Netzentgelte für Stromerzeuger wären hierzulande eine bedeutende Umstellung. Denn bis heute waren die Verbraucher stets die alleinigen Kostenträger. Europarechtlich ist zwar gegen eine Beteiligung der Erzeuger an den Netzkosten nichts einzuwenden, denn die EU fordert kostenreflektierende Netzentgelte, die grundsätzlich auch die Erzeugung einschließen. Ob und wie die Erzeugung in den einzelnen Mitgliedstaaten bei Netzkosten einbezogen wird, ist jedoch sehr unterschiedlich. Daher sollten wir uns die Frage stellen, was Netzentgelte für Erzeuger tatsächlich bewirken können.
Zwei grundsätzliche Ziele sind naheliegend: Netzentgelte für Erzeuger könnten zum einen eingesetzt werden, um eine geografische, netzoptimierte Lenkung von Investitionen zu erreichen und zum anderen, um Anreize für eine netzdienliche Einspeisung (Dispatch) zu schaffen. Beides – Investitionen und Einspeiseverhalten – wirkt sich entscheidend auf die Netzkosten aus, insbesondere in den Netzgebieten, in denen die Einspeisung den Netzausbaubedarf bestimmt. Daher gilt es abzuwägen, ob Einspeisenetzentgelte für beide Ziele das geeignete Mittel darstellen und welche Alternativen dafür in Frage kämen. Folgende Punkte sind dabei zu bedenken:
1. Unsicherheit über künftige Netzentgelte als Investitionsrisiko
Investitionen sind einmalig zu treffende Entscheidungen. Netzentgelte sind hingegen jährliche oder monatliche Zahlungen, die sich im Falle von Einspeisenetzentgelten an den Parametern der Stromeinspeisung ins Netz orientieren würden, im simpelsten Fall auch an Pauschalen. Für die einmalige Ansiedlungsentscheidung wäre demnach die heutige Erwartung an die zukünftigen Netzentgelte entscheidend.
Eine entsprechende Prognose ist stets fehlerbehaftet und für den Betreiber mit einem finanziellen Risiko verbunden, da er faktisch keinen Einfluss auf die Festlegung zukünftiger Netzentgelte hat. In einer sich dynamisch durch Netzausbau, anderes Nutzungsverhalten oder neue Nutzer ändernden Netzsituation würde das Risiko – gerade für fluktuierend einspeisende Anlagen – deutlich steigen und die Kapitalkosten für Investitionen in die Höhe treiben. Marktbasierte Investitionen, wie Power-Purchase-Agreements (PPA) für erneuerbare Energien oder Investitionen im regulierten Umfeld, wie neue Kraftwerke in Kapazitätsmärkten würden deutlich teurer.
2. Baukostenzuschüsse für Netzanschlüsse neu denken
Um Neuansiedlungen zu lenken, ist eine regionale Steuerung auf Übertragungsnetzebene durch Baukostenzuschüsse von der Bundesnetzagentur als Positionspapier vorgelegt worden, die nach Netzauslastung differenzieren. Ein Baukostenzuschuss ist eine Einmalzahlung für einen Neuanschluss an den Netzbetreiber.
Für Verbraucher und Erzeugungsanlagen mit prognostizierbaren Einspeiseprofilen könnten Baukostenzuschüsse sinnvoll sein; Speicher könnten durch Baukostenzuschüsse jedoch unrentabel werden, obwohl sie das Netz grundsätzlich entlasten können und damit kaum oder keine Netzausbaukosten verursachen würden. Lokale Anreize sollten sich daher nicht an der Anschlusskapazität, sondern an der netz- und marktdienlichen Betriebsweise orientieren und mit den – lokalen – Entgelten für flexible Netzanschlussverträge zusammengedacht werden.
3. Die Netzdienlichkeit zeigt sich in der Nutzung, nicht durch die Investition
Viel mehr als die Ansiedlungsentscheidung und die Anschlussleistung wird zukünftig der Anlagenbetrieb die Netzbetriebs- und -ausbaukosten beeinflussen. Dabei wird die Einsatzentscheidung über Preissignale gesteuert. Möchte man nun mit Einspeiseentgelten die Stromerzeugung durch Verteuerung lenken, müssten konsequenterweise zuerst die bestehenden Preisvergünstigungen an die Netzverfügbarkeit angepasst werden.
Denn die meisten dezentralen, steuerbaren Erzeugungsanlagen erhalten derzeit Vergütungszahlungen für den eingespeisten Strom aus EEG und KWKG sowie zusätzlich vermiedene Netzentgelte, welche die Stromerzegung begünstigen. Auch die Kompensationen bei Abregelung und Redispatch, die ja einen genau gegenteiligen Anreiz zu Einspeiseentgelten liefern, gehören auf den Prüfstand.
4. Risiko für Marktintegration und Verbraucherentlastung
Neue Einspeisenetzentgelte müssten diskriminierungsfrei gelten; deshalb wären wahrscheinlich nicht nur die neuen Investitionen, sondern auch bestehende Anlagen betroffen. Die Netzkosten, die von der Erzeugung getragenen werden sind damit nicht weg, sondern nur woanders. Folglich ist es ein Trugschluss, dass damit Verbraucher entlastet würden:
Zum einen tragen Endkundinnen und -kunden diese Kosten sowieso. Erzeugung findet nur statt, wenn es eine zahlungsbereite Nachfrage gibt und Einspeisenetzentgelte würden die Erzeugung verteuern. Diese zusätzlichen Kosten müssten Einspeiser über höhere Preise im Großhandelsmarkt refinanzieren, die dann am Ende in Form von höheren Kosten wieder bei den Verbrauchern landen.
Zum anderen machen Einspeisenetzentgelte bei einer signifikanten Umverteilung der Netzkosten die deutsche Erzeugung im Verhältnis zur konkurrierenden Erzeugung in den verbundenen europäischen Märkten teurer, wodurch Stromimporte nach Deutschland attraktiver werden. Zudem würden sich Netzkosten, die über den Umweg der Einspeisenetzentgelte im Großhandelspreis landen, nicht mehr für eine zeitliche oder regionale, netzdienliche Betriebsweise von industriellen Verbrauchsanlagen wie derzeit mit Paragraf 19 Absatz 2 StromNEV reduzieren lassen.
Schließlich würde die Umverteilung durch Einspeisnetzentgelte insbesondere Akteure mit einem niedrigen Verbrauch in der unteren Spannungsebenen ent- und die Großverbraucher der höheren Spannunsgebenen stärker belasten. Das würde günstigen Industriestrompreisen im Wege stehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine vorschnelle Einführung von Einspeiseentgelten erhebliche Gefahren für industrielle Verbraucher und neue Erzeuger birgt. Sinnvoll wäre es, mit Blick auf eine neue Entgeltsystematik zunächst die Folgen und Wechselwirkungen dieser Maßnahme und anderer Alternativen zu analysieren. Im Idealfall findet dies im Rahmen eines vom Regulierer gesteuerten, transparenten Prozesses mit allen Netznutzern, den Verbraucherinnen, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft statt.