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Energie & Klima

Standpunkte Für eine wettbewerbsfähige Solarindustrie muss Europa auf neue Photovoltaiktechnologien setzen

David Ward, CEO von Oxford PV
David Ward, CEO von Oxford PV Foto: Foto: Oxford PV

Die von Wirtschaftsminister Robert Habeck ins Spiel gebrachten Resilienzboni für deutsche PV-Module kommen doch nicht ins Solarpaket. Dennoch lohne sich die Förderung der deutschen Solarindustrie, meint David Ward von Oxford PV – der Fokus müsse allerdings auf innovativen Technologien liegen.

von David Ward

veröffentlicht am 10.04.2024

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Die Bundesregierung will strategische Schlüsselindustrien ansiedeln und stärken, um die Abhängigkeit von bestimmten unbeständigen Drittstaaten zu verringern und die übergeordneten klima- und energiepolitischen Ziele verlässlich zu erreichen.

Indessen konnte die Bundesregierung keine Einigung zu Resilienz-Instrumenten für den Hochlauf der heimischen Solarindustrie herbeiführen, wodurch andere Investitionsstandorte in einem weltweit intensivierten Wettbewerb um die Ansiedlung von Transformationstechnologien – zulasten Europas – an Attraktivität gewinnen. Dennoch ist die führende Rolle Deutschlands bei der Entwicklung innovativer Produktionsverfahren und Photovoltaik-Technologien unberührt und bietet beispiellose Voraussetzungen für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Solarindustrie.

Möchte die Bundesregierung ihre Unabhängigkeitsbestrebungen und gleichzeitig Konkurrenzfähigkeit erreichen, muss sich die industriepolitische Unterstützung auf solare Zukunftstechnologien konzentrieren, die bereits in Deutschland produziert werden. Diese in Deutschland entwickelten Technologien werden in absehbarer Zeit den von China dominierten Solarmarkt für herkömmliche Siliziummodule als weltweiten Standard ablösen und bieten das Potenzial, die Marktkonzentration zugunsten Europas aufzubrechen.

Chinas enorme Marktmacht

Die in Europa verfügbaren Produktionskapazitäten für PV-Module reichen derzeit lediglich aus, um vier Prozent der jährlich installierten PV-Leistung in Europa bereitzustellen. Der Ausbau der Solarenergie ist daher maßgeblich von Importen aus Drittstaaten, insbesondere aus China, abhängig. Dass derartige Abhängigkeiten riskant sind, haben in jüngster Vergangenheit zunächst die Covid-19-Pandemie und dann der russische Angriff auf das gesamte Staatsgebiet der Ukraine gezeigt. Weder sinkende Einkaufspreise für PV-Module auf dem Weltmarkt noch ein Überhang an unverkauften Solarmodulen in europäischen Lagern können über dieses persistente Risiko in der Lieferkette hinwegtäuschen; oder in anderen Worten: Lieferketten sind per se nicht verlässlich gegeben. 

Folgerichtig will die Bundesregierung dieser Abhängigkeit begegnen, indem sie den Aufbau heimischer Produktionskapazitäten fördert (unter anderem im Rahmen des Förderprogramms „Leuchtturmprojekte der Solarindustrie“). Angesichts des überwältigenden Vorsprungs Chinas entlang der gesamten Wertschöpfungskette von herkömmlichen Siliziummodulen ist jedoch fraglich, ob die rein zugesagten Kapitalkostenförderungen auskömmlich sind, um die derzeit in Deutschland hergestellten Solarprodukte – entgegen Qualitätsversprechen und sozialer Standards – konkurrenzfähig am Weltmarkt anbieten zu können.

Jedenfalls soll die chinesische Marktmacht Prognosen zufolge weiterwachsen. Allein bis Ende 2027 werden laut einer neuen Studie der Deutschen Rohstoffagentur und der Bundesanstalt für Geowissenschaften die Produktionskapazitäten für Polysilizium um weitere 437 Prozent steigen, davon allein 93 Prozent in China, während die Nachfrage um 107 Prozent zunehmen wird.

Europas Technologievorsprung: Nutzen statt Importieren

Statt also auf konventionelle Siliziumtechnologie sollten Deutschland deshalb schon heute auf die PV-Technologie von morgen setzen. Wir sind führend bei der Industrialisierung der fortschrittlichsten und nachhaltigsten PV-Technologien. Kürzlich hat Oxford PV gemeinsam mit dem Fraunhofer ISE das weltweit effizienteste Silizium-Perowskit-Tandem-Solarmodul mit einem Wirkungsgrad von 25 Prozent im industriellen Maßstab hergestellt.

