Wirtschaftsminister Robert Habeck hat eines verstanden: Ohne Smart Meter, die in zahlreichen anderen europäischen Ländern längst flächendeckend ausgerollt sind, wird Deutschland die Energiewende nicht gelingen. Der Grund ist einfach: In einer Stromwelt mit stark wachsendem Erneuerbaren-Anteil gibt es immer mehr Phasen des Über- oder Unterangebots von Strom.
In dieser neuen Stromwelt wird die Frage, wann Energie verbraucht wird, zunehmend die Frage verdrängen, wie viel wir verbrauchen. Je mehr E-Autos und Wärmepumpen in privaten Haushalten geladen werden, desto größer ist das Potenzial, Verbräuche in Stunden zu verlegen, in denen der Strom grün und günstig ist. Das entlastet die Netze und spart Geld – nicht nur für jeden einzelnen Haushalt, sondern das gesamte Stromsystem, weilbesonders teure Spitzenlasten vermieden werden.
Damit zur richtigen Zeit Strom verbraucht wird – nämlich dann, wenn er im Überfluss vorhanden ist – braucht es breitflächige Anreize auch für private Haushalte. Sprich: Der Strom muss billiger werden, wenn er gerade dank viel Sonne und Wind im Netz im Überfluss vorhanden ist und/oder die Nachfrage besonders gering ist. Um solche dynamischen Stromtarife in der Breite umzusetzen, braucht es Smart Meter, die den Stromverbrauch im Zeitverlauf erfassen.
Deshalb hat Habeck einen Smart-Meter-Plan vorgelegt. Ab 2025 haben Verbraucher*innen ein Recht auf Smart Meter, die einen Antrag beim Messstellenbetreiber stellen. Für große Verbräuche jenseits von 4,2 Kilowatt Leistung, beispielsweise aufgrund einer Wärmepumpe oder Wallbox, sind sie ohnehin Pflicht. Das sieht das neue Energiewirtschaftsgesetz vor.
Auf der Suche nach dem Messstellenbetreiber
Ein guter Plan – mit einem Schönheitsfehler, der sich schon beim Bestellprozess zeigt. Wer einen Smart Meter beantragen möchte, muss zunächst seinen Messstellenbetreiber ausfindig machen. Darüber hinaus gibt es keine regulatorischen Vorgaben, auf welche Art und Weise und an welcher Stelle Verbraucherinnen und Verbraucher das Recht auf einen Smart Meter in Anspruch nehmen können. Dies mag nach einem trivialen Detail klingen, aber wenn jeder der rund 800 Messstellenbetreiber in Deutschland einen eigenen Weg für sich und seine Kunden definiert, könnte dies in der Praxis zu weiteren Hindernissen führen.
Zu befürchten sind Parallelen zu dynamischen Tarifen: Teilweise werden hier die Angebote auf den Webseiten von Stromanbietern (die ab einer Kundenzahl von 100.000 seit 2023 eine Angebotspflicht haben) unnötig kompliziert dargestellt oder sogar versteckt (das „Handelsblatt“ berichtete im März 2023). Um zu verhindern, dass auch der Smart-Meter-Bestellprozess durch komplizierte Formulare auf entsprechenden Unterseiten unauffindbar gemacht wird, könnte eine bundesweit agierende Institution als zentrale Anlaufstelle eine Maske dafür aufbauen.
Dies hätte zwei Vorteile: Einerseits könnte die Standardisierung des Prozesses Messstellenbetreiber deutlich entlasten, die durch den Smart-Meter-Rollout bereits einen Mehraufwand haben. Hier könnte möglicherweise auch ein Kostenvorteil entstehen. Außerdem wären die Kompetenzen zentral gebündelt, sodass das Informationsangebot für interessierte Verbraucher und Verbraucherinnen nicht nur gleichermaßen zugänglich ist, sondern Fragen und Anliegen an ausgewiesene Fachleute gerichtet werden könnten. Gleichzeitig hätten Politik und Öffentlichkeit einen transparenten Überblick über die Fortschritte des Rollouts.
Standardisierung des Bestellprozesses durch zentrale Anlaufstelle
Diese zentrale Anlaufstelle für den Antrag auf einen Smart Meter auf eigenen Wunsch oder zumindest die Definition von klaren Regeln könnte den Smart-Meter-Rollout in Deutschland erheblich beschleunigen. Die Bundesnetzagentur könnte die zentrale Plattform verwalten und per standardisierter Schnittstelle und Kommunikation die Daten an die jeweiligen Messstellenbetreiber übermitteln. So können Stromanbieter – die für Verbraucher:innen oftmals der erste Ansprechpartner rund um das Thema Strom sind – die Wünsche nach einem Smart Meter bündeln und Verbraucherinnen und Verbraucher müssten sich auch nicht erst auf die müßige Suche machen, herauszufinden, welcher der rund 800 grundzuständigen Messstellenbetreiber nun ihrer ist.
Wir gehen jetzt aber davon aus, dass der interessierte Verbraucher oder die interessierte Verbraucherin den Weg zum Antrag gefunden hat. Was passiert aber, wenn sich der zuständige Messstellenbetreiber auf den Wunsch zum Einbau hin nicht rührt?
Das aktuelle Gesetz sieht keinerlei Sanktionen vor, sollte einer der rund 800 Messstellenbetreiber in Deutschland sich dem Wunsch der Kund*innen verweigern. Gleichzeitig sind die Anreize für die Messstellenbetreiber, in neue, smarte Zähler zu investieren, überschaubar. Auch die neuen Regelungen im Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende reichen dazu nicht aus. Die Betreiber stellen sich möglicherweise die Frage: Warum überhaupt Zeit und Geld in moderne Strominfrastruktur investieren, wenn Geld in Form der Messstellengebühren ohnehin kassiert werden kann, weil der Stromzähler lange abgeschrieben ist?
Die BNetzA sollte ein Sanktionsrecht bekommen
Es wäre daher sinnvoll, wenn die Bundesnetzagentur per Gesetz mit mehr Kompetenzen ausgestattet wird. Wenn ein Messstellenbetreiber dem Einbauwunsch eines Kunden oder einer Kundin für einen smarten Zähler nicht fristgerecht nachkommt, sollte sie nachhaltige Sanktionsmaßnahmen verhängen dürfen.
Ohne diese Kompetenz werden noch viele weitere Jahre ins Land gehen, bis der Smart-Meter-Rollout endlich vorankommt – und damit endlich eine moderne Infrastruktur, die eine konsequente und günstige Energiewende ermöglicht.
Merlin Lauenburg ist Managing Director von Tibber Deutschland, einem digitalen Ökostromanbieter.