Wasserstoff kann grün. Keine Frage – und das ist eine große Chance für die Energiewende. Gasförmige Energieträger werden auch im Energiesystem der Zukunft eine Rolle spielen: Für Hochtemperaturprozesse in der Industrie, für Schiff- und Flugverkehr sowie den Schwerlastverkehr auf der Straße.
Aber es ist Vorsicht geboten, grüne Gase sind kein Allheilsbringer. Zu schnell überwiegt die Euphorie, wenn es um grünen Wasserstoff geht. Deshalb ist eine ganz nüchterne Bewertung der Chancen und Risiken notwendig. Und: Zum Einstieg in erneuerbare Gase gehört auch der Ausstieg aus fossilem Erdgas, mehr Energieeffizienz und der Ausbau erneuerbarer Energien.
Zunächst muss klar sein: Wasserstoff ist nur dann zukunftsfähig, wenn das Gas ausschließlich aus erneuerbaren Energien produziert wird. Dagegen ist Wasserstoff, der aus Erdgas durch Abspaltung des Kohlenstoffs hergestellt wird, kein Zukunftsprodukt. Dieses Gas bleibt ein fossiler Energieträger. Die Abspaltung des Kohlenstoffs ist energieaufwendig, die Lagerung des CO2 ist mit hohen Risiken verbunden. Alle Anstrengungen der Industrie und der Bundesregierung müssen deshalb darauf hinauslaufen, den Einstieg in eine erneuerbare Erzeugung von Wasserstoff zu finden.
Erneuerbares Gas wird eine extrem teure Ressource
In einer schönen neuen Welt gibt es einen globalen Markt für erneuerbares Gas: Erzeugt aus Sonnenenergie in Afrika und geliefert nach Europa. Diese Vorstellung ist schön, insbesondere, wenn er mit regionaler Wertschöpfung und den Chancen für die Entwicklung in den Herkunftsländern verbunden wird. Die Realität sieht leider anders aus: Stand heute gibt es nirgendwo nennenswerte Kapazitäten für die Erzeugung von erneuerbarem Gas. Noch dazu ist die Frage des Transports von Wasserstoff technologisch nicht geklärt. Es bleiben viele Herausforderungen: Die Herkunftsländer müssen Erzeugungskapazitäten schaffen, Technologien für den Transport müssen entwickelt werden.
Als Argument für die Erzeugung von Wasserstoff in sonnenreichen Ländern werden häufig die niedrigen Produktionskosten für Wasserstoff angeführt. Wer aber sagt, dass die Kosten von Bedeutung sind? Auch Erdöl wird heute schließlich nicht zu den Förderkosten am globalen Markt angeboten, sondern es bildet sich ein Preis auf Basis von Angebot und Nachfrage, schwer beeinflusst von geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der Förderländer. Wenn nicht nur Deutschland, sondern auch andere Industrienationen ihre Energieversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare umstellen, sind vermutlich ähnliche Preisbildungsprozesse zu erwarten. Fazit: Erneuerbares Gas wird eine extrem teure Ressource sein.
Was sind die Schlussfolgerungen daraus? An erster Stelle müssen sich Bundesregierung und Wirtschaft das Ziel setzen, die Energieverbräuche drastisch zu reduzieren. Der Dornröschenschlaf beim Thema Effizienz muss endlich beendet werden. Zweitens muss klar festgelegt werden, in welchen Sektoren wir auf erneuerbares Gas setzen. Die Wärmeerzeugung im Gebäudebereich oder den motorisierten Individualverkehr sollten wir angesichts verfügbarer technischer Alternativen von der Nutzung von Gas ausschließen. Drittens muss die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung beschleunigen. Hier droht angesichts neuer Abstandsregeln für Wind und weiterer neuer Hürden eine Bauchlandung für die Energiewende. Und viertens muss die Bundesregierung eine heimische Erzeugung für erneuerbaren Wasserstoff aufbauen.
DUH fordert Unterstützung der Regierung für Power-to-Gas
Klar ist aber auch: Eine heimische Erzeugung von Wasserstoff wird den deutschen Energiebedarf nicht alleine decken können. Deutschland wird auch in Zukunft ein Energieimporteur bleiben. Aber für die Entwicklung dieser Industrie müssen jetzt die richtigen Impulse gesetzt werden. Um dies industriepolitisch voran zu bringen, fordern wir von der Deutschen Umwelthilfe finanzielle Unterstützung für Bau und Betrieb von Power-to-Gas-Anlagen. Die Bundesregierung sollte das Ziel verfolgen, bis 2025 einen Anlagenzubau von fünf Gigawatt zu erreichen. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung eine pilothafte Ausschreibung für Offshore-Wind gekoppelt mit einer Wasserstofferzeugung auf den Weg bringen.
All dies kann nur funktionieren, wenn unsere Gasnetze eine höhere Beimischung von Wasserstoff zulassen, wozu eine vollständige Umstellung der Netze vorbereitet werden muss. Gasnetze sollten ab sofort nur noch „H2-ready“ errichtet werden, auch Endgeräte dürfen nur noch „H2-ready“ vertrieben werden. Dafür muss die Bundesregierung per Regulierung Investitionssicherheit schaffen.
Nicht zuletzt wird es neben dem Einstieg in erneuerbares Gas darauf ankommen, den Ausstieg aus fossilem Erdgas zu organisieren. Angesichts der Klimaziele ist klar, dass Erdgas Teil des Problems ist, nicht Teil der Lösung. Investitionen in eine neue Gasinfrastruktur, wie Nord Stream 2 oder auch die geplanten LNG-Terminals, sind mit den Klimazielen nicht vereinbar und müssen gestoppt werden. Vor allem darf es keine öffentliche Förderung mehr für fossile Gasinfrastrukturprojekte geben. Hier spielt die Bundesregierung derzeit eine unrühmliche Rolle: Sie verhindert hinter den Kulissen derzeit eine Neuausrichtung der Vergaberichtlinien der Europäischen Investitionsbank (EIB), die die Förderung von fossilen Gasprojekten richtiger Weise gänzlich ausschließen wollte.
Die Bundesregierung hat in Sachen Energiewende und Klimaschutz Glaubwürdigkeit verspielt. Neue Hürden für den Ausbau erneuerbarer Energien, fehlende Ambitionen bei Effizienz, ein homöopathischer CO2-Preis, eine stockende Verkehrswende. Beim Umbau der Gasversorgung hat sie nun eine neue Chance, einen Schritt in die richtige Richtung zu gehen. Hoffen wir, dass hier ein Aufschlag für mehr Klimaschutz gelingt!