Alle Augen der Klimaszene waren in dieser Woche auf das Treffen der Staats- und Regierungschefs der G7 auf Schloss Elmau gerichtet. Denn Deutschland, das sich selbst als Vorreiter im weltweiten Kampf gegen den Klimawandel sieht, hatte die Einrichtung eines „kooperativen und offenen Klimaclubs“ zu einer Priorität seiner G7-Präsidentschaft erklärt.
Im Vorfeld des Gipfels wurde eine lange Liste von potenziellen Bereichen der Zusammenarbeit und politischen Maßnahmen diskutiert, um die Ambition im Klimaschutz zu steigern und gleichzeitig einen „schützenden internationalen Rahmen“ für Vorreiter zu schaffen. Eine „starke Allianz“ zur Bewältigung der Klimakrise, ausgehend von den G7-Ländern, die 40 Prozent der Weltwirtschaft ausmachen und für etwa 25 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind.
Schließlich brachte der Gipfel in den bayrischen Alpen eine Abschlusserklärung hervor, die dieses klimapolitische Prestigeprojekt von Olaf Scholz aufs Gleis setzte, mit Maßnahmen zur gemeinsamen Emissionsmessung und -berichterstattung und zur Dekabonisierung von Industriezweigen bei gleichzeitigem Ausbau von Leitmärkten für grüne Industrieprodukte. Außerdem sind Kooperationen beim internationalen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft geplant und es wurde die Absicht formuliert, durch Partnerschaften und Kooperationen mit Schwellenländern diese in die Energiewende und Industrietransformation einzubinden.
Eine breitere Vision mit viel Luft nach oben
Viele Beobachter hatten den deutschen Vorschlag im Vorfeld mit den Ideen des Nobelpreisträgers William Nordhaus verbunden, der seinem theoretischen Modell eines Klimaclubs einen gemeinsamen Kohlenstoffpreis und einen gemeinsamen CO2-Grenzausgleich zugrunde legte. In der Folge wurde die Idee eines Klimaclubs in der öffentlichen Debatte als „Kohlenstoffpreis-Club“ interpretiert. Die in Elmau verhandelte Erklärung zum Klimaclub zeichnet nun eine breitere Vision.
So weit, so gut. Schaut man jedoch ein Jahr zurück, so wurde im Rahmen der G7-Präsidentschaft Großbritanniens eine ähnliche Agenda lanciert: die G7 Industrial Decarbonization Agenda (IDA). Ein Jahr später hat die G7-IDA jedoch keine nennenswerten Fortschritte, geschweige denn Ergebnisse produziert. Soll sie nun eine Kernfunktion im Klimaclub von Olaf Scholz annehmen, so müssen in den verbleibenden Monaten der deutschen G7-Präsidentschaft die Governance des Klimaclubs aufgesetzt und konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht werden.
Daher sollten die Gründungsmitglieder des Klimaclubs noch vor Ende des Jahres erste Grundsteine für die gemeinsame Entwicklung grüner Leitmärkte legen und sich auf Meilensteine für die Reduktion der Emissionsintensität in den emissionsintensiven Grundstoffen bis 2030 einigen. Da Regierungen Großverbraucher von Grundstoffen sind (zum Beispiel in großen Straßeninfrastrukturprojekten), müssen sie ihre Kaufkraft für ein starkes Nachfragesignal nutzen und Haushaltsmittel in die umweltfreundliche Beschaffung grüner Produkte umlenken. Politikinstrumente müssen auf robusten, gemeinsamen Methoden der CO2-Bilanzierung und gemeinsamer Definitionen für grüne Produkte basieren.
Mittelfristig ist es wichtig, dass die Mitglieder des Clubs immer strengere Mindeststandards für den CO2-Gehalt von Industrieprodukten einführen. Diese würden als Eckpfeiler eines „schützenden internationalen Rahmens“ fungieren und einen Anreiz schaffen, dass Nichtmitglieder mitziehen in der zügigen Transformation ihrer Industrien zur Klimaneutralität.
China und Indien auf Augenhöhe einbinden
Fragen zur Funktionsweise und Mitgliedschaft im Klimaclub werden in den kommenden Monaten im Rahmen der Verhandlungen zu den Terms of Reference des Clubs beantwortet. Hier sollten G7-Minister ein starkes Signal für die internationale Inklusivität setzen. Ohne an Ambition zu verlieren, muss der Klimaclub zentrale Handelspartner von energieintensiven Grundstoffen wie zum Beispiel China und Indien auf Augenhöhe einbeziehen. Ziel muss sein, die Industrietransformation noch in dieser Dekade global voranzutreiben und Skaleneffekte zu erzielen, die die Verteilung von Technologien und Know-how auf der ganzen Welt beschleunigen und damit auch die Transformationskosten senken.
Bis weitere Handelspartner die Einladung zum Beitritt zum Klimaclub angenommen haben, müssen die Gründungsmitglieder der G7 gemeinsam und zügig vorangehen. Und sie sollten sich als emissionsintensive Länder nicht nur als Vorreiter in grüner Industriepolitik, sondern als Vorreiter im Klimaschutz verstehen. Das Abschlusskommuniqué des Gipfels in Elmau zeigt, dass hier noch Luft nach oben ist.
Aylin Shawkat ist Projektmanagerin bei Agora Industrie, Domien Vangenechten arbeitet als Policy Advisor im Brüsseler Büro von E3G.