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Energie & Klima

Standpunkte It’s the politics, stupid!

Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung
Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung

Das neue Klimajahr begann mit der Meldung, dass Deutschland dem Erreichen der Klimaziele 2020 deutlich näher rückt. Viele Akteure sind der Meinung, dass dieser Erfolg nichts mit der Politik der Bundesregierung zu tun hat. Das ist unfair, schreibt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, in seinem Standpunkt. Denn an den wesentlichen Faktoren, die zur CO2-Reduktion geführt haben, haben Bundesumwelt- und Bundeswirtschaftsministerium entscheidend mitgewirkt.

von Andreas Kuhlmann

veröffentlicht am 13.01.2020

aktualisiert am 14.01.2020

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Kaum hat das Jahr 2020 angefangen, diskutieren wir über die mögliche Erreichung der Klimaschutzziele für das Jahr 2020. Anlass ist die Prognose, die Agora-Energiewende anhand der bisher verfügbaren Daten für das Jahr 2019 erstellt hat. Das Kernergebnis war bereits im Herbst letzten Jahres absehbar. Dennoch scheint die positive Nachricht für manche eine Überraschung zu sein. Deutschland wird der Erreichung seiner Klimaschutzziele womöglich deutlich näherkommen als viele vorausgesagt haben. Mit einer Reduktion der CO2-Emmissionen um mehr als 50 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2019 läge die Zielerfüllungsquote bei gut 35 Prozent – und 2020 hat gerade erst begonnen.

Vielen Akteuren ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass dieser Erfolg – und es ist ein Erfolg! – nichts mit der Arbeit der Politik, insbesondere der Politik der Bundesregierung zu tun hat. Diese Argumentation ist unfair und sie verstellt den Blick auf das, was zu tun ist. 

Wesentliche Faktoren waren der hohe Preis der CO2-Zertifikate, der niedrige Gaspreis, der Zuwachs an erneuerbaren Energien, die wärmeren Winter und das niedrige Wirtschaftswachstum.

Umwelt- und Wirtschaftsministerium haben entscheidend mitgewirkt 

Erstens: In den vergangenen zwei Jahren haben sich die Preise für CO2-Zertifikate in etwa vervierfacht. Das ist nicht von selbst gekommen. Die Reparaturarbeiten am ETS waren langwierig und kompliziert. Sie wurden über Jahre verhandelt, im Jahr 2018 verabschiedet und sie haben Auswirkungen auf die Markterwartungen. Die Bundesregierung – allen voran das Bundesumweltministerium – hat sich für Veränderungen eingesetzt und daran erheblich mitgewirkt. Es ist also durchaus ein Erfolg der Politik, auch wenn eine begleitende Einführung eines Mindestpreises damals versäumt wurde und manches in den jetzigen Zertifikate-Preisen Spekulation sein mag. Das zeigt: Politik hat gehandelt und wirksame Klimapolitik entsteht eben vor allem auch durch Handeln auf europäischer Ebene und durch Veränderung der ökonomischen Rahmenbedingungen. Man kann es nicht oft genug betonen.

Zweitens: Auch die niedrigen Gaspreise sind nicht vom Himmel gefallen. Durch ein wachsendes globales Angebot sowie eine kluge Regulierung und Diversifizierungs- und Infrastrukturpolitik der EU wurde dies erst möglich. Die Bundesregierung war – diesmal vor allem das Bundeswirtschaftsministerium – aktiv in die Gestaltung involviert. Auch dies hat auf europäischer Ebene stattgefunden. Wir wären heute nicht so weit, wenn wir nicht auf eine zukunftsfähige Gasinfrastruktur und das entsprechende Angebot gesetzt hätten.

