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Energie & Klima

Standpunkte Vorschlag für eine pragmatische Weiterentwicklung des Wasserstoff-Rechtsrahmens

Simon Groneberg und Maximilian Uibeleisen, Ashurst LLP
Simon Groneberg und Maximilian Uibeleisen, Ashurst LLP Foto: Ashurst LLP

Wasserstoff wird eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung spielen – und der Hochlauf möglichst zügig stattfinden. Umso wichtiger sei es, einen innovationsfreundlichen und pragmatischen Rechtsrahmen zu setzen, meinen Maximilian Uibeleisen und Simon Groneberg von der internationalen Kanzlei Ashurst LLP in ihrem Standpunkt. Nachträgliche drastische Änderungen wie bei der Offshore-Windkraft müssten unbedingt vermieden werden.

von Simon Groneberg und Maximilian Uibeleisen

veröffentlicht am 18.08.2023

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Im Jahr 2020 wurde mit der Nationalen Wasserstoffstrategie erstmals eine grundlegende Strategie zur Wasserstoffpolitik vorgestellt. Nun, rund drei Jahre später, hat das Bundeskabinett die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS 2023) beschlossen.

Die Bundesregierung geht von einem Wasserstoffbedarf im Jahr 2030 von 95 bis 130 Terawattstunden in Deutschland aus. Die Bedarfsdeckung soll durch verschiedene Maßnahmen erreicht werden. Unter anderem soll die heimische Elektrolysekapazität von fünf auf zehn Gigawatt bis zum Jahr 2030 verdoppelt werden. „Rückgrat“ (aber auch Achillesferse) hierfür ist der Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung. Bis 2027/2028 soll in Deutschland über die europäische IPCEI-Förderung außerdem eine leistungsfähige Wasserstoffinfrastruktur mit mehr als 1800 km Wasserstoffleitungen aufgebaut werden. Ferner soll die Etablierung von Wasserstoffanwendungen in den Sektoren vorangetrieben werden: Bis 2030 wird Wasserstoff allen voran bei Anwendungen in der Industrie und im Verkehr eingesetzt. Ab 2030 sollen weitere Anwendung im Strom- und Wärmesektor folgen.

Eine besonders wichtige Maßnahme ist die Schaffung von geeigneten rechtlichen Rahmenbedingungen. Nach der Fortschreibung der NWS soll ein kohärenter rechtlicher Rechtsrahmen auf nationaler und europäischer Ebene entstehen. EU-Vorgaben sollen dabei zügig in nationales Recht umgesetzt werden.

Bislang fehlt ein kohärenter Rechtsrahmen für Wasserstoff

Die Bundesregierung will mit der Fortschreibung der NWS verlässliche Leitplanken für private Investitionen in Wasserstofftechnologien etablieren. Dies ist von besonderer Bedeutung, da Wasserstoffprojekte erhebliche Investitionen erfordern und die Industrie diese Leitplanken dringend benötigt. Festzuhalten ist aber bislang: Ein kohärenter nationaler oder europäischer Ordnungsrahmen für die Wasserstoffwirtschaft existiert noch nicht und wird auf europäischer Ebene frühestens Ende 2023 erwartet.

Deutschland hat sich seit 2021 entschieden, zunächst eigene nationale regulierungsrechtliche Ansätze für den Markthochlauf zu schaffen. Dabei sind bereits sämtliche Wertschöpfungsstufen der Wasserstoffwirtschaft – Erzeugung, Transport und Verbrauch – Gegenstand gesetzlicher und regulatorischer Vorgaben. Diese Vorgaben sind aber bislang eher ein Bündel gesetzgeberischer Einzelmaßnahmen als ein umfassendes „Wasserstoffrecht“. Ein kurzer Überblick:

Auf der Ebene der Wasserstoff-Erzeugung wurden Vorgaben für die Offshore-Produktion von Wasserstoff geschaffen, die mit drei Gigawatt ein Drittel der Elektrolysekapazität in Deutschland in 2030 sicherstellen soll. Gefördert werden soll die Erzeugung von grünem Wasserstoff in sogenannten „sonstigen Energiegewinnungsanlagen“ mit erneuerbarem Strom aus Offshore-Windenergieanlagen. Das WindSeeG regelt unter anderem mit dem Flächenentwicklungsplan die Zulassung und Errichtung von sonstigen Energiegewinnungsanlagen sowie die Vergabe von Antragsberechtigungen im Wege von Ausschreibungen. Eine finanzielle Förderung der Offshore-Produktion von Wasserstoff besteht derzeit nicht, ist mit der Förderrichtlinie Offshore-Elektrolyse aber geplant.

Auf der Ebene des Wasserstofftransports hat der Gesetzgeber mit der EnWG-Novelle 2021 einen ersten Ordnungsrahmen für die Regulierung von (reinen) Wasserstoffnetzen eingeführt, wobei das gegenwärtige gesetzliche Konzept zwischen zwingender und fakultativer Netzregulierung unterscheidet. Für das freiwillige „Opt-In-Modell“ haben sich in der Praxis bislang nur wenige Wasserstoffnetzbetreiber entscheiden. Die zwingenden Regulierungsvorgaben betreffen etwa die Genehmigung und Wegenutzung (Paragrafen 43 bis 48 EnWG), die Spezialregelungen für den Auf- und Ausbau von Wasserstoffnetzen enthalten. Mit der jüngsten EnWG-Novelle wurden zudem Vorschriften für das Wasserstoff-Kernnetz für den überregionalen Wasserstofftransport von zentralen Erzeugungs- zu Verbrauchszentren eingeführt.

