiv ist, aber nicht besonders effizient. In 25 Jahren EEG sind gut 300 Milliarden Euro für die Förderung von Grünstrom aufgewandt worden. War das ein optimaler Mitteleinsatz? Hätte man nicht mit weniger Geld dasselbe Ergebnis erzielen können?
Eine andere Lektion ist die Skepsis gegenüber der Selbstgewissheit staatlicher Planungen. Bei Beginn des EEG waren sich die meisten sicher, dass Photovoltaik in Deutschland kein großes Potenzial habe, wohl aber die Geothermie. Es kam ganz anders. Unternehmen, Verbraucher, kurz die Realität reagieren nicht so, wie es staatliche Planer erwarten. Das haben wir zuletzt beim Heizungsgesetz erlebt.
CO2-Bepreisung als wesentlicher Schlüssel zu mehr Klimaschutz
Deswegen braucht es gezielte, aber dosierte Anreize zur Förderung von Klimaschutz-Technologien, und vor allem weniger detaillierte staatliche Vorgaben. Dennoch wird dieser Fehler gerade beim europäischen Green Deal wiederholt, zum Schaden für den Klimaschutz und für Europa. Unternehmen und Verbraucher kommen schon allein auf die richtigen Ideen, wenn sie wissen, wohin die Reise geht. Ihnen muss nicht in allen Einzelheiten vorgegeben werden, was sie zu tun haben und was sie nicht dürfen.
Ausschlaggebend für staatliche Anreize sollte vor allem die Klimaschutz-Wirksamkeit sein, also ob eine Technologie geeignet ist, Treibhausgas- und insbesondere CO2-Emissionen zu senken. Deswegen ist die CO2-Bepreisung der Hauptschlüssel zu mehr Klimaschutz. Hierin liegt der Charme des CO2-Emissionshandels oder einer CO2-Steuer, allerdings unter der Bedingung, dass die damit erzielten Mehreinnahmen an die Bürger in Form eines Klimageldes zurückgezahlt werden. Das erhöht die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende.
Was folgt daraus?
Der Klimaschutz erfährt weltweit zunehmend Gegenwind. Das ist in höchstem Maße Besorgnis erregend. Deswegen müssen die Schwachpunkte der gegenwärtigen Klimapolitik schnellstmöglich beseitigt werden, um sie resilienter gegen globale Machtpolitik und Populismus zu machen.
Von Deng Xiaopeng stammt die berühmte Bewertung wirtschaftspolitischer Reformmaßnahmen in China: „Es spielt keine Rolle, ob eine Katze schwarz oder weiß ist, wenn sie eine Maus fängt, ist sie eine gute Katze.“ Das könnte im übertragenen Sinn das Leitmotiv für eine erfolgsorientierte, gegen Machtpolitik und Populismus resiliente Klimapolitik sein.
Ruprecht Brandis ist seit März 2024 Geschäftsführer der Berliner Denkfabrik Clean Energy Forum. Zuvor war er zwanzig Jahre lang bei dem Mineralöl- und Energiekonzern BP unter anderem als Senior Adviser Europe und Leiter des Hauptstadtbüros Berlin tätig.