Nach der Wahl ist es sehr schnell sehr ernst geworden. Alte und neue „strongmen“ nutzen unsere Energieimportabhängigkeit als Druckmittel. Ressourcen und Technologien werden strategisch eingesetzt. Deutschland sollte in dieser Lage auf seine Stärken setzen: Innovationskraft und den Effizienzgeist von Handwerk, Mittelstand und Industrie.
Doch während weiter Milliarden in fossile Energieimporte und einseitig in Investitionen in den Ausbau der Versorgungsseite fließen, wird die Modernisierung der Energienachfrageseite weiter vernachlässigt – also Industrie, Gewerbe, Handwerk und Privathaushalte, mithin der Großteil der Volkswirtschaft.
Auch bei den Sondierungen scheint das unter den Tisch gefallen zu sein. Das Ergebnispapier schaut wieder alleine auf den Ausbau der Erzeugung. Derweil verkommen Effizienztechnologien, die in Deutschland entwickelt und produziert werden, zu Ladenhütern. Die Sanierungsrate und (nicht nur Klimaschutz-) Investitionen in der Industrie sind auf einem Tiefstand.
Unsere globalen Wettbewerber können ihr Glück kaum fassen: Deutschland wird mit deren Lösungen zwar etwas grüner. Wir verlieren jedoch zunehmend an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, weil Investitionen nicht dort erfolgen, wo sie uns produktiver machen und ausgerechnet diejenigen Energielösungen vernachlässigt werden, bei denen wir unsere letzte große Technologieführerschaft haben – bei der Energieeffizienz. Dabei hat die EU-Kommission in ihrem gerade veröffentlichten „Kompass für Wettbewerbsfähigkeit“ betont: Energieeffiziente Technologien werden überwiegend in Europa hergestellt und verschaffen der europäischen Wirtschaft einen klaren Vorteil.
Der Effizienzcheck als Zukunftsstrategie
Künftige Investitionen, sei es aus Sondervermögen, Transformationsfonds oder dem regulären Haushalt, müssen künftig einem Effizienzcheck unterzogen werden. Jede Weichenstellung sollte daraufhin bewertet werden, ob sie Abhängigkeiten verringert, die Binnenkonjunktur stärkt und die Transformation der Wirtschaft vorantreibt. Das hören wir dieser Tage von vielen Seiten. Es verwundert, warum sich das kaum in den Sondierungsergebnissen spiegelt. Spätestens im Koalitionsvertrag sollte das eine Art kategorischer Imperativ werden.
Zur reinen CO2-Einsparung sind weitere gewichtige Ziele hinzugekommen. Eine Kostenexplosion bei Investitionen in eine immer verwundbarere Versorgungsinfrastruktur muss vermieden und durch kluge Energieeffizienzmaßnahmen auf das notwendige Maß gebracht werden. Weil auch künftig das Geld nicht auf Bäumen wächst, gilt es, sich die Vor- und Nachteile und die ehrlichen Systemkosten aller Optionen anzuschauen.
Effizientere Gebäude können die Spitzenlast im Winter um zig Gigawatt senken. Die Dekarbonisierung der Prozesswärme in der Industrie muss mit den effizientesten Technologien erfolgen, um den Netzausbau nicht unnötig zu belasten. Entscheidend wird auch die Nutzung der über 300 Milliarden Kilowattstunden an ungenutztem Abwärmepotenzial sein, die durch das neue Abwärmeregister identifiziert wurden. Jeder Euro Investition in die Reduzierung der Energienachfrage zahlt dabei gleichzeitig ein für eine günstigere Infrastruktur, moderatere CO2-Marktpreise, zukunftsfeste Gebäude, produktivere Fabriken und eine regionale Wertschöpfung mit Lösungen, die auch in einem Handelskrieg weitgehend „tariff-proof“ sind.
Vorsicht vor trügerischen Rufen nach Paradigmenwechseln
Die ersten Gewissheiten des Wahlkampfs sind bereits Geschichte, Schnelligkeit und Pragmatismus stehen hoch im Kurs. Die nächste Bundesregierung wäre daher gut beraten, auf verunsicherte Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger zu hören und für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen, damit die dringend nötigen privatwirtschaftlichen Investitionen möglichst zügig anspringen können.