Um den Wasserstoffhochlauf auf der Ebene des Verbrauchs anzukurbeln, hat der Gesetzgeber sowohl Förderinstrumente als auch gesetzliche Verpflichtungen zur Nutzung von grünem Wasserstoff gewählt. Im Verkehrssektor wurde mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter THG-Minderungsquoten durch die Kraftstoffanbieter ein strenger Regulierungsansatz gewählt. Für die Industrie verfolgt der Gesetzgeber hingegen eher einen weichen Regulierungsansatz und hat mit Klimaschutzverträgen (Carbon Contracts for Difference) ein Förderinstrument für die Steigerung Nachfrage nach Wasserstoff eingeführt.

Die bestehenden rechtlichen Regelungen werfen teilweise noch Unsicherheiten auf und sind recht komplex. Gerade für die gegenwärtige „First-Mover-Phase“ werden hohe Anforderungen an die Projektrealisierung gestellt, zum Beispiel bei der Anerkennung von grünem Wasserstoff unter der RED II und dem entsprechenden Delegierten Rechtsakt der EU-Kommission, der erst mit erheblicher Verspätung beschlossen wurde und hohe und teils unpraktikable Anforderungen an die Produktion von grünem Wasserstoff stellt.

Dies gilt insbesondere für die Kriterien der „Zusätzlichkeit“ und der zeitlichen Korrelation. Ein weiteres Beispiel sehr komplexer und im internationalen Vergleich (Stichwort: US Inflation Reduction Act) wenig attraktiv erscheinender Regelungen ist das vielschichtige Geflecht europäischer und nationaler Förderprogramme, die mit enormem bürokratischem Aufwand verbunden sind.

Pragmatismus und Weitsicht bei Weiterentwicklung des Rechtsrahmens

Der Rechtsrahmen für Wasserstoff wird weiter dynamisch bleiben. Zentraler Treiber ist dabei insbesondere die EU, zum Beispiel mit den Novellierungen der RED III und der für Ende 2023 angekündigten Schaffung eines Ordnungsrahmens für Wasserstoff. Dies wird notwendigerweise Anpassungen des gegenwärtigen nationalen Rechtsrahmens führen.

Um den Zielen der NWS 2023 gerecht zu werden und verlässliche Leitplanken zu setzen, ist auch der deutsche Gesetzgeber nun gefordert, einen kohärenten Rechtsrahmen für einen langfristigen Planungshorizont zu schaffen. Dabei sind insbesondere Pragmatismus, Weitsicht und wenig Bürokratie gefragt.

Verunsicherungen, die durch zu komplexe und wenig praxistaugliche Rechtsvorschriften wie auch sich fortlaufend ändernde Anforderungen entstehen können, sollten möglichst vermieden werden. Eine Situation wie etwa beim Markthochlauf der Offshore-Windkraft, bei dem die gesetzlichen Grundlagen mehrfach und zum Teil sehr grundlegend geändert wurden, wäre schädlich.

Während die Planung für ein Wasserstoff-Kernnetz kürzlich angestoßen wurde, sollte der Gesetzgeber nun auch zügig die zweite Stufe des Wasserstoffnetzausbaus in den Blick nehmen und Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Verteilernetze entwickeln, um möglichst vielen industriellen und gewerblichen Betrieben eine Perspektive für die Wasserstoffversorgung aufzuzeigen.

Die gegenwärtigen Förderprogramme, insbesondere die IPCEI-Förderung, setzen zurzeit noch zu sehr auf Leuchtturmprojekte als auf einen Aufbau ganzer Wertschöpfungsstufen industriellen Maßstabs. Für ein attraktiveres Investitionsumfeld in der EU und Deutschland müssten Anpassungen bei den Förderprogrammen folgen, um mit schnellen und unbürokratischen staatlichen Leistungen weitere Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft anzukurbeln.

Auch sollten die regulatorischen Anforderungen an die Herstellung von grünem Wasserstoff nicht zu hoch ausfallen. Um ein Abwandern in Länder mit deutlich niedrigeren Regulierungsvorgaben zu vermeiden, sollten europäische Vorgaben daher auch von deutscher Seite auf keinen Fall weiter verschärft werden. Die Fortschreibung der NWS sieht vor, dass eine rasche Festlegung verlässlicher und unbürokratischer europäischer Kriterien für grünen Wasserstoff erfolgen soll, die zeitnah Investitionssicherheit ermöglichen. Dieses Ziel sollte mit Nachdruck verfolgt werden.

Dr. Maximilian Uibeleisen, LL.M, ist Partner und Rechtsanwalt, Dr. Simon Groneberg ist Senior Associate und Rechtsanwalt bei Ashurst LLP in Frankfurt am Main. Beide sind Mitglieder der deutschen und internationalen Praxisgruppe Projects & Energy Transition.

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