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Energie & Klima

Standpunkte Preiseingriffe könnten die europäische Energiekrise verstärken

Christoph Maurer, Geschäftsführer von Consentec
Christoph Maurer, Geschäftsführer von Consentec Foto: Consentec

In Brüssel wird über schwerwiegende Eingriffe in die Energiemärkte diskutiert – einige EU-Länder greifen bereits zu solchen Maßnahmen. Christoph Maurer, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Consentec, hält diese Reflexe für gefährlich. Er plädiert in seinem Standpunkt dafür, so weit wie möglich Marktmechanismen und Preise wirken zu lassen. Eingriffe seien in aller Regel kontraproduktiv.

von Christoph Maurer

veröffentlicht am 31.03.2022

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Die erheblich gestiegenen Preise für Kraftstoffe, Gas und Strom sind eine erhebliche Belastung für besonders verletzliche Verbrauchergruppen. Möglichkeiten zur Entlastung werden deshalb politisch intensiv debattiert. Die von der Ampelkoalition beschlossene Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe ist auf breite öffentliche Kritik gestoßen. Deutlich weniger Resonanz findet die parallel auf europäischer Ebene laufende Diskussion zu möglichen Eingriffen in die Großhandelsmärkte für Strom und Gas.

Bereits vor einigen Wochen hatte sich die Europäische Kommission für eine Abschöpfung sogenannter krisenbedingter „windfall profits“ von Energieproduzenten ausgesprochen. Im Vorfeld des Europäischen Rats Ende letzter Woche hat sie in einer Mitteilung zusätzlich ein Price Cap an den Großhandelsmärkten für Strom oder eine Preisdeckelung für zur Stromerzeugung genutzte fossile Brennstoffe (in Verbindung mit Brennstoffsubventionen für die betroffenen Kraftwerksbetreiber, um diesen die Deckung ihrer Kosten zu ermöglichen) als denkbare Handlungsoptionen genannt.

Letztgenanntes Modell wurde speziell von Spanien und Portugal gefordert und von mehreren anderen Mitgliedsstaaten unterstützt. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben, auch auf Drängen Deutschlands, die Entscheidung über die unionsweite Einführung von Preisobergrenzen am vergangenen Freitag nach stundenlanger Diskussion noch einmal vertagt. Allerdings erhalten Spanien und Portugal möglicherweise kurzfristig eine Sondergenehmigung für Preisinterventionen.

Staatliches Geld könnte letztlich an Russland fließen

Auch wenn so etwas Zeit gewonnen ist: Das Damokles-Schwert einer massiven Preisintervention schwebt weiterhin über dem Energiebinnenmarkt. Dabei hätte eine solche Intervention kurz- wie langfristig erhebliche negative Konsequenzen.

Die hohen Preise auf den Energiemärkten reflektieren das derzeit geringe Angebot, das sich möglicherweise noch weiter verknappt, was auch vom aktuellen Konflikt um Rubel-Zahlungen für Gas abhängig ist. Eine künstliche Verbilligung verschärft diese Knappheit, indem sie die sehr wohl preisabhängigen Verbrauchsentscheidungen beeinflusst und die Nachfrage nach Energie erhöht. In einer Situation, in der Energiesparen besonders notwendig ist, würde der Nutzen der Energieeinsparung für die Verbraucher geringer. Zudem: Je inelastischer das Energieangebot ist (wie derzeit am Gasmarkt), desto mehr führen Subventionen zu erhöhten Renten bei den Produzenten. Dies könnte bedeuten, dass staatliches Geld aufgewendet wird, um Russland zusätzliche Einnahmen zu verschaffen.

Noch weitreichender wären die Folgen bei einem tatsächlichen Price Cap für Strom und/oder Gas. Gerade im Gasbereich, wo über Gasspeicher erhebliche Möglichkeiten zur intertemporalen Verschiebung und damit auch kurzfristigen Erhöhung der Nachfrage bestehen, würde ein Price Cap unmittelbar zu einem Nachfrageüberhang an den Großhandelsmärkten führen.

Der Markt hat bessere Informationen als der Staat

Angebot und Nachfrage könnten nicht mehr in Ausgleich gebracht werden. Eine Markträumung würde verunmöglicht. In einer solchen Situation müsste sofort eine staatliche Rationierung der Gasnachfrage durchgeführt werden, um die Stabilität des Systems zu bewahren. Die notwendigen Informationen und Prozesse, um eine solche Rationierung effizient durchzuführen, stehen aber schlichtweg nicht zur Verfügung. Gerade in einer Situation mit knappem Angebot hat der Preismechanismus eine wichtige Informations- und Koordinationsfunktion. Er kann besser, einfacher und schneller als jede staatliche Steuerung aufdecken, welche Nutzungsmöglichkeiten der knappen Ressource den höchsten ökonomischen Wert aufweisen. Diese Information bewusst zu verwerfen, wäre ein großer Fehler.

