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Energie & Klima

Standpunkte EEG 2021: Prosumer sind Gewinner, Stromverbraucher die Verlierer

Holger Schneidewindt, Referent für Energierecht der Verbraucherzentrale NRW
Holger Schneidewindt, Referent für Energierecht der Verbraucherzentrale NRW Foto: Verbraucherzentrale NRW

Was ist für die kleinen Eigenerzeuger beim EEG unterm Strich herausgekommen? Holger Schneidewindt, Referent für Energierecht der Verbraucherzentrale NRW, sortiert und bewertet in seinem Standpunkt die 2021-Novelle. Zahlreichen kleinen Verbesserungen stehe jedoch ein „Tiefschlag“ gegen alle kleineren Verbraucher gegenüber.

von Holger Schneidewindt

veröffentlicht am 21.12.2020

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Schon fast traditionell setzt es für Verbraucher bei EEG-Novellen am Ende Tiefschläge aus Hinterzimmern. Beim EEG 2021 schien es anders. Am Ende hatte sich nochmal richtig was zum Positiven bewegt für Prosumer: Ü20-Anlagen, Eigenverbrauch, Entrümpelung bei den intelligenten Messsystemen, One-Stop-Shop. Für all dies gab es Besserstellungen. Auch wenn wichtige Entscheidungen noch ausstehen: Dort sieht es gut aus., wie die folgende Analyse zeigt. Gänzlich freiwillig waren die Zugeständnisse an Prosumer freilich nicht, vielmehr steckt auch Druck aus Brüssel dahinter.  Die „Amnestie“ bei ausstehenden EEG-Zahlungen für das Scheibenmodell der Industrie ist jedoch – zum Schluss der Liste – ein echter Tiefschlag.

Die Bewertung im Einzelnen:

Ü20-Solaranlagen

Schon der Regierungsentwurf hatte mit zusätzlichen Weiterbetriebsoptionen Hoffnung bei den Solar-Pionieren geweckt. Nun wurde auch der zentrale Showstopper für die wirtschaftlich attraktivste Betriebsart „Eigenverbrauch mit Überschusseinspeisung“ gekippt: kein „Straf-Messsystem“, es ist also kein aufwändiges intelligentes Messsystem notwendig.  Diese Entscheidung fiel sicherlich zum Ärger der Bundesnetzagentur. Ob die Spezialvergütung letztlich den wirtschaftlichen Weiterbetrieb ermöglicht, bleibt jedoch abzuwarten.

Umlagefreier Eigenverbrauch bis 30 kW für Neu- und Bestandsanlagen

Dass keine EEG-Umlage bis 30 Kilowatt (kW) Leistung abgeführt werden muss, ist ohne Zweifel ein wichtiger Fortschritt. Damit wird man weniger 9,9 kW-Anlagen sehen, sondern die Dächer werden maximal ausgenutzt – und das ist gut so. Allerdings trübt die Messsystempflicht ab sieben kW beziehungsweise das dazugehörige Messentgelt von 100 Euro pro Jahr massiv die Freude – erst recht unter Berücksichtigung des mickrigen Funktionsumfangs.

„Messen und Steuern“: kein vollständiger Rollout

Letztlich musste das Bundeswirtschaftsministerium das Ziel eines Messsystem-Vollrollouts aufgeben und das unübersichtliche Wirrwarr um das sogenannte „Messen und Steuern nach MsbG und EEG“ komplett entrümpeln. Alles andere wäre auch fatal gewesen, denn zu offensichtlich sind die Schwächen der Messsysteme und damit das fehlende positive Kosten-Nutzen-Verhältnis. Nun steht fest: Es gibt keine Einbaupflicht bei Ü20-Anlagen mit Eigenverbrauch und keine Einbaupflicht unter sieben kW neben anderen neuen Ausnahmen.

One-Stop-Shop

Der One-Stop-Shop, also eine zentrale bürokratische Anlaufstelle, wird möglicherweise belächelt, ist aber wichtiger als viele denken, auch in Deutschland. Wie viele angebliche „Konzessionen“ der Koalition an die Unterstützer eines schnelleren Erneuerbaren-Ausbaus war auch die „zentrale Anlaufstelle“ eine Verpflichtung aus dem europäischen Clean Energy Package, nämlich Art 25 der Binnenmarkt-Richtlinie. Die Umsetzung durch die BNetzA wird spannend.

Messsystem-Pficht für Solaranlagen

Zentrale Prosumer-Themen sind jedoch noch offen, die aufgrund ihrer wegweisenden Bedeutung maximaler Aufmerksamkeit bedürfen. So ist die Messsystem-Pflicht für Anlagen unter 7 kW nicht vom Tisch, sondern dem BMWi mit einer Verordnung überlassen. Immerhin scheint aber der Bundestag als wichtiges Korrektiv zustimmen zu müssen.

Was wird aus Paragraf 14a EnWG: Carrot or Stick?

Und die mindestens genauso wichtige Frage nach dem Schicksal des Paragraf 14a des Energiewirtschaftsgesetzes ist auch offen. Dabei geht es im Kern um die Abregelung neuer Stromverbraucher im Verteilnetz, zum Beispiel E-Ladestationen oder Wärmpepumpen. Auch hier will das BMWi bisher offenbar den (Messsystem-)Zwang, obwohl bei diesen Anlagen eine Messsystem-Pflicht unverhältnismäßig und darüber hinaus auch wenig innovativ wäre.

And the winner is … EU Clean Energy Package!

Klar: Die SPD war am Prosumer-freundlichsten, sicherlich auch Teile der CSU und CDU, wenn auch nicht die treibenden Kräfte. Aber die Lorbeeren gehen ohne Zweifel nach Brüssel. Letztlich gehen die Verbesserungen sämtlich auf das Konto des Clean Energy Package, das harte Leitplanken für die Mitgliedstaaten gesetzt hat. Das gilt sowohl für die 30 kW-Grenze als für den Verzicht auf die Messsystempflicht bei Ü20-Anlagen und bei Anlagen bis sieben kW.

And the winner is … Clearingstelle EEG!

Von entscheidender Bedeutung dürfte auch das Fachgespräch „Das EEG 2021“ der Clearingstelle EEG am 12. November 2020 gewesen sein, auf dem alle Schwachstellen des EEG-2021-Entwurfs aufgedeckt wurden, insbesondere zu „Messen und Steuern nach MSBG und EEG“.

Tiefschlag: „Entlastung der Großindustrie“

Und dann kam er doch, der Tiefschlag: Erstmalig und versteckt weit hinten im Gesetzesentwurf wurde in letzter Sekunde eine Milliardenamnestie der Großindustrie für vergangene Scheibchen-Schummelei eingebracht. Als Prosumer gehören Verbraucher durch das EEG 2021 zu den Gewinnern, als Verbraucher, die jetzt die fehlenden Zahlungen der EEG-Umlage der Großindustrie zahlen müssen, gehören sie jedoch zu den Verlierern des EEG 2021.

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