Es scheint, als ob die Bundesregierung beim Ausbau der erneuerbaren Energien mächtig aufs Tempo drückt. Habecks Oster- und Sommer- bzw. Herbstpaket sollen neuen Schwung bringen. Und der ist bitter nötig: Der Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung ist in den letzten zehn Jahren zwar stetig gestiegen, aber um bis 2030 die angepeilte 80-Prozent-Marke zu knacken, müsste er sich innerhalb der nächsten acht Jahre nochmals verdoppeln. Dagegen spricht: Der jährliche Ausbau der installierten Leistung der Erneuerbaren in Deutschland stagniert seit 2012, Investitionen in PV-Anlagen und Windparks sind seitdem sogar rückläufig. Was läuft schief?
Finanzierungsrisiken minimieren
An ihrer Finanzierung wird die Energiewende vermutlich nicht scheitern. Investoren suchen weltweit nach ESG-konformen Anlagemöglichkeiten – der Ausbau der Erneuerbaren bietet ihnen genau das. Ein Großteil des Kapitals fließt seit Jahren allerdings in baureife oder bereits in Betrieb befindliche Erneuerbaren-Projekte und nicht in die Entwicklung neuer PV-Anlagen oder Windparks. Das ist nicht nur in Deutschland ein Problem, sondern weltweit. Dabei scheuen die Investoren nicht das Risiko der Entwicklung von Erneuerbaren an sich – der hohe Individualisierungsgrad der Projekte über die meist mehrere Jahre andauernde Entwicklungszeit macht es ihnen schwer, Entwicklungsrisiken zu quantifizieren.
Hinzu kommt: Für die meisten Investoren sind nur Investments in große Projektportfolios mit professionellen Partnern weit jenseits der 100 Megawatt interessant – die Finanzierung einzelner oder kleinerer Projekte fällt damit schwerer, während größere Portfolios besser finanzierbar sind. Die Folge: Investoren investieren zwar hohe Milliardensummen in baureife und operative Anlagen oder neue Technologien – allerdings fließt nur ein geringer Anteil in die Projektentwicklung von Erneuerbaren.
Um die ambitionierten
Ausbauziele der Bundesregierung zu erreichen, braucht es daher deutlich mehr
Investoren, die anstelle des Erwerbs baureifer oder operativer Projekte
tatsächliche Entwicklungsrisiken
tragen, damit sich mehr Projektideen realisieren lassen. Um die daraus
resultierende Finanzierungslücke zu schließen, müsste eine Reihe regulatorischer
Baustellen
geschlossen werden. Dies würde helfen, Entwicklungsrisiken transparenter
zu machen und Entwicklungsprozesse stärker zu standardisieren.
Flächenkulisse erweitern und Entwicklungsprozess
vereinfachen
Im Osterpaket sind bereits
wesentliche Punkte enthalten, die das Potenzial haben, für mehr Geschwindigkeit
beim Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland zu sorgen – zum Beispiel die Ausweitung der EEG-Flächenkulisse für PV-Anlagen
entlang von Autobahnen und Schienentrassen von 200 auf 500 Meter. Dazu zählen
zudem erste, zaghafte Vereinheitlichungen naturschutzrechtlicher Vorgaben und
die Zwei-Prozent-Flächenausweisung für Windparks oder die Anerkennung des Ausbaus der
Erneuerbaren im „überragenden öffentlichen Interesse“. Die Maßnahmen werden
voraussichtlich die Sicherung von Projektflächen für PV-Anlagen und Windparks
vereinfachen und die Komplexität bestehender Genehmigungsprozesse etwas
reduzieren und somit zeitlich verkürzen. Langfristig kann das mehr Geschwindigkeit beim Ausbau der
Erneuerbaren in Deutschland bringen.
Um die Ausbauziele tatsächlich erreichen zu können, braucht es aber (a) eine weitere Stärkung dieser Maßnahmen, zum Beispiel die konsequente Vereinheitlichung naturschutzrechtlicher Vorgaben auf Bundesebene und (b) weitere Mittel und Anreize, den Ausbau kurzfristig zu beschleunigen.
Mitwirkung und Akzeptanz schaffen
Die Bundesregierung definiert
zwar mit dem Osterpaket den Ausbau der Erneuerbaren in Deutschland als „im
überragenden öffentlichen Interesse“, umgehende Akzeptanz bei
Bürgerinnen und Bürgern für genau diesen Ausbau schafft dies allerdings nicht.