Der Vorschlag einer Begrenzung oder Subventionierung der Preise für fossile Brennstoffe, speziell Gas, die zur Stromerzeugung eingesetzt werden, wirkt auf den ersten Blick weniger invasiv. In der Tat würde er nicht unvermeidlich zur Nachfragerationierung führen. Dennoch hat auch dieser Vorschlag erhebliche Nachteile.

So priorisiert er die Nutzung von Gas für die Verstromung gegenüber anderen Nutzungsmöglichkeiten, obwohl gerade im Strombereich Alternativen zum Einsatz von Gas bestehen. Bei einem insgesamt knappen Angebot bedeutet das weniger verfügbares Gas und höhere Anpassungsnotwendigkeiten, gerade für die Industrie.

Subventionen dürften auch nicht auf den Brennstoff Gas beschränkt bleiben. Sie müssten auch andere fossile Brennstoffe wie Kohle umfassen, um die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke nicht zugunsten von Gas zu verschieben und damit die Gasnachfrage für die Verstromung weiter nach oben zu treiben. Faktisch bräuchte es eine situationsspezifisch „regulatorisch designte“ Angebotskurve, was alleine angesichts schnell schwankender Brennstoffpreise an Weltmärkten und einer asymmetrischen Informationslage zum Beispiel über die Eigenschaften von Kraftwerken, kaum machbar erscheint und zu Ineffizienzen führen würde.

Zudem würde eine solche Preisintervention die Rolle der fossilen Stromerzeugung zementieren und die Anreize für alle alternativen Ansätze zur Auflösung der Knappheit (und damit Preissenkung) wie Speicher, Lastflexibilität und erneuerbare Energien abschwächen. Gerade bei Lastflexibilität geht es dabei nicht nur um mehrjährige Investitionsprojekte, sondern um die kurzfristige Erschließung technischer Potenziale.

Den Terminmärkten droht dauerhafter Schaden

Um zu verhindern, dass subventionierter Strom in Nicht-EU-Mitgliedsstaaten abfließt, wären möglicherweise erhebliche Beschränkungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel notwendig. Das würde aber auch die Möglichkeiten zum Rückgriff auf Flexibilitätspotenziale im Ausland verringern und damit letztendlich die Versorgungssicherheit schwächen.

Schließlich würde ein solcher Eingriff die Rolle der Terminmärkte möglicherweise dauerhaft beschädigen. Kurzfristig würden diejenigen Verbraucher bestraft, die vorsichtig gehandelt und sich zum Beispiel bereits im vergangenen Jahr (zu erhöhten Preisen) langfristig abgesichert haben. Faktisch müssten diese Verbraucher nun mehr bezahlen als Akteure ohne Absicherung. Langfristig besteht die Gefahr, dass Marktakteure vor diesem Hintergrund auf eine Absicherung am Terminmarkt verzichten und genau damit die Notwendigkeit staatlicher Eingriffe perpetuieren.

Zusammengefasst sind nicht die hohen Preise das aktuelle Problem an den Energiemärkten. Sie sind nur Ausdruck einer fundamentalen Knappheit und gleichzeitig ein wesentliches Mittel, mit dieser Knappheit effizient umzugehen. Politische Maßnahmen sollten deshalb nicht darauf zielen, den Preismechanismus zu entwerten, sondern die Folgen hoher Preise, wo notwendig, abzumildern. Dazu kommen zum Beispiel pauschale oder vom Verbrauch in der Vergangenheit (aber eben gerade nicht vom aktuellen Verbrauch) abhängige Zahlungen in Betracht.

Da Staaten kein akutes Finanzierungsproblem haben, ist es auch nicht notwendig, Entlastungsmaßnahmen mit einer Abschöpfung sogenannter „windfall profits“ zu verknüpfen. Deren Bestimmung ist aufwändig und fehleranfällig – etwa, wenn Energieerzeuger ihre Produktion bereits langfristig auf Termin verkauft haben, somit von den aktuellen Preisen gar nicht profitieren. Gleichzeitig verringern solche Eingriffe die Bereitschaft von Marktakteuren, dynamisch auf aktuelle und zukünftige Krisensituationen zu reagieren und zu deren Entspannung beizutragen.

Dr. Christoph Maurer ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Consentec.

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