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Energie & Klima

Standpunkte Weichen für Waldschutz und Klimapolitik neu stellen

Jannes Stoppel, Senior Policy Advisor Climate and Biodiversity Politics bei Greenpeace
Jannes Stoppel, Senior Policy Advisor Climate and Biodiversity Politics bei Greenpeace

Forderungen an den Petersberger Klimadialog und die bevorstehende COP 30 im Amazonas stellt Jannes Stoppel von Greenpeace. Der Multilateralismus muss zur Bekämpfung der großen planetaren Krisen neu ausgerichtet werden, meint er. Das sei entscheidend für den Schutz des Amazonas und des Weltklimas.

von Jannes Stoppel

veröffentlicht am 25.03.2025

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Am vergangenen Freitag, dem Internationalen Tag der Wälder, rückten die Anstrengungen zum Schutz der Wälder und des Klimas in den Fokus. Mit Blick auf die nächste Klimakonferenz COP 30 im November im brasilianischen Amazonasgebiet sind die kommenden Monate entscheidend, um ambitionierte Maßnahmen für den Schutz von tropischen Regenwäldern vorzubereiten und den globalen Klimaschutz voranzubringen.

Der heute und morgen stattfindende Petersberger Klimadialog – ein informelles hochrangiges Treffen zur Vorbereitung der UN-Klimakonferenzen – gilt als Schlüsselmoment vor der COP 30. Bei der Konferenz muss die politische Agenda definiert werden, um substanzielle Fortschritte im Klimaschutz, in der Klimafinanzierung und im internationalen Waldschutz zu ermöglichen.

Der Amazonas ist der größte verbliebene tropische Regenwald, den wir auf der Erde noch haben. Er ist als Ökosystem von zentraler Bedeutung für das Erdsystem, reguliert das regionale und globale Klima und gilt bei weiterer Zerstörung als ein sogenannter Kipppunkt des Weltklimas. Kippen Ökosysteme wie der Amazonas weiter aus dem Gleichgewicht, werden politische Differenzen bald unser kleinstes Problem sein.

Es geht also dieses Jahr auch darum, den Multilateralismus zur Bekämpfung der großen planetaren Krisen neu auszurichten, damit die Zusammenarbeit der Regierungen effektiver und zielgerichteter zum Schutz der Lebensgrundlagen der Menschen weltweit beiträgt. Gerade in der Entstehung einer multipolareren Welt ist dies eine elementare Herausforderung. Aber es ist auch eine Chance für Länder wie Deutschland und Brasilien, eine tragende Rolle zu spielen.

Landnutzung dekarbonisieren

Zehn Jahre nach dem Klimaabkommen von Paris steht die Abgabe neuer, ehrgeizigerer nationaler Klimaziele (NDCs) an. Durch viel zu geringe Anstrengungen bei der Minderung der Emissionen aus fossilen Energien, der intensiven Landnutzung und der weiteren Zerstörung von Ökosystemen läuft die Menschheit Gefahr, die Klimakrise unaufhaltsam anzuheizen.

Es ist ein Lauf gegen die Zeit. Gefährliche 1,5 Grad sind schon fast unsere neue Realität – regional liegen viele Regionen schon weit über dieser in Paris gesetzten Erwärmungsgrenze. Die Folgen der Klimakrise werden schon jetzt in Form von Extremwetter zunehmend apokalyptisch.

Jedes Zehntel Grad Erderwärmung zählt! Die COP 30 muss daher neue Impulse setzen. Dazu gehören auch verbindliche Zusagen zur Dekarbonisierung des Landnutzungssektors, etwa durch die Reduktion der Entwaldung, die Ökologisierung der Landnutzung und die Förderung ganzheitlicher, rechtebasierter Lösungen.