Diese technologischen Vorteile müssen verstärkt in Deutschland und Europa statt im Ausland in die Großserienproduktion überführt und kommerzialisiert werden. Das industrielle Ökosystem in Europa ist nach wie vor bereit, die Produktion strategischer Schlüsselindustrien wie Tandemzellen zu stemmen, sofern die Politik umgehend Sicherheit für alle Marktteilnehmer schafft. Der europäische Branchenverband Solar Power Europe schätzt die Zahl der Unternehmen entlang der solaren Wertschöpfungskette in Europa auf 166. Die Voraussetzungen, Europa zum globalen Zentrum innovativer PV-Technologien zu machen, sind gegeben.

Warum diese Technologie dem konventionellen Siliziumprodukt überlegen ist und die Wettbewerbsfähigkeit Europas verspricht, zeigt der folgende Vergleich:

Mit konventionellem Silizium kann ein nomineller Modulwirkungsgrad von durchschnittlich 21 Prozent erreicht werden. Die technologische Entwicklung ist durch das baldige Erreichen der physikalischen Grenze weitgehend ausgereizt. Neuartige PV-Technologien auf Basis des synthetisch hergestellten Materials Perowskit kommen hingegen schon heute auf einen Modulwirkungsgrad von 25 Prozent. Perspektivisch sind sogar Modulwirkungsgrade von 35 Prozent realistisch.

Das Besondere an dieser Technologie liegt in der Kombination einer Perowskit-Solarzelle mit einer konventionellen Siliziumzelle, die es ermöglicht, nicht nur die langwellige, sondern auch die kurzwellige Strahlung des Sonnenspektrums einzufangen und somit insgesamt mehr Sonnenenergie in Strom umzuwandeln.

Die Vorzüge solcher sogenannter Tandemzellen liegen auf der Hand: weniger Flächenverbrauch, effizienterer Ressourcenverbrauch, geringere Kosten. Die Ausbauziele für Solarenergie lassen sich deutlich verlässlicher, schneller und kostengünstiger erreichen.

Industriepolitik zukunftsweisend ausrichten

Durch eine kluge beziehungsweise zielgerichtete Industriepolitik kann der Vorsprung Deutschlands bei der Entwicklung der Perowskit-Technologie auch in einen tatsächlichen Vorsprung am Markt umgewandelt werden.

Das Bundeswirtschaftsministerium hat das Potenzial dieser Technologieführerschaft erkannt und angekündigt, im Rahmen des oben genannten Förderprogramms vorrangig Produktionskapazitäten für solche PV-Technologien fördern zu wollen, die die „neueste technologische[n] und nachhaltige[n] Entwicklungen“ zugrunde legen. Hierzu zählt auch ein Modulwirkungsgrad von über 24 Prozent.

Konsequenterweise müssen sich diese Qualitätsmerkmale aber auch in den nachfrageseitigen Instrumenten widerspiegeln, die aktuell als Ergänzung zur angebotsseitigen Förderung der Kapitalkosten von einem Großteil der europäischen PV-Branche gefordert werden. Die Einführung eines Resilienzinstrumentes für Solaranlagen in den Ausschreibungen des Erneuerbaren-Energie-Gesetztes, wie sie unter anderem Bundesminister Robert Habeck ins Spiel gebracht hat, ist eine notwendige Maßnahme, um die Resilienz und das derzeitige Ökosystem der Solarindustrie mit allen unseren Wettbewerbern im Streben nach zukünftigen Skaleneffekten zu erhalten. Zweifelsohne ist diese auch wesentlich für das Vertrauen aller Marktteilnehmer, insbesondere der Investoren, in den Solarstandort Deutschland.

Wichtiger, oder jedenfalls muss gleichzeitig die „nächste Generation“ der Photovoltaik, wie die in Brandenburg an der Havel produzierten Perowskit-Silizium-Tandemzellen, besonders unterstützt werden. Diese Zellen verbinden einen höheren Wirkungsgrad mit einer effizienteren Ressourcennutzung im Vergleich zu billigen Importprodukten und bieten damit Wettbewerbsvorteile auf einem fairen Weltmarkt.

Eine nachhaltige und dauerhaft wettbewerbsfähige Solarindustrie in Deutschland erfordert eine klare Ausrichtung auf Zukunftstechnologien. Deshalb sollten die laufenden Verhandlungen zum Solarpaket I genutzt werden, um wirksame Qualitätskriterien in das Ausschreibungsdesign für Solaranlagen zu integrieren und damit der Perowskit-Silizium-Tandemzelle den notwendigen Schub zu Beginn ihrer Skalierung zu geben.

David Ward ist CEO von Oxford PV. Das Unternehmen wurde 2010 als Spin-off der Universität Oxford gegründet und arbeitet an der Entwicklung und Kommerzialisierung der Perowskit-auf-Silizium-Tandemtechnologie in Oxford sowie in der Nähe von Berlin.

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