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Energie & Klima

Standpunkte Mehr Transparenz der aktuellen Heizkosten dringend erforderlich

Graham Weale, Professor für Energieökonomik, Ruhr-Universität Bochum
Graham Weale, Professor für Energieökonomik, Ruhr-Universität Bochum Foto: André Laaks

Haushalte müssen schneller über ihre laufenden Heizkosten informiert werden, schreibt der Energieökonom Graham Weale in seinem Standpunkt. Er fordert die Bundesregierung auf, ein Gesetz zu verabschieden, das Energieversorger und Immobilienunternehmen verpflichtet, über die aktuellen Kosten und einfache Einsparmaßnahmen zu informieren.

von Graham Weale

veröffentlicht am 19.07.2022

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Im Unterschied zu allen anderen Konsumgütern, insbesondere Spritpreise an der Tankstelle, sind weder die aktuellen Kosten pro Einheit noch der laufende Bedarf an Haushaltsenergie gut sichtbar. Beim Strom ist es möglich, wenn auch nicht so einfach, den Verbrauch vom Zähler abzulesen, und mit den Kosten zu multiplizieren, sofern man sie kennt.

Hingegen ist das für die Heizung- und Warmwasserkosten ganz anders. Die Mehrheit der Mieter entdeckt die Höhe ihrer Energiekosten erst nachträglich mit einer Zeitverzögerung von sechs bis zwölf Monaten. Das versetzt sie in eine schlechte Position, um in der aktuell extrem hohen Preissituation rationale Entscheidungen über ihren Energieeinsatz und einfache Sparmaßnahmen zu treffen.

Risiko eines finanziellen Dominoeffekts

Es gibt bereits weit verbreitete Bedenken, wie viele Hausbesitzer ihre Rechnungen bei deren Ankunft nicht begleichen können. Wenn so etwas passiert, dann wird es einen gravierenden finanziellen Dominoeffekt geben. Personen, die ihre Rechnungen nicht bezahlen, riskieren ihre wirtschaftliche Überschuldung. Energieversorger und Immobilienverwaltungsgesellschaften werden Schwierigkeiten haben, ihrerseits die vertraglichen Kosten für die Beschaffung zu bezahlen, was ihre weitere Lieferfähigkeit gefährdet.

In normalen Zeiten wird denjenigen, die ihre Energierechnungen nicht bezahlen, Strom und Gas abgestellt. Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) hat vorgeschlagen, dass es jetzt ein Moratorium für ein solches Vorgehen geben sollte, ohne zu sagen, wer dann die Kosten für diese unbezahlten Rechnungen tragen sollte.

Wenn Verbraucher sehen, dass ihre Energie in solchen Fällen nicht abgeschaltet wird, kann ihr Anreiz, in diesen schwierigen Zeiten mit hoher Inflation Energierechnungen zu bezahlen, zusätzlich begrenzt werden. Und Bundeskanzler Scholz sagte in einer ZDF-Sendung, dass es sich kein Staat der Welt leisten könne, hohe Preise unbegrenzt zu subventionieren – eine Aussage, die zum Vorschlag von Frau Lemke im Widerspruch steht.

Verpflichtung für die Energieversorger nötig

Ein wichtiger Beitrag, um dieses große Dilemma zu lösen, läge darin, dass die Regierungskoalition sowohl von allen direkten Lieferanten als auch von Immobilienunternehmen und Vermietern verlangt beziehungsweise ihnen gesetzlich vorschreibt, regelmäßig über die Kosten zu informieren. Dies kann auf unterschiedliche Weise mit unterschiedlicher Präzision erfolgen und sollte sich zunächst auf direkte Energieversorger und große Immobilienverwalter konzentrieren.

In der einfachsten Form würden Energieversorger die Hausbesitzer darüber informieren, wie hoch die monatlichen Kosten für Heizung und Warmwasser im letzten Jahr waren und wie hoch sie in den kommenden Monaten sein werden. Das muss basieren auf den geltenden Lieferverträgen und unter der Annahme, dass der Energieverbrauch gleichbleibt.

Eine raffiniertere Methode würde eine App nutzen, die auf der Grundlage externer Echtzeit-Temperaturdaten die täglichen Kosten anzeigt und auch einen ähnlichen Energieverbrauch annimmt. Es gibt verschiedene Apps, die beim Energiesparen helfen, aber noch keine, die es ermöglicht, Hausbesitzern regelmäßige Informationen zur Verfügung zu stellen.

In beiden Fällen sollten einfache Informationen vermittelt werden, die zeigen, wie verschiedene Maßnahmen die monatlichen oder täglichen Heizkosten senken könnten: Das Thermostat herunterfahren, weniger Räume heizen und den Warmwasserverbrauch senken. Fakt ist: Jedes Grad Celsius weniger spart etwa sechs Prozent Energie.

Rat zu schnell umsetzbaren Investitionen

Der nächste Schritt wäre, Ratschläge zu schnell umsetzbaren Maßnahmen anzubieten, um den Energiebedarf weiter zu senken. Die Installation elektronischer Thermostate würde ganz oben auf der Liste stehen, mit dem Potenzial, rund 30 Prozent Energie einzusparen. Diese Maßnahme könnte fremde Hilfe erfordern, um das wünschenswerte Volumen rechtzeitig zu reichen.

Die Verfügbarkeit von Handwerkern für viele andere Lösungen, einschließlich der Installation von Photovoltaik-Modulen, ist allerdings begrenzt. Sehr wahrscheinlich aber wäre dies der beste Beitrag, den sie zur Verbesserung der Nettoenergiebilanz des Landes leisten könnten.

Bis zum Beginn der nächsten Heizperiode bleiben nur noch 100 Tage. Diese wertvolle Zeit muss dringend genutzt werden, um ein Gesetz zu verabschieden, das die Umsetzung der skizzierten Maßnahmen vorschreibt. Es würde dazu beitragen, das Problem der Preisvisibilität zu lösen und Mieter und Hausbesitzer in eine viel bessere Position zu versetzen, um ihren Energieverbrauch zu kontrollieren. Es würde nicht nur die Energiekrise entschärfen, sondern auch die Verbraucher entlasten: Für viele sind die Haushaltsenergiekosten jetzt der größte Posten unter den regelmäßigen Ausgaben.

Graham Weale ist Professor für Energieökonomik am Centrum für Umweltmanagement, Ressourcen und Energie (CURE) der Ruhr-Universität Bochum. Zuvor war er Chefvolkswirt des Energieversorgers RWE.

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