Diese Aspekte sollten in einem Land wie Brasilien in den Verhandlungen eine stärkere Aufmerksamkeit erlangen und sollten sich neben nationalen Zielen im sogenannten Mitigation Work Programme niederschlagen. Es wurde bei der COP 27 ins Leben gerufen, um weltweit eine ambitionierte Emissionsminderung zu erreichen.

Wälder und Äcker nachhaltig nutzen

Denn Fortschritt bleibt Illusion, wenn nicht auch Länder wie Deutschland beweisen, dass sie ambitionierte Klimaziele auch im Landsektor ernst nehmen. Die vorige Bundesregierung hat bereits eine wichtige Chance vertan, den dringend benötigten CO2-Senkenaufbau in wertvollen Laub- und Laubmischwäldern mit einer Novellierung des Bundeswaldgesetzes voranzutreiben.

Nun muss die nächste Regierung die notwendigen Hausaufgaben nachholen. Die Umsetzung des europäischen Nature Restoration Law für die ökologische Wiederherstellung geschädigter und übernutzter Ökosysteme könnte dabei als Hebel genutzt werden. Entsprechende Regelungen müssten sicherstellen, dass zugleich Synergien für die Erreichung der natürlichen Klimaschutzziele aus Paragraf 3a des deutschen Klimaschutzgesetzes erreicht werden und die Ziele des Klimaanpassungsgesetzes garantiert werden.

Nur wenn sich ökologische und nachhaltige Wald- und Landnutzungssysteme durchsetzen, kann ein langfristiger, positiver Beitrag zum natürlichen Klimaschutz, dem Artenschutz und der ökosystembasierten Klimaanpassung zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen geschaffen werden.

Am Ende der COP 30 muss ein konkreter Aktionsplan stehen

Wie sich die deutsche Bundesregierung für die internationale Klima- und Artenschutzzusammenarbeit aufstellt, bleibt abzuwarten. Die folgenden Elemente sollten aber klar als wichtige Baustellen beachtet werden:

Die bessere Verknüpfung des Natur- und Waldschutzes mit der internationalen Klimapolitik bleibt eine der größten Herausforderungen, für die die COP 30 Lösungen finden muss. Eine Verzahnung zwischen den UN-Arten- und Klimaschutzkonventionen ist essenziell, um eine gute Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen für Natur- und Klimaschutz zu etablieren. Gemeinsame Arbeitsprogramme oder Arbeitsgruppen könnten helfen, Synergiewirkungen zu stärken.

Das deutsche Konzept des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz bietet hier ein positives Beispiel. Auch eine bessere Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Weltklima- und Weltbiodiversitätsräte wäre wichtig, um die besten Lösungen zur Bekämpfung multipler Krisen zu definieren. Hierzu gehören die Nutzungsbeschränkungen von Biomasse und eine ehrliche Neubewertung von angeblich „klimaneutralen“ Emissionen aus der Verbrennung von Wäldern.

Eine weitere zentrale Errungenschaft der COP 30 muss die Ausarbeitung eines Aktionsplanes – eines möglichen Belém oder Amazon Forest Action Plan – zur Beendigung der Waldzerstörung weltweit bis 2030 sein. Diese zentrale Entscheidung der Klimakonferenz könnte die Glasgow Leaders' Declaration von 2021 in eine verbindliche und umsetzbare Agenda für die nächsten fünf Jahre übersetzen. Klare Maßnahmen zur Reduzierung der Entwaldung bis 2030 und eine klare Stärkung der Rolle von Indigenen und lokalen Gemeinschaften wären sehr wichtige Ergebnisse der COP 30. Denn bei bisherigen Maßnahmen erleben wir derzeit eher eine Blockadehaltung.

Entwaldung endlich beenden

Handelsabkommen wie das EU-Mercosur Abkommen sind oft nicht 1,5 Grad kompatibel. Gesetze zur Garantie von entwaldungsfreien Lieferketten werden in Brüssel verwässert und verschleppt. Diese Versäumnisse dürfen auf der COP 30 nicht weiter ignoriert werden. Stattdessen könnten zum Beispiel gemeinsame Brücken zur internationalen Handelsorganisation gebaut werden, um entwaldungsfreie Lieferketten als universellen Standard zu verankern.

