Wir alle – die sich auch an dieser Stelle tagaus und tagein Gedanken über Energiewende und Klimaschutz machen – sind angesichts des Ausmaßes der Coronakrise so alarmiert und erschüttert wie alle in diesem Land, in Europa und fast überall auf der Welt.
Das erste, was wir alle in unseren Organisationen und Unternehmen organisieren mussten war: Umstellen auf mobiles Arbeiten, Veranstaltungen und Reisen absagen, Projekte neu denken. Dabei gehören viele von uns zu den Privilegierten. Das Themenfeld Energiewende und Klimaschutz ist ein vergleichsweise sehr sicheres Arbeitsgebiet. An extrem vielen anderen Orten herrscht große Sorge. Um Arbeitsplätze, um die Zukunft von Unternehmen, über die persönliche Existenz und die eigene Gesundheit. Unzählige Menschen können nicht von zu Hause aus arbeiten. Sie müssen vor Ort sein, in den immer komplizierter werdenden Situationen des Alltags. Sie sind die Grundlage dafür, dass wir uns hier Gedanken machen können. Sie sind die Helden dieser Zeit.
Und natürlich sehen wir auch mit Staunen, wie schnell sich die Welt angesichts eines Virus verändert und verändern kann, wo doch viele von uns über die Zaghaftigkeit bei der Bekämpfung der Jahrhundertherausforderung Klimawandel bislang so enttäuscht waren. Nun, da wir alle an unseren virtuellen Schreibtischen sitzen, wollen wir dennoch gestalten, uns einbringen und dafür sorgen, dass der Klimaschutz – quasi als Kollateralschaden – nicht unter die Räder kommt. Besser noch: Wir sollten schnell dafür Sorge tragen, dass der hoffentlich bald anstehende Wirtschaftsaufschwung die auch für Energiewende und Klimaschutz förderlichen Maßnahmen identifiziert, damit es nicht einfach nur konsumtiv und fossil wieder „nach oben“ geht. Denn diese globale Krise zeigt auch, wie wichtig es ist, einen ganzheitlichen Weg für ein nachhaltiges Leben auf diesem Planeten zu finden. Im Sinne dessen, was sich die Weltgemeinschaft in Paris und mit den Sustainable Development Goals in New York vorgenommen hat.
Kühler Kopf statt alte Grabenkämpfe
Wie kann der Aufbau also am besten gelingen? Die ersten Meldungen dazu sind kunterbunt und häufig nach dem Motto ‚jetzt erst recht‘ oder ‚jetzt bitte bloß nicht‘: „Corona: Keine Rettung für das Klima“, „EEG-Umlage und Stromsteuer senken“, das sei eine „Luftnummer“. „CO2-Preis verschieben“. Manche rechnen schon aus, was es für das Klimajahr 2020 ausmacht und welche negative Auswirkungen es für die Jahre danach haben kann. Auch die dena hat vor ein paar Tagen mit dem Vorschlag einer „Frühjahroffensive für Energiewende und Klimaschutz“ zu dieser Debatte beigetragen.
Die Aufgabe für uns alle ist nun: Lasst uns einen kühlen Kopf behalten und nicht mit alten Ideen in alte Grabenkämpfe verfallen. Und lasst uns darauf achten, dass wir auch in der Energie- und Klimaszene das große Ganze im Blick behalten, wenn es darum geht, die Weichen für die vielleicht spektakulärste weltweite „Recovery“ seit Jahrzehnten und für neues Wachstum zu stellen.
Das Wachstums-und Wiederaufbau-Paket wird ein differenziertes, viele Aspekte umfassendes Programm sein müssen. Jetzt ist es wichtig, die grundliegenden Linien zu identifizieren und dann die geeigneten Maßnahmen zu skizzieren.
Im Vordergrund wird stehen, Jobs zu sichern und neue Jobs zu schaffen. Neue Perspektiven zu schaffen für die, die sie in diesen Wochen und Monaten verlieren werden. Das Banken- und Finanzsystem muss gesichert bleiben und deswegen muss ein Fokus auf das Retten von Firmen vor der Insolvenz liegen. Und: Große Investitionen in das Gesundheitssystem werden benötigt. Im internationalen Vergleich stehen wir gut da, aber die Fragilität, deren Zeuge wir dieser Tage sind, zeigt wie wichtig ein Umdenken, wie wichtig nach verbesserte Strukturen sind. Die Staaten auf der ganzen Welt werden nach dieser Krise deutlich höher verschuldet sein als davor.