Ihr Grad sinkt massiv, je näher eine PV-Anlage oder Windpark vor der
entsprechenden Haustür gebaut werden soll. Dann werden zum Teil fadenscheinige Bürger- und Artenschutzargumente gegen
einen Ausbau vor Ort hervorgebracht und Entwicklungsprozesse durch Klagen
verzögert.
Den Ausbauzielen müssen
daher ausreichend ausgewiesene Flächen
auf Länder-, Regional- und Gemeindeebene gegenüberstehen – damit vor Ort
verstanden wird, dass Erneuerbare nicht nur „woanders“ entwickelt werden
können. Mit dem Wind-an-Land Gesetz und spezifischen Flächenzielen pro
Bundesland ist hier ein sehr wichtiger Schritt in die richtige Richtung
gegangen worden. Allerdings muss dieses Ziel erstens verbindlich sein
und zweitens müssen die Länder nun den nächsten Schritt gehen, um Flächen auf
Regionen oder Gemeindeebene zeitnah auszuweisen. Hier könnten Gemeinden
zusätzlich zum Beispiel finanziell an den vor Ort realisierten Erneuerbaren beteiligt
werden. Das EEG erlaubt bisher Auszahlungen in Höhe von 0,2 Cent pro
Kilowattstunde erneuerbaren Stroms an betroffene Gemeinden – unabhängig von
jeglichen Ausbauzielen.
Im Entwicklungsalltag reichen die Anreize des EEG oft nicht aus, um Projektideen zu realisieren. Bürger, Agrargenossenschaften oder Gemeinden fordern zum Teil, über den Rahmen des EEG hinaus an Projekten beteiligt zu werden. Die EEG-Novelle 2023 beinhaltet die bereits im früheren EEGs aufgegriffenen Bürgerenergiegesellschaften und erweitert und verbessert die Kriterien für diese. So sind nun zum Beispiel auch Bürgerenergiegesellschaften für Solarprojekte möglich. Die Anzahl der mindestens beteiligten Bürger wird von zehn auf 50 lokale Bürger erhöht, die Anzahl der Stimmrechte, welche bei lokalen Bürgern liegen müssen, von mindestens 51 auf 75 Prozent, und der maximale Abstand der beteiligten Bürger wird auf 50 Kilometer vom Projektort erhöht.
Osterpaket bringt nicht genug Dynamik
Allerdings bleiben Hürden bestehen: zum Beispiel Unklarheiten in
Bezug auf die BaFin-Regulation beim Vertrieb der Anteile und das Kernproblem,
dass Entwicklungsrisiken schwierig zu quantifizieren sind. Ein beteiligter Bürger muss somit
entweder signifikante Erfahrung im Bereich der Projektentwicklung
aufweisen oder eine gewisse Risikobereitschaft mitbringen. In der
Vergangenheit waren echte Bürgerenergiegesellschaften selten erfolgreich. Ob
die Bürgergesellschaften in ihrer jetzigen Form bereits den gewünschten Effekt
haben werden, bleibt fraglich und es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber die
Regelungen weiter verfeinert. Hilfreicher wären Modelle, welche lokalen Bürgern
oder Gemeinden die Möglichkeit geben, sich an Wind- und Solarparks ab der
Baureife zu beteiligen.
Deshalb wünschen sich Investoren
und Entwickler weiterhin mehr Klarheit, größere Handlungsspielräume und
Rechtssicherheit bezüglich der
Beteiligungsmöglichkeiten von Betroffenen, um deren Akzeptanz für die
Entwicklung von Erneuerbaren vor Ort besser beeinflussen zu können – und
unnötige, langwierige Klageprozesse zu vermeiden.
Das Osterpaket ist ein richtiger Schritt der Ampelkoalition und wird den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland beschleunigen. Aber die enthaltenen Maßnahmen reichen noch nicht aus, um die notwendige Dynamik zu entfachen, die ambitionierten Ziele in Deutschland zu erreichen. Dazu muss nachgelegt werden: bei der Flächenausweisung, der Vereinfachung des Entwicklungsprozesses und den Beteiligungsmöglichkeiten.
Ulf Oesterlin ist Geschäftsführer von Pacifico Energy Partners. Die Gruppe gründete er 2016 zusammen mit Fabian Herberg, sie baut in ganz Europa Onshore-Windparks und PV-Anlagen und entwickelt derzeit ein Portfolio von etwa zwei Gigawatt. 2019 hat das Münchner Unternehmen ein erstes operatives Portfolio an die Börse gebracht und agiert in Partnerschaft mit der daraus hervorgegangenen Pacifico Renewables Yield AG.