Drittens: Allen Unkenrufen zum Trotz hat die Erzeugung von erneuerbarem Strom in Deutschland einen echten Sprung gemacht. Der Anteil lag 2019 bei deutlich über 40 Prozent. Auch das ist ein Ergebnis politischen Handelns. Die vielfältigen Arbeiten am EEG und die vielfach kritisierte Umstellung auf ein Ausschreibungsverfahren haben – bei aller berechtigter Kritik mit Blick nach vorne – erst den Rahmen für diesen erstaunlichen Aufwuchs geschaffen, bei dem gleichzeitig eine enorme Kostensenkung für erneuerbaren Strom erreicht wurde. Klar, der weitere Ausbau von Windenergie an Land stockt. Wegen Abstandsregeln, aber auch aufgrund teilweise mangelnder Akzeptanz, nicht verfügbaren Flächen und langwierigen Genehmigungsverfahren und Umweltschutzregelungen. Der Ausblick ist niederschmetternd, das ist spätestens 2019 allen deutlich geworden. Das aber betrifft vor allem die Zielerreichung für das Jahr 2030. 

Viertens: Wetter und Wirtschaft sind etwas Anderes. Diese Faktoren zeigen, wie erheblich Schwankungen in diesen Bereichen auch die jährliche Entwicklung beeinflussen. Wie diese Tatsache mit den neuen jahresscharfen Sektorzielen und dem jährlichen Monitoring und Nachschärfen korrespondieren wird, bleibt abzuwarten. 

Klimapaket will CO2-Minderungen im Verkehrs- und Wärmebereich angehen

Erfolge in den Bereichen Verkehr und Gebäude blieben 2019 aus. Das ist keine Überraschung. Der Boom bei der Elektromobilität wird erst in diesem Jahr richtig Fahrt aufnehmen. Der von anderen alternativen Antriebsformen erst im Laufe dieses Jahrzehnts. Solange keine grundlegenden Anforderungen zum Beispiel an den Logistik-Sektor gestellt, neue kommunale Verkehrskonzepte implementiert, die geplanten Investitionen realisiert werden, wird das so bleiben. Ein Ausbau der Elektromobilität allein wird allenfalls langsam zu Erfolgen bei der Verkehrsklimabilanz führen. Was den Gebäudebereich angeht: Das BMU selbst argumentierte bei der Vorstellung des letzten Fortschrittsberichtes mit einer wachsenden Bevölkerung in Deutschland, die einer weiteren Senkung der CO2-Emissionen entgegenstanden. Dennoch wird man sich die mangelnde CO2-Reduktion im Gebäudebereich der letzten Jahre genau anschauen müssen. Zuversichtlich machen hier die vielfältigen Veränderungen, die das Klimapaket und die darauffolgenden Gesetze und Verordnungen mit sich bringen. 

Fazit: Politik wirkt. Vor allem dann, wenn sie Märkte schafft und eine europäische Perspektive hat. Diese Erkenntnis ist von großer Bedeutung. Natürlich schließt das ordnungsrechtliche Regelungen und Verbote nicht aus. Genau wie die Notwendigkeit, den Strukturwandel in den betroffenen Regionen konstruktiv zu begleiten. Wenn diese Erkenntnis bereits Grundlage der Beratungen in der Kohlekommission gewesen wäre, hätten wir uns viel Ärger bei der Umsetzung der dann wohl anderen Ergebnisse sparen können. 

Das alles zeigt: Mit Prognosen wird oft Politik gemacht. Die Prognosen des BMWi waren deutlich näher an dem, was wir heute erwarten, obwohl sie stets heftig kritisiert wurden. Wer mich kennt, weiß, dass ich selbst auch äußerst kritisch auf politische Entscheidungen und Prozesse blicke. Aber Erfolge sollten als solche anerkannt werden. Die große Koalition hat elf der vergangenen fünfzehn Jahre das Land regiert. Die klimapolitische Bilanz hat mit ihrem Wirken zu tun. Im Guten wie im Schlechten. 

Jetzt gilt es, die wirksamen Mechanismen aus der Vergangenheit richtig einzuordnen und als Grundlage für weitere Entscheidungen zu nehmen. Die Klimaziele wurden erneut verschärft. Eine weitere Zielverschärfung steht durch den Green Deal der Europäischen Union vor der Tür. Es gibt viel zu tun und die Gründe für Erfolg oder Misserfolg sind vielfältiger, als manch einer uns glauben machen möchte. In diesem Sinne: ein erfolgreiches klimapolitisches Jahr 2020!

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