Es braucht verbindliche Vereinbarungen, um die Entwaldung bis 2030 für die Erreichung der Internationalen Nachhaltigkeitsziele und die Umsetzung des Kunming-Montreal Weltnaturabkommens zu stoppen. Besonders für die 140 Länder, die sich auf der Klimakonferenz 2021 verpflichtet haben, die globale Entwaldung zu beenden, gibt es dafür keine Ausreden mehr.

Waldschutzfinanzierung neu denken

Die nächste Bundesregierung muss für positive Signale auf der COP 30 ihrer internationalen Verantwortung zur Aufstockung der Klima- und Naturschutz Finanzierung dringend nachkommen. Auf der letzten Klimakonferenz wurde die Baku to Belém Roadmap ins Leben gerufen.

Nach der verfehlten Einigung auf ambitionierte Klimafinanzierungsziele soll sie eine neue Strategie schaffen, um die notwendigen 1,3 Billionen US-Dollar zu mobilisieren. In dieser Strategie sollten Finanzinstitute aufgefordert werden, den direkten Zugang zu Finanzmitteln für indigene Völker und lokale Gemeinschaften zu verbessern und gleichzeitig Bürokratiehürden abzubauen.

Ein zentraler Baustein außerhalb der UNFCCC Verhandlungen ist die sogenannte Tropical Forest Finance Facility (TFFF), ein von Brasilien vorgeschlagenes Finanzierungsmodell. Es soll Tropenwaldländer entschädigen, die ihre Entwaldungsraten minimieren. Von einem milliardenschweren Investment-Portfolio soll ein Teil der Erträge den Tropenwaldländern zugutekommen, die ihre Entwaldungsraten senken und bei nahezu null halten.

Damit dieses Modell glaubhaft funktioniert, muss sichergestellt werden, dass in den Primärwäldern, für die Geld TFFF Gelder ausgezahlt wird, nicht weiter Holz eingeschlagen werden darf. Und es sollte sichergestellt werden, dass die ausgezahlten Gelder dem Klima- und Naturschutz zugutekommen.

Das Investment-Portfolio des TFFF muss so gestaltet werden, dass ausschließlich in Wirtschaftssektoren investiert wird, die Nachhaltigkeits-, Klima- und Naturschutzziele fördern. Neben flächiger Entwaldung muss auch die schleichende Waldzerstörung durch illegalen Holzeinschlag und Goldschürfer klar adressiert werden – ebenso wie der direkte Zugang für Indigene, traditionelle und lokale Gemeinschaften zu den geplanten Finanzausschüttungen.

Hoffnung für Betroffene von Extremwetter

Nach dem erfolgreichen Abschluss der UN-Artenschutz Verhandlungen in Rom Ende Februar in der angespannten geopolitischen Weltlage braucht es weitere positive Signale für die internationale Zusammenarbeit. Der diesjährige Petersberger Klimadialog muss die Weichen für die COP 30 stellen und neue Allianzen für den Weg nach Belém zusammenbringen. Nur wenn sich die Länder mit hohen Emissionen, aber auch die Staaten mit den größten verbliebenen Waldflächen auf eine gemeinsame, ambitionierte Agenda einigen, kann die globale Klimapolitik eine echte Wende erfahren.

Zehn Jahre nach Paris braucht es Hoffnung für alle, die schon jetzt massiv unter Extremwetterereignissen und dem zunehmenden Kollaps unserer natürlichen Lebensgrundlagen leiden. Die COP 30 ist eine historische Chance, den Schutz der Wälder als Herzstück der internationalen Klimapolitik zu verankern – und endlich jene finanziellen Mittel dorthin zu lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden: In die Hände derjenigen, die seit Jahrhunderten als wahre Hüter:innen der Wälder leben.

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