Stop-and-Go bei der Förderung, hin und her, die Zurücknahme kürzlicher Beschlüsse – ob beim Gebäudeenergiegesetz oder Energieeffizienzgesetz, darf sich die kommende Koalition nicht mehr leisten, will sie die konjunkturelle Erholung nicht verspielen. Das gilt nicht nur für die Förderlandschaft, sondern auch für Gesetze. Nachsteuerungen sind immer möglich, aber ein Systemwechsel wäre fatal, kostet Zeit und Vertrauen. Der verlockende Ruf nach Paradigmenwechseln und Kettensäge entpuppt sich häufig als Scheinlösung mit mehr als schalem Nachgeschmack. Zwei Beispiele aus der zurückliegenden Wahlkampfphase:
Weniger Bürokratie und klimaneutrale Gebäude sind unbestrittene Ziele, doch einige Vorschläge unter diesem Label entpuppen sich als trojanische Pferde, die uns noch tiefer in Abhängigkeiten treiben. Ein Beispiel ist das Label „emissionsfreier Gebäude“. So gibt es Stimmen, die Gebäude als emissionsfrei deklarieren wollen, nur weil aus ihrem Schornstein direkt kein CO₂ entweicht. Das ist eine gefährliche Irreführung und entspricht nicht einmal den EU-rechtlichen Anforderungen an Nullemissionsgebäude. Denn wenn Effizienzmaßnahmen und Sanierungen ausbleiben, verlagern sich die Emissionen lediglich in den Energiesektor. Der Druck auf Erzeugung, Netze, Kraftwerke und Energieimporte steigt weiter. Die Mietenden und Häuslebauer zahlen die Zeche.
Entbürokratisierung – aber mit Bedacht
Niemand will überbordende Bürokratie. Da müssen wir unbestritten ran! Doch eine Deregulierung mit der Kettensäge wird uns im Wettbewerb noch weiter zurückwerfen. Weniger Standards, weniger Schutz – mehr Abhängigkeit. Gerade in der Energieeffizienz sorgen klare Standards dafür, dass Gebäude, Industrie und Energieversorgung sicher, klimafreundlich und wirtschaftlich tragfähig bleiben. Sie schaffen Wettbewerbsvorteile und treiben Innovationen voran.
Was folgt aus Wahlkampf-Ankündigungen, „Belastungen“ aus dem Energieeffizienzgesetz zurücknehmen zu wollen, genau? Weniger Berichtspflichten sind an einigen Stellen sinnvoll und machbar. Doch werden auch Energieaudits und Energiemanagementsysteme infrage gestellt, werden Unternehmen blind für Einsparpotenziale. Dabei haben genau diese Instrumente in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, die Energieproduktivität der Industrie um 16 Prozent zu steigern. Das beweist: „What gets measured, gets managed.“ Auch das bereits erwähnte Abwärmeregister ist kein bürokratischer Irrsinn, sondern ein enormer Hebel für mehr Unabhängigkeit und Klimaschutz. Wer einfach alles abschaffen will, hat nicht verstanden, was auf dem Spiel steht.
Fazit: Effizienz als Schlüssel zu mehr Unabhängigkeit
Deutschland steht an einem Scheideweg. Während führende Unternehmen hierzulande Kurzarbeit einführen oder Werke schließen, weil die Binnennachfrage ausbleibt, werden im Ausland genau die Technologien verbaut, die wir selbst entwickelt haben. Mieter, Eigenheimbesitzerinnen und Industrie werden hierzulande zu Opfern einer verfehlten Politik, die diese Zusammenhänge zu lange ignoriert hat. Der wahre Paradigmenwechsel muss „Efficiency First“ heißen – und ist EU-rechtlich ohnehin bindend. Der Energieeinsatz muss deutlich effizienter werden, damit der Bedarf wirtschaftlich und weitgehend mit heimischer Energie gedeckt werden kann. Alles andere ist Augenwischerei.
Die neue Regierung hat keine Ausreden mehr. Jetzt müssen Investitionen in Effizienz und Unabhängigkeit folgen – oder Deutschland bleibt erpressbar, abhängig und wirtschaftlich geschwächt.