Standpunkte EU-Klima- und Energiepolitik: CO2-Märkte effizient gestalten und Infrastruktur bereitstellen

Emissionshandel, grenzüberschreitender Stromaustausch oder Wasserstoffhochlauf: Damit Deutschland und die EU bei Klimaneutralität und Versorgungssicherheit auf Kurs kommen, muss die nächste Bundesregierung Weichen stellen, schreiben Marion Ott und Sebastian Rausch vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.
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Jetzt kostenfrei testenDer Klimawandel verursacht bereits jetzt erhebliche wirtschaftliche Schäden, die die Kosten seiner Bekämpfung weit übersteigen. Insbesondere eine marktbasierte Klimapolitik, die durch geeignete wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen die Marktkräfte nutzt, ermöglicht es, Treibhausgasemissionen kostengünstig zu reduzieren und nachhaltige Lösungen zu fördern. In diesem Kontext hat sich die CO2-Bepreisung als zentrales Instrument der europäischen und deutschen Klimapolitik etabliert und hat sich als wirksam erwiesen.
Mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 muss die Dekarbonisierung der Wirtschaft weiter vorangetrieben werden. Ein zentraler Bestandteil dieser Strategie ist der CO2-Emissionshandel, der ab 2027 durch einen ergänzenden Emissionshandel (EU-ETS2) erweitert wird. Dieser umfasst bislang national regulierte Emissionen aus Treib- und Brennstoffen. Damit werden künftig etwa 86 Prozent aller Treibhausgasemissionen in der EU einem CO2-Preis unterliegen.
Dies verdeutlicht die Notwendigkeit, dieses zentrale Instrument weiterzuentwickeln, um die bevorstehenden Herausforderungen der Klimapolitik effizient zu meistern und die notwendige Dekarbonisierung der europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen.
Unterschiedliche CO2-Preise verteuern Dekarbonisierung
Die Gestaltung eines einheitlichen und marktgerechten CO2-Preises stellt die effizienteste Methode dar, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Derzeit existieren mehrere CO2-Preise, die sich je nach Marktsegment und nationalem Kontext erheblich unterscheiden. Ein konsequenter Ansatz zur CO2-Bepreisung erfordert es, diese Preisunterschiede zu verringern und idealerweise einen einzigen CO2-Preis für die gesamte EU zu schaffen. Der Unterschied zwischen den Preisen im EU ETS, EU ETS2, den nationalen CO2-Budgets und dem fehlenden Preissignal in der Landwirtschaft könnte zu erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten führen und die Dekarbonisierung der Wirtschaft verteuern.
Um den CO2-Emissionshandel weiter zu optimieren und den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu unterstützen, sollte Deutschland aktiv in die Weiterentwicklung der EU-Klimapolitik investieren. Ein wesentlicher Schritt dabei ist die Unterstützung des EU-Klimaziels einer Emissionsreduzierung um 90 Prozent bis 2040. Dies wird als notwendig und erreichbar angesehen, um die Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen. Ein ambitioniertes Klimaziel sendet verlässliche Marktsignale, die die grüne Transformation vorantreiben und Investitionen in nachhaltige Technologien fördern.
Die Klimabestimmungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zeigen praktisch keine Wirkung, obwohl etwa ein Viertel der Ausgaben (von etwa einem Drittel des gesamten EU-Haushalts) für klimabezogene Initiativen aufgewendet wird. Für die Landwirtschaft sollte daher eine eigene Bepreisung von Emissionen in einem separaten ETS eingerichtet werden. Zudem könnten über ein ETS für Landwirtschaft finanzielle Anreize für die Bereitstellung von natürlichen CO2-Senken durch Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft geschaffen werden.
Europäische Energieinfrastruktur zukunftsgerichtet aus- und umbauen
Ein zentraler Bestandteil der europäischen Energiewende ist der Ausbau des Stromsektors. Die Elektrifizierung des Energiesystems, unterstützt durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien, stellt den Kern der Dekarbonisierung dar. Dabei spielt der europäische Stromhandel eine entscheidende Rolle. Durch eine effiziente Nutzung und den Ausbau gemeinsamer Stromhandelsplattformen können die EU-Staaten ihre Kapazitäten besser einsetzen und die Kosten für Stromerzeugung und -versorgung senken.
Der grenzüberschreitende Stromhandel unterstützt den Ausgleich von Schwankungen in der lokalen Erzeugung und hilft den teilnehmenden Staaten bei der kostengünstigen Vermeidung von Stromengpässen und der Erhöhung der Versorgungssicherheit. Eine bessere Nutzung dieser Möglichkeit reduziert die Höhe der notwendigen Investitionen in ergänzende ausgleichende Elemente, wie Batterien, Reservekraftwerke und Nachfrageflexibilität und verringert die Abhängigkeit von lokaler fossiler steuerbarer Erzeugung.
Ungenügende und ineffizient genutzte Übertragungskapazitäten zwischen Ländern und verzerrende Preissignale aus ungünstig geschnittenen Preiszonen, wie der deutsch-luxemburgischen, verhindern die volle Nutzung der Potenziale des innereuropäischen Handels. Deutschland sollte aktiv werden, um den Handel innerhalb Europas zu intensivieren und Widerstände abzubauen.
Hierzu zählen der Abbau administrativer Hemmnisse, die Investition in den gezielten Ausbau und die intelligente Steuerung und Nutzung grenzüberschreitender Übertragungskapazitäten, und die Unterstützung eines Preissystems, das länderübergreifende und innerdeutsche physische Transportengpässe transparent macht und zeitliche und räumliche Knappheiten abbildet. Dies würde Handelsbarrieren mit Deutschland verringern und die Effizienz des deutschen Markts verbessern. Die Gebotszonenaufteilung wird auf europäischer Ebene gerade überprüft. Eine geeignete Teilung der deutsch-luxemburgischen Zone wäre ein Schritt in diese Richtung.
Umbau der Gasnetze- und Speicher planen
Elektrifizierung alleine kann die Dekarbonisierung nicht herbeiführen und Planung über Sektorengrenzen hinweg ist unabdingbar. Grüner Wasserstoff ist ein weiteres Substitut für fossile Energieträger. Deutschland wird hier auf Importe aus Ländern angewiesen sein, die günstige Wind- und Solarbedingungen aufweisen um grünen Wasserstoff zu erzeugen.
Auch hierfür muss der Aus- und Umbau bestehender Gasnetze und -speicher vorausschauend geplant werden, um einen Handel mit verlässlichen inner- und außereuropäischen Partnern ohne Energieabhängigkeit aufzubauen. Deutschland sollte die Planungen zur Wasserstoffinfrastruktur aber auch zu anderen ergänzenden Maßnahmen wie der CO2-Speicherung europäisch denken und auf europäischer Ebene aktiv mitgestalten.
Dr. Marion Ott ist stellvertretende Leitung im ZEW-Forschungsbereich „Marktdesign“. Prof. Dr. Sebastian Rausch leitet den ZEW-Forschungsbereich „Umwelt- und Klimaökonomik“.
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