Nachdem die EU und zahlreiche Mitgliedstaaten eigene Förderstrategien vorgelegt haben, gibt die Bundesregierung unter dem Druck der Notwendigkeit ihre ideologisch motivierte Blockadehaltung bei CO2-Speichern zumindest teilweise auf. Für den Weg zur Klimaneutralität ist das ein gutes Signal. Ohne die Option, CO2 in großen Mengen geologisch zu speichern oder als Rohstoff zu verwerten, droht bei zukünftig drastisch steigenden CO2-Preisen der endgültige Niedergang schwer dekarbonisierbarer Industrien wie der Zementproduktion.
Für den Hochlauf von CO2-Verwertungsketten braucht es aber mehr als nur eine Liberalisierung ordnungsrechtlicher Vorgaben. Ohne gezielte staatliche Förderung werden die notwendigen massiven Investitionen ausbleiben. Denn der simultane Aufbau von Abscheidungsanlagen, Pipelines und Speichern erzeugt massive Koordinationsprobleme, die nicht allein über Preissignale im Emissionshandel gelöst werden können.
Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung in der Carbon Management Strategie eine gezielte Förderung über Klimaschutzverträge in Aussicht stellt, dem Beispiel zahlreicher weiterer EU-Mitglieder folgend. Die angekündigte Fokussierung der Förderung auf bestimmte schwer dekarbonisierbare Industrieprozesse ist jedoch zu limitiert.
Technologieoffen und wettbewerbsorientiert fördern
Erstens sind im Vergleich der Industrien die Anreize zur Investition in CO2-Abscheidung ohnehin dort am größten, wo keine wirtschaftlichen Alternativen zu dieser Art der Emissionsreduktion existieren. Eine technologieoffene und wettbewerbsorientierte Ausgestaltung von Förderinstrumenten sollte also im Zusammenspiel mit dem Emissionshandel am ehesten zu einer optimalen Verwendung von Fördergeldern führen.
Zweitens bleibt hier die neben industrieller CO2-Abscheidung langfristig entscheidende Technologieklasse ausgeblendet: Technologien zur Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre. Solche sogenannten Negativemissionstechnologien (NET) wie das Direct Air Capture oder die Nutzung von Bioenergie mit anschließender CO2-Abscheidung bieten unabhängig von Industrieprozessen die Möglichkeit, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu senken.
Anders als die industrielle CO2-Abscheidung konservieren sie auch keine fossilen Produktionsformen. Sie stellen damit auch für die Zeit nach 2050 wichtige Steuerungsinstrumente für die Begrenzung des Temperaturanstiegs in einer weitgehend dekarbonisierten Wirtschaft dar. In der Tat identifizieren die Projektionen anerkannter Klimamodelle üblicherweise einen langfristig steil ansteigenden Ausbau von NET-Kapazitäten als Vorbedingung für die Erreichung des Zwei-Grad-Ziels.
Zugleich profitieren sie aber nicht von Anreizen aus dem Emissionshandel in Form eingesparter Zertifikate. Denn die dem Emissionshandel zugrundeliegende Buchungssystematik bezieht Kohlenstoffentnahmen gegenwärtig noch nicht ein. Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der eine spezifische Förderung von NETs notwendig macht, ist ihr noch geringer technologischer Reifegrad. Damit verbunden sind hohe gegenwärtige Kosten, aber zugleich auch große zukünftige Kostensenkungspotenziale über die Ausschöpfung von Lerneffekten. Diese Lerneffekte sind teilweise kollektiver Natur und damit nicht Gegenstand des Kalküls von Investoren.
Förderfokus auf Kohlenstoffentnahmen
Eine gezielte Förderung des Kapazitätsaufbaus für junge NETs könnte einen dynamischen, sich selbst verstärkenden Prozess durch die Realisierung von Größenvorteilen in Gang setzen. Wichtig ist es, damit sofort zu beginnen. Nur so werden für die Zeit um 2040, wenn sich nach den Vorstellungen der EU ein CO2-Binnenmarkt etabliert haben soll, ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Klimaschutzverträge sind auch hierfür das geeignete Instrument. Über einen ausreichend hoch angesetzten vertraglichen CO2-Preis werden Investoren für die zukünftigen Kostensenkungen, die ihre Pionierinvestitionen bewirken, bereits heute honoriert. Die Bundesregierung sollte in der angekündigten Begleitstrategie für Negativemissionen diesen Ansatz wählen.
Einheitliche Regeln für einen CO2-Binnenmarkt
Parallel dazu sollte sie die EU beim notwendigen Prozess der Harmonisierung regulatorischer Vorgaben für CO2-Transport und -Speicherung in Europa unterstützen. Dazu gehören insbesondere Vereinbarungen über physikalische Standards für transportiertes CO2, ein gemeinsamer Rahmen für die künftige Regulierung der Netzentgelte und ein europäisches Konzept für die langfristige Infrastrukturplanung. Die jüngste Neugestaltung der Regeln für den Erdgasbinnenmarkt kann für einige dieser Punkte als Vorbild dienen.
Vision muss ein Pipeline-Netzwerk sein, das die erheblichen Distanzen zwischen großen Emissionsquellen und geeigneten Speicherstätten in Europa in möglichst kostenminimaler Weise überbrückt. Ein neues Important Project of Common European Interest (IPCEI) im Bereich von CO2-Pipelines stellt ein geeignetes Instrument dar, um eine solche Vision in die Tat umzusetzen. Deutschland als Land mit großen, aber räumlich zumeist weit von den entstehenden Offshore-Speichern entfernt liegenden Emissionsquellen, sollte hieran ein besonderes Interesse haben.
Offenheit für Technologiepartnerschaften
Gleichzeitig darf das Drängen auf eine europäische Lösung Deutschland und die EU nicht dazu verleiten, die Dynamik im Rest der Welt zu ignorieren. Dies gilt insbesondere für die anglo-amerikanischen Länder, die in den kommenden Jahren voraussichtlich für den Großteil der weltweiten Investitionen in CO2-Speicher verantwortlich sein werden. Angesichts des globalen Charakters des Klimaproblems ist dies keine Bedrohung, sondern eine willkommene Chance für die EU. Durch den Aufbau einer transatlantischen Forschungs- und Entwicklungspartnerschaft, die gemeinsame Innovationsaktivitäten sowohl in technischen als auch in regulatorischen Fragen umfasst, kann die EU von den praktischen technologischen Erfahrungen in diesen Ländern profitieren.
Für die Umsetzung einer solchen umfassenden Strategie bedarf es verbindlicher Langfristziele als Steuergrößen. Die EU hat auch in dieser Hinsicht mit ihrer Industrial-Carbon-Management-Strategie vorgelegt. Deutschland sollte mit eigenen nationalen Zielen zum jährlichen Umfang an gespeichertem CO2 nachziehen. Nicht zuletzt wäre das ein weiteres wichtiges Signal an die Märkte, dass die Klimapolitik nicht an ideologischen Scheuklappen scheitern wird.
André Wolf ist Fachbereichsleiter Technologische Innovation, Infrastruktur und industrielle Entwicklung am Centrum für Europäische Politik (CEP) in Berlin.