Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vor wenigen Wochen „Tesla-Geschwindigkeit“ statt deutscher „Schlafmützigkeit“ beim Ausbau der Erneuerbaren gefordert hat, war er garantiert nicht zum Scherzen aufgelegt: Es ging um Mittel und Wege, von Gasimporten aus Russland unabhängig zu werden. Für Vertreter der Solarbranche klang die vollmundige Ankündigung trotzdem wie ein schlechter Scherz, schließlich steuert Deutschland nicht erst seit gestern sehenden Auges auf einen Installationsinfarkt zu – die Ausbauzahlen werden, wenn sich nicht tatsächlich in Tesla-Geschwindigkeit etwas ändert, die hohen Ambitionen nicht erfüllen können.
Ausreichendes Gegensteuern der Politik gibt es nicht. Das hat auch schon der Branchenverband BSW festgestellt – der Entwurf des EEG 2023 springt deutlich zu kurz. Die Hoffnung auf weitere Reformen, die dann zusätzliche Verbesserungen bringen könnten, sind ein lähmendes Gift für unsere Branche - und damit natürlich auch für den dringend benötigten Ausbau der Erneuerbaren. Dann warten Kunden lieber ab, obwohl das generelle Interesse und die Nachfrage spürbar und stetig steigen. In Kombination mit dem sich weiter verschärfenden Handwerkermangel und hohen bürokratischen Hürden bei der Zulassung muss man kein Prophet sein, um den großen Knall vorauszuahnen – die vollständige Zielverfehlung auf dem Weg zu 200 Gigawatt Leistung bis 2030.
Das Siebenfache für eine Megawattstunde
„Ich möchte autark sein“, ist einer der Sätze, die wir bei Otovo momentan in fast jedem Kundengespräch hören. Der Wunsch ist wirtschaftlich wie politisch zu verstehen. Kein Wunder, denn obwohl Ursula von der Leyen auf dem EU-Gipfel in Versailles „Optionen für Sofortmaßnahmen zur Begrenzung der Ansteckungswirkung der Gaspreise auf die Strompreise“ ankündigte, etwa „vorübergehende Preisobergrenzen“, ist es dafür im Grunde genommen längst zu spät: Stromvertriebe zahlten auf den Großmärkten im Vergleich zum März 2021 mit über 300 Euro mittlerweile das Siebenfache für eine Megawattstunde – ein Anstieg, der über kurz oder lang zumindest teilweise an die Endkunden weitergegeben wird.
Es braucht also einen Paradigmenwechsel in der deutschen Solarpolitik. Und der wäre im Grunde genommen vergleichsweise einfach zu machen:
I. Die Mehrwertsteuer auf Solaranlagen muss komplett entfallen. Eine entsprechende Vorlage gibt es auf EU-Ebene bereits seit Dezember (Richtlinie 2006/112/EG), die Bundesregierung muss die Mehrwertsteuerbefreiung also lediglich noch umsetzen – und zwar so schnell wie möglich.
II. Um den absehbaren Installationsinfarkt wegen Fachkräftemangels (konservativ geschätzt rund 100.000 vakante Stellen) zumindest abzufedern, braucht es mutige Förderprogramme:Die Politik muss aus der Not des Personalabbaus in der Kohle- und Autoindustrie und in anderen vom Strukturwandel betroffenen Branchen eine Tugend machen und entsprechende Umschulungsangebote schnell mitfinanzieren.
Solarmodule zu installieren ist für fähige Handwerker kein Hexenwerk: In Österreich lernen Monteure, Dachdecker, Installateure und Elektrotechniker in einem zweitägigen Blitzseminar die „fachgerechte mechanische Photovoltaikmontage“. Ähnlich sinnvolle, situationsgerechte und angemessen prämierte Angebote für Quereinsteiger braucht es auch in Deutschland.
Damit fehlende Elektriker und Elektrotechniker nicht zum Flaschenhals werden, ist eine vereinfachte und staatlich geförderte Ausbildung zum spezialisierten Solarteur unumgänglich. Eine spätere Weiterbildung zum Elektriker sollte dabei von Anfang an mitgedacht werden – und ist angesichts der zu erwartenden massiven Personalnot im Zuge der Energiewende unumgänglich.
III. Die Einspeisevergütung muss wieder stark ansteigen. Eine Verdopplung der aktuellen Vergütung auf mindestens 13 Cent für Anlagen unter zehn Kilowatt Maximalleistung (kWp), zwölf Cent bis 40 kWp und elf Cent bis 100 kWp muss zukünftig die absolute Untergrenze sein, das leidige Degressionssystem entsprechend angepasst oder am besten direkt abgeschafft werden.
IV. Der Umgang mit Mieterstrom muss einfacher werden, um den weitgehend brachliegenden urbanen Raum stärker in die Energiewende einzubeziehen. Dafür braucht es bundesweit einheitliche Lösungen im Umgang mit Datenzählern und die massenhafte Verbreitung von intelligenten Messsystemen - statt individueller und komplizierter Vereinbarungen mit den Netzbetreibern.
V. Die hohen bürokratischen Hürden für Endkunden sind ein absolutes No-Go und müssen dringend abgebaut werden, zum Beispiel durch eine One-Stop-Anmeldung beim Stammdatenregister der Bundesnetzagentur, die alle anderen Anmeldungen (bei Finanzamt & Co.) zusammenführt und überflüssig macht (wie übrigens schon 2020 in der EEG-Novelle angedacht und nie umgesetzt).
Ebenfalls braucht esdie Digitalisierung und Verschlankung sämtlicher Prozesse zwischen sämtlichen Partnern, von der technischen Anschlussregelung bis hin zu den Netzanschlussverträgen, um die administrative Bearbeitung bis zur Installation einer Anlage zu minimieren oder zumindest auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.
Gleichsam notwendig ist eine schonungslose Überprüfung des Marktstammdatenregisters, das in seiner jetzigen Form ein bürokratisches Monster darstellt.
Die Privatwirtschaft in Form von engagierten Installateuren, Anlagenbauern und Solarplattformen, die alle Akteure zusammenbringen und Endkunden die Installation einer Photovoltaik-Anlage so einfach wie möglich gestalten, steht bereit, um den notwendigen Wandel zu stemmen. Dass Solaranlagen und Solarstrom nicht reichen werden, um die Energiewende allein zu Ende zu führen, ist zwar klar. Sie sind aber ein unverzichtbarer Baustein auf dem Weg dahin – einem Weg, der nur gemeinsam und mit Hilfe der Politik erfolgreich gemeistert werden kann.