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Energie & Klima

Standpunkte Energieeffizienz – große Pläne, kleine Fortschritte

Leonard Burtscher, Referent für Energie- und Klimapolitik am Umweltinstitut München
Leonard Burtscher, Referent für Energie- und Klimapolitik am Umweltinstitut München Foto: Umweltinstitut München

Das neue Energieeffizienzgesetz soll Deutschlands Energieverschwendung stoppen und die Klimaneutralität fördern – und wird schon wieder novelliert. Doch die Gesetzesnovelle enttäuscht: Trotz ambitionierter Ziele fehlen konkrete Maßnahmen und verbindliche Vorgaben für die Industrie. Ein Standpunkt von Leonard Burtscher, Referent für Energie- und Klimapolitik am Umweltinstitut München.

von Leonard Burtscher

veröffentlicht am 16.08.2024

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Es gibt eine Energiequelle, die gut die Hälfte des deutschen Energiebedarfs decken könnte – ohne CO2-Emissionen, Atommüll oder Flächenverbrauch und sofort verfügbar: die bislang vergeudete Energie. Würden wir Energieverschwendung stoppen, könnten wir sofort aus der Kohleverstromung aussteigen. LNG-Terminals, neue Gasbohrungen in Bayern oder das Abbaggern eines Dorfes für Kohle wären überflüssig.

Warum nutzen wir diese Energiequelle nicht? Kurzsichtigkeit, Bequemlichkeit und politische Vorbehalte gegen Regeln sind die Hauptgründe. Da Energieverschwendung nicht ignoriert werden konnte und um europäische Vorgaben zu erfüllen, wurde letztes Jahr das Energieeffizienzgesetz verabschiedet, das nun bereits novelliert wird. Anfang Juli wurde die Novelle im Bundestag beraten und eine öffentliche Anhörung des Gesetzes im Ausschuss für Klimaschutz und Energie steht bevor.

Ehrgeizige Einsparziele

Das Gesetz sieht ein Einsparziel von 26,5 Prozent Endenergie bis 2030 gegenüber 2008 vor. Das bedeutet, dass ab heute jährlich rund drei Prozent der in Deutschland verwendeten Energie eingespart werden müssen. Zum Vergleich: In den letzten drei Jahrzehnten hat Deutschland im Durchschnitt jedes Jahr nur rund 0,3 Prozent Endenergie eingespart. Eine Verzehnfachung klingt ambitioniert. Steht uns also eine Effizienzrevolution bevor?

Ein großer Teil der Einsparungen könnte aus der notwendigen Elektrifizierung des Verkehrs- und Wärmesektors kommen. Doch diese Fortschritte reichen nicht aus und kommen nicht schnell genug voran. Eine Halbierung der Emissionen bis 2030 ist ohne konkrete Energiesparmaßnahmen nicht machbar.

Die deutsche Industrie handelt bisher kaum, obwohl sie laut Hochschule Niederrhein (2023) 410 von 940 Terawattstunden ihres Endenergiebedarfs bei hoher wirtschaftlicher Rendite einsparen könnte. Das würde acht große Kohlekraftwerke und vier der sechs neuen LNG-Terminals überflüssig machen. Technische Dämmungen könnten laut European Industrial Insulation Foundation in der deutschen Industrie 40 Terawattstunden Energie einsparen – genug für zwei Millionen Haushalte!

Maßnahmen reichen nicht aus

Das Energieeffizienzgesetz könnte Abhilfe schaffen, doch es fehlt an konkreten Maßnahmen. Energiemanagementsysteme und Energieaudits sind für viele Unternehmen längst Standard. Unternehmen müssen zwar Energiesparpläne erstellen und veröffentlichen. Die Umsetzung bleibt aber dem Unternehmen überlassen. Freiwillige Selbstverpflichtungen führen selten zu den gewünschten Ergebnissen. Auch die Regeln zur Vermeidung und Verwendung von Abwärme sind mit Schlupflöchern versehen, sodass Unternehmen weiterhin unnötig viel Abwärme produzieren und wenig nutzen.

Während die Opposition anprangert, dass nun angeblich die Abwärme von Toastern und Kaffeemaschinen genutzt werden müsse (was nicht zutrifft), hat auch die Regierung den Kern des Problems nicht angepackt. Das Gesetz wird der Herausforderung nicht gerecht, auch nicht in der nun vorgeschlagenen Novellierung. Eine Prognos-Studie der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) zeigt, dass die Maßnahmen nur etwa die Hälfte der bis 2030 notwendigen Einsparung von 500 Terawattstunden erreichen können.

Die Hälfte der Einsparlücke könnte leicht geschlossen werden

Dabei ist klar, was passieren müsste. Sofort umsetzbare Maßnahmen hätten positive Effekte für Umwelt, Menschen und Wirtschaft:

  1. Die Industrie müsste wirtschaftliche Einsparmaßnahmen verpflichtend umsetzen – so wie es in der fossilen Energiekrise bereits gefordert war.
  2. Schlecht isolierte Gebäude müssten als erstes gedämmt werden. Gerade Menschen mit niedrigem Einkommen würden davon profitieren.
  3. Der CO2-Preis müsste ambitionierter sein, um die Elektrifizierung voranzutreiben – verbunden mit einer Ausgleichszahlung wie dem Klimageld.

Diese drei einfachen Maßnahmen könnten zumindest die Hälfte der Einsparlückeschließen. Mehr Ideen, um die Lücke zu schließen, gibt es genug: Einsparverpflichtungen für Netzbetreiber, weitere Sanierungen und eine beherzte „Efficiency First“-Politik, bei der große Infrastrukturvorhaben vorab auf ihre Effizienz abgeklopft werden, sind nur drei Beispiele.

Den Mut zum großen Wurf wird die Bundesregierung aber kaum aufbringen. Was passiert, wenn die Ziele aus dem Energieeffizienzgesetz nicht erreicht werden? Die Erfüllung der EU-Klimaziele ist in Gefahr — und es wird teuer, wenn Deutschland seinen Beitrag zur EU-Lastenteilung nicht leistet. Noch wichtiger: Die Akzeptanz der Energiewende ist gefährdet, wenn mehr Windkraftanlagen und Freiflächen-Solaranlagen gebaut werden müssen, als notwendig wäre. Um das zu verhindern, müssen wir aufhören, mit Energie so verschwenderisch umzugehen, wie wir das seit Jahrzehnten gewohnt sind.

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