Anknüpfen an Klimapaket und Green New Deal
Ein wie auch immer geartete Wachstumspaket muss nach vorne gerichtet sein. Es muss sich entlang dessen ausrichten, was wir mit gutem Grund als ebenfalls existenziell und von höchster Dringlichkeit identifizieren – kurz und gut: Es muss daran orientieren, was unsere Gesellschaft als zukunftsfähig definiert hat. Das ist allen voran die Ausrichtung des Wirtschaftslebens auf Klimaneutralität, verbunden mit großen Veränderungen und Kraftanstrengungen in allen Sektoren. Nun wird sich zeigen, ob wir durch den klimapolitischen Diskurs der vergangenen Jahre die richtige Haltung gefunden haben. Ich denke: Ja. Unser gemeinsamer, langfristig vorhandener Wille, dem Klimawandel entgegenzutreten, ist in dieser Situation entscheidend. Er ist die Grundlage für das Vertrauen, dass wir in dieser Situation die richtigen Entscheidungen treffen.
Wir können daran anknüpfen, was wir in Deutschland mit dem Klimapaket und dem Klimagesetz auf den Weg gebracht haben und was die Europäische Union mit dem Green New Deal als Aufgabe für die unterschiedlichsten Politikbereiche skizziert hat.
Es gibt einen neuen ökonomischen Rahmen, den man behutsam weiterentwickeln kann. Darin enthalten sind viele Maßnahmen, die die Wirtschaft ankurbeln können. Es gibt ein Monitoring der Klimaziele und einen Mechanismus, der die Zielerreichung unterstützen wird. Das alles bildet einen guten Ausgangspunkt.
Nachdenken heißt auch, Gespräche zu führen
Ja, wir werden zu diskutieren haben, ob manche Maßnahme eventuell etwas später greifen kann. Vielleicht werden wir mit dem heutigen Blick auf das sich verändernde Leben in unseren Städten einen anderen Blick auf die Möglichkeiten des „guten Lebens“ in den Städten der Zukunft entwickeln. Und vielleicht gibt es mutige Kommunalpolitiker, die neue Konzepte finden und umsetzen wollen und dafür finanzielle Unterstützung brauchen.
Es ist jetzt die Zeit, nach- und vorauszudenken. Welche ergänzenden Schritte sind nötig oder in der jetzigen Situation besonders wichtig. Kommt die Elektromobilität trotz der Krise rechtzeitig in Fahrt? Wie können wir vermeiden, dass klimafreundliche Investitionen aufgeschoben, sondern mit Nachdruck vorangetrieben werden? Nachdenken heißt auch, Gespräche führen – und zwar mit möglichst vielen: mit Ökonomen und Finanzwissenschaftlern, Soziologen und Klimaexperten, mit der Politik in Deutschland und in Europa. Nur so können wir die Dinge richtig einordnen. Krisenerfahrung haben wir in diesem immer noch jungen Jahrhundert bereits ausreichend. Was können wir aus alledem lernen?
Bei der dena wollen wir die jetzige Zeit nutzen, solche Gespräche zu führen und die richtigen Wege zu finden. Ich lade alle ein, daran mitzuwirken. Wir werden uns dazu schon bald melden. Ich bin davon überzeugt, dass das der richtige Weg in den kommenden Wochen sein wird.
Am Ende muss Politik entscheiden. Und zwar schneller
als bislang. Viele Akteure hadern zu Recht mit den stets verschobenen
Entscheidungen im Rahmen der Energie- und Klimapolitik. Die Corona-Krise zeigt,
dass wir es besser können. Mit der
richtigen Haltung, dem richtigen Rahmen, einem ganzheitlichen Ansatz und dem
Vertrauen, dass wir alle in eine Richtung ziehen. Dann kann es gelingen.