Diesen Sonntag beginnt die Konferenz zur Zukunft Europas – ein einjähriger politischer Prozess zur künftigen Ausrichtung der EU. Wenn alles gut läuft, kann die Konferenz ein Meilenstein in der Geschichte der EU werden – hin zu einer partizipativeren und handlungsfähigeren EU. Zum ersten Mal sollen Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt der Beratungen stehen. Bürgerpanels und eine Dialogplattform sollen Empfehlungen für die zukünftige Richtung der EU erarbeiten. Parlament, Kommission und Rat haben sich verpflichtet, diese Empfehlungen weiterzuverfolgen – unter Berücksichtigung der Vorgaben der EU Verträge.
Für Klimapolitik ist die Konferenz – kurz KZE – wichtig. Zum einen wird Klimapolitik maßgeblich durch die EU geprägt. Zum anderen steht Klimapolitik schon jetzt weit oben auf der Agenda der KZE. Wie kann die KZE zu einem Erfolg werden? Und wie kann sie helfen, die Klimapolitik der EU zu verbessern? Dafür muss die KZE vor allem vier Dinge beachten.
Sie muss erstens konkrete Empfehlungen machen. Allgemeine Aussagen zur Zukunft der EU haben keinen Einfluss und bringen die EU nicht weiter. Um Einfluss zu haben, braucht die KZE zweitens hohe Unterstützung von einem breiten Spektrum politischer Meinungen. Drittens muss die KZE Prioritäten setzen. Macht sie alles zur Priorität, ist nichts eine Priorität. Die KZE sollte sich deshalb auf Themen konzentrieren, die für die Handlungs- und Zukunftsfähigkeit der EU besonders wichtig oder die politisch festgefahren sind und neuen Schwung brauchen. Und viertens muss der KZE ein glaubwürdiges Follow-up haben. Der politische Folgeprozess in Parlament und Rat muss die Empfehlungen der KZE ernst nehmen, aber auch deutlich machen, dass die KZE nicht gewählt ist. Ohne demokratische Legitimität kann sie keine Entscheidungen treffen. Die KZE ist kein Ersatzparlament.
Mit dieser Formel im Gepäck kann die KZE ein breites Spektrum an Themen bearbeiten. Aus der Sicht der Klimapolitik sollten die folgenden drei Bereiche eine besondere Rolle spielen – weil sie für den langfristigen Erfolg der EU Klimapolitik wichtig sind und aktuell in keinem politischen Prozess bearbeitet werden.
Die Beendigung von klimaschädlichen Subventionen ist einer der Untoten der europäischen Klimapolitik. Immer wieder aufgeworfen, erscheinen echte Fortschritte fast unerreichbar. In der EU gibt es keine Rechtspflicht, klimaschädliche Subventionen zu einem bestimmten Datum zu beenden. Ein neuer Versuch in diese Richtung ist erst vor zwei Wochen gescheitert. Nach dem Willen des Parlaments hätte das neue EU-Klimaschutzgesetz einen unverbindlichen Aufruf an die Mitgliedsstaaten enthalten, klimaschädliche Subventionen bis 2025 auslaufen zulassen. Aber selbst dieser schwache Vorschlag ist am Widerstand von Rat und Kommission gescheitert. Die KZE könnte hier neuen Schwung in die festgefahrene Debatte bringen.
Nicht der langsamste Mitgliedsstaat sollte das Tempo bestimmen
Das Gesetzgebungsverfahren der EU ist ein weiterer Bereich, in dem die KZE Verbesserungen anregen sollte. In der Klima- und Energiepolitik werden die meisten Regeln im ordentlichem Gesetzgebungsverfahren erlassen – sprich das Parlament ist gleichberechtigter Gesetzgeber und der Rat entscheidet mit qualifizierter Mehrheit. Kein Staat hat ein Vetorecht. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings wichtige Ausnahmen. EU Regulierungen, die den Energiemix der Mitgliedsstaaten berühren, die Energiebesteuerung betreffen oder für Raumplanung relevant sind, werden nur im besonderen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet. Im besonderen Gesetzgebungsverfahren muss der Rat im Konsens entscheiden und das Parlaments wird nur angehört – jeweils mit der Folge, dass die Annahme ambitionierter Maßnahmen schwieriger oder unmöglich wird.
Um hier Verbesserungen zu erreichen, sollte die KZE empfehlen, das ordentliche Gesetzgebungsverfahren auf die gesamte Energie- und Klimapolitik auszudehnen und die bestehenden Ausnahmen abzuschaffen. Dies würde die EU Klima- und Energiepolitik verbessern. Denn ohne Veto kann nicht der langsamste Mitgliedsstaat das klimapolitische Tempo der EU bestimmen. Die Ausweitung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens würde außerdem Transparenz und demokratische Legitimität von Entscheidungen stärken.
Mehr Rechte für das Parlament
Last but not least – die KZE sollte auch Verbesserungen bei den Institutionen der EU vorschlagen. Seit seiner Gründung ist das Europäische Parlament meistens ein Treiber ehrgeiziger Umweltpolitik – unabhängig von den jeweiligen Mehrheiten. Zur Stärkung des Parlaments könnte die KZE empfehlen, dem Parlament das volle Recht zur Initiative von Gesetzen und stärkere Untersuchungsrechte zu geben.
Darüber hinaus könnte die KZE helfen, die Rolle des Europäischen Rates im Gesetzgebungsverfahren der EU klarer zu definieren. Der Europäische Rat ist kein Gesetzgeber, sondern legt die Richtlinien der Politik fest. Ministerrat und Parlament sind die Gesetzgeber der EU. So die Rechtslage, aber in der Praxis war der Europäische Rat gelegentlich der de facto Gesetzgeber der EU – ein Problem für Klimapolitik, da dieses Gremium einstimmig entscheidet und Entscheidungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner deshalb wahrscheinlicher werden.
Die KZE kann natürlich in vielen weiteren Bereichen klimapolitisch wichtige Empfehlungen machen – etwa von der gezielten Abkehr vom Verbrennermotor bis zur schnelleren Beendigung der Kohleverbrennung. Aber um Prioritäten zu setzen, sollte die KZE nicht alte Forderungen unter der neuen Überschrift „KZE“ aufwärmen oder laufende Prozesse doppeln. Sie sollte sich auf die Stärkung der Handlungsfähigkeit der EU konzentrieren: Was muss geschehen, damit die EU den Mitgliedsstaaten und Bürgerinnen besser helfen kann, die Aufgaben der Zukunft zu bewältigen? Aus diesem Grund darf die KZE sich nicht von dem alten Einwand abschrecken lassen, institutionelle Fragen beträfen nicht das Leben der Menschen und sollten deshalb außen vor bleiben. Institutionen machen Politik und ihre Verfasstheit macht einen Unterschied – für den Alltag aller Menschen.