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Energie & Klima

Standpunkte Warum Spanien gegen Gas und Atom in der Taxonomie ist

Teresa Ribera, Stellvertretende Ministerpräsidentin Spaniens und Ministerin für den Ökologischen Wandel und Demografie
Teresa Ribera, Stellvertretende Ministerpräsidentin Spaniens und Ministerin für den Ökologischen Wandel und Demografie Foto: Miteco

Während Deutschland die Taxonomie-Aufnahme von Gas, schließt eine von Spanien geführte Gruppe an EU-Ländern das strikt aus. Im Gastbeitrag mahnt Teresa Ribera, Stellvertretende Ministerpräsidentin Spaniens, dass die Hebelwirkung der Taxonomie auf die Energiepreisentwicklung und den industriellen Wandel mehr Beachtung finden müsse.

von Teresa Ribera

veröffentlicht am 01.02.2022

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Wir stehen vor einem Jahrzehnt tiefgreifender Veränderungen in unserem Wirtschaftsmodell, unserer Industrie und unserer Gesellschaft. Von den Signalen, die Regierungen heute aussenden, wird abhängen, ob wir in Zukunft Anreize für einen intelligenten Wandel schaffen, der zu einem größeren gemeinsamen Wohlstand für alle Bürger führt.

Glücklicherweise verfügen wir heute über die Informationen, die wir brauchen, um im Sinne der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit die ökologische Nachhaltigkeit in die Investitionsbewertung einzubeziehen und in die nachhaltigsten Aktivitäten zu lenken. In diesem Zusammenhang hat die Taxonomie eine wichtige Funktion: als bahnbrechender, klarer und transparenter Leitfaden soll sie Staaten, Unternehmen und Finanzinstituten bei der Formulierung von Finanzierungs- und Investitionsstrategien als Erkennungshilfe für nachhaltige Konventionen dienen.

Aus diesem Grund hat Spanien gemeinsam mit Österreich, Dänemark und Luxemburg der Europäischen Kommission seine Ablehnungshaltung gegenüber dem Vorschlag zur grünen Kennzeichnung bestimmter Investitionen in Erdgas und Kernenergie in der Taxonomie mitgeteilt. Am Mittwoch wird die Kommission eine überarbeitete Taxonomie vorlegen, die den Empfehlungen der nationalen und wissenschaftlichen Expertengruppen bestmöglich Sorge tragen soll.

EU muss Führungsrolle bei Klimaagenda beibehalten

Es geht nicht darum, über die Taxonomie Erdgas und Atomkraft als Quellen der Energieerzeugung grundlegend in Frage zu stellen. Jedem Mitgliedstaat steht es frei, seinen Energiemix selbst zu gestalten. Es geht darum, eine gemeinsame Sprache zu schaffen, um Aktivitäten und Investitionen zu klassifizieren, die ohne Risiko dazu beitragen, dass unsere Volkswirtschaften so schnell wie möglich klimaneutral werden.

Der Vorschlag, Gas und Kernenergie als nachhaltig einzustufen und sie damit den unbestrittenen grünen Technologien wie den erneuerbaren Energien gleichzustellen, sendet ein verwirrendes Signal an die Finanzmärkte und birgt die große Gefahr, von den Investoren selbst abgelehnt zu werden. So hat die Internationale Organisation für Normung bereits angekündigt, die Kernenergie aus ihrer Klassifizierung nachhaltiger Aktivitäten auszuschließen, während die Institutional Investors Group on Climate Change (IIGCC), darauf drängt, Erdgas aus der Taxonomie auszuschließen. Und erst letzte Woche hat sich die Sustainable Finance Platform der Europäischen Kommission dagegen ausgesprochen, Investitionen in Kernenergie und Erdgas als nachhaltig zu betrachten.

Die Aufnahme von teuren und umweltschädlichen Energien mit langen Amortisationszeiten in die „grüne“ Taxonomie würde Mittel von erneuerbaren Technologien ablenken, ohne die wir die Nachhaltigkeit unserer Energiesysteme mittel- und langfristig nicht erreichen werden. Es ist in der Tat möglich, dass der EU-Standard auf nationaler Ebene durch Drittländer oder sogar Mitgliedstaaten, die den ursprünglichen Vorschlag umsetzen, verbessert werden könnte, wie es Spanien mit seiner ersten grünen Anleiheemission im Sommer 2021 getan hat.

Potenzial für Wandel und Energieunabhängigkeit nutzen

Das Potenzial Europas in Zukunftssektoren, wie die Speicherung und Integration erneuerbarer Energien in das Stromsystem, Nachfragesteuerung oder Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff, liegt auf der Hand. Laut der Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (Irena) und der Internationalen Energieagentur sollten wir uns in Bezug auf Innovation, industrielle Nutzung und Regulierung auf diese Lösungen konzentrieren und Bedingungen der Sicherheit und Preisstabilität für Investitionen schaffen.

In der derzeit global spürbaren Energiepreisentwicklung trägt eine Taxonomie auch zur Verringerung der Importabhängigkeit und der damit verbundenen Anfälligkeit und Volatilität auf dem internationalen Energiemarkt bei.

Das Energiesystem und die Produktionsstruktur sind in jedem europäischen Land anders, aber wir haben alle das gleiche Ziel: Uns auf der Grundlage einer gemeinsamen Taxonomie in der gesamten EU zu ergänzen, die dazu beiträgt, Investitionen festzulegen, die mit unseren Zielen als Gesellschaft und mit Blick auf künftige Generationen vereinbar sind.

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