Energie-Klima icon

Energie & Klima

Standpunkte Trotz KTF-Spritze gibt es für die Klima-Verhandler noch einiges zu tun

Sabine Nallinger ist Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft
Sabine Nallinger ist Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft Foto: Foto: Philip Nürnberger

Union und SPD einigen sich auf wichtige Eckpunkte beim Klimaschutz und eine Finanzspritze für den KTF, doch Sabine Nallinger vermisst einen glaubwürdigen Gesamtplan für die Umsetzung. Für Unternehmen in der Transformation ist das zu wenig, da sie für Investitionen in Zukunftstechnologien klare Zusagen brauchen, schreibt die Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft. Ihre Hoffnungen ruhen nun auf den Koalitionsverhandlungen.

von Sabine Nallinger

veröffentlicht am 17.03.2025

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Kein Kapitel für Klimaschutz, doch der Wirtschaftsteil des Sondierungspapiers ließ aufatmen. Die Klimaziele bleiben und auch beim Ausbau der Erneuerbaren, dem Wasserstoffkernnetz oder den Netzentgelten konnten sich Union und SPD auf kurze, aber dafür umso wichtigere Klimaschutzbekenntnisse einigen. Zusammen mit der 100-Milliarden-Finanzspritze für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) sind damit bereits zwei erste Schritte auf dem Weg zu einem wettbewerbsfähigen und klimaneutralen Wirtschaftsstandort getan.

Für Unternehmen, die in den vergangenen Jahren Milliarden in ihre Dekarbonisierung gesteckt haben, reicht das allein allerdings noch nicht aus. Ihre Hoffnungen auf einen ambitionierten Transformationsplan ruhen nun auf den Schultern der Arbeitsgruppe Energie und Klima, die erfreulich viel schwarz-rote Fachkompetenz aufweist.

Mehr Speicher, weniger Gas

„Wir wollen alle Potentiale der Erneuerbaren Energien nutzen“, so Union und SPD in ihrem Sondierungspapier. Ist dieser Satz ernst gemeint, gilt es künftig an den bestehenden Ausbauzielen bei Solar, Onshore-Wind und Offshore-Wind festzuhalten.

Handlungsbedarf gibt es dagegen beim Thema Back-ups. Die geforderten 20 Gigawatt für Gaskraftwerke wirken etwas überdimensioniert und könnten dem Strommarkt teuer zu stehen kommen, da sie auch bei ausbleibender Nutzung irgendwie finanziert werden müssen. Die Idee, die Kraftwerke nicht nur als Dunkelflauten-Reserve, sondern auch zur Senkung von Preisspitzen zu nutzen, wirkt angesichts der hohen Gestehungskosten bei Gas ebenfalls noch nicht ganz zu Ende gedacht.

Statt fossile Überkapazitäten aufzubauen, sollte man deshalb besser an einer ambitionierten Speicherstrategie arbeiten. Batterien werden immer günstiger und leistungsfähiger. Ihre Möglichkeiten zur Systemstabilisierung müssen deshalb voll ausgenutzt werden, wofür es mehr Tempo bei Netzanschlüssen und fehlenden Regulierungen braucht. Überdies muss die Flexibilisierung der Industriestromnachfrage stärker in den Fokus rücken, genauso wie der Umstand, dass die angedachten Gaskraftwerke stets wasserstofffähig sein sollten.

Wer bezahlt den Netzausbau?

Ohne massive Investitionen in den Ausbau der Stromnetze stößt der Hochlauf der erneuerbaren Energien schon bald an seine Grenzen. Gleiches gilt allerdings auch für die Kosten des anstehenden Ausbaus, die – umgelegt auf die Netzentgelte – schon heute ein bedrohliches Hemmnis für Investitionen und die Elektrifizierung darstellen. Die angekündigte Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten ist daher zu begrüßen, erfordert allerdings eine Antwort auf die Frage, wie die Netzausbaukosten künftig gegenfinanziert werden sollen.

Einen erneuten Zickzack-Kurs in der Strompreisdebatte, wie bei der Ampel und dem Brückenstrompreis, gilt es hier dringend zu verhindern. Gefordert ist eine langfristig abgesicherte Regelung, zum Beispiel mittels Amortisationskonto oder Eigenkapitalbeteiligung durch den Bund. Davon würden nicht nur energieintensive Unternehmen profitieren, die für den Industriestandort wichtige Vorprodukte liefern und im internationalen Vergleich schlecht dastehen. Auch die Elektrifizierung von Anlagen, Verkehr und Gebäuden würde so deutlich attraktiver, was in der Folge die Abhängigkeiten von fossilen Energieimporten senkt. Kurz gesagt: Klimaschutz, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit gehen hier Hand in Hand.

Industriepolitik: Brüssel liefert, Berlin …

Während Brüssel mit dem Clean Industrial Deal zeigt, dass der Dreiklang aus Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz auch in der Industriepolitik möglich ist, lässt Berlin noch auf sich warten. Wie geht es mit den Klimaschutzverträgen weiter? Woher kommt der Wasserstoff? Was ist der Plan bei der Kreislaufwirtschaft? Fragen, die für einen Industriestandort alles andere als nebensächlich sind. Dabei ist aus Unternehmenssicht klar, dass die von der Ampel eingeführten Klimaschutzverträge ein richtiger Schritt waren und daher unbedingt weiterentwickelt werden sollten.

Deutlich komplizierter ist die Lage dagegen beim Wasserstoff. Zwar ist die Erweiterung des Netzes im Süden und Osten zu begrüßen, doch planbare Mengen und wettbewerbsfähige Preise schafft das noch nicht. Ohne eine ambitionierte Importstrategie steht das gesamte Projekt Wasserstoffwirtschaft deshalb weiter auf der Kippe. Umso erfreulicher, dass die klimaneutralen Leitmärkte explizit genannt werden. Dass schafft Planbarkeit für die Produktion von grünem Stahl und damit auch eine Absicherung der Wasserstoffnachfrage.

Leerstellen bei Emissionshandel und Klimageld

Mit dem europäischen Emissionshandel ETS 2 vor der Brust sollte sich die künftige Koalition gut überlegen, wie sie Unternehmen und Verbraucher auf die anstehenden Mehrkosten einstellen will. Das Sondierungspapier gibt hier leider nur wenige Hinweise. Klar ist jedoch: Die Ausweitung des Emissionshandels auf Verkehr und Gebäude ist nur mit einem umfassenden Policy-Mix möglich.

Heißt: Eine Verschiebung des ETS 2 gilt es klar auszuschließen. Um dafür die Akzeptanz in der Bevölkerung zu bekommen, muss das Klimageld so schnell wie möglich umgesetzt werden. Die nötige Bezahl-Infrastruktur wurde von der Ampel bereits geschaffen.

Weiter braucht es neben der Peitsche des Emissionshandels auch das Zuckerbrot bei der Umstellung auf klimafreundliche Alternativen. Im Gebäudebereich ist dafür eine verlässliche Förderkulisse bei energetischen Sanierungen und klimafreundlichen Heizungen nötig. Eine Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes sollte im Rahmen der Umsetzung der Europäischen Gebäuderichtlinie zügig und mit dem Skalpell erfolgen – nicht mit der Kettensäge.

Mixed Signals bei der Verkehrswende

Im Verkehrsbereich würden niedrige Ladepreise beim Umstieg auf die E-Mobilität helfen, etwa mittels dynamischer Tarife und dem bidirektionalen Laden. Die Elektro-Kaufprämie dagegen birgt großes Verunsicherungspotential, weshalb ihre Einführung unbedingt an eine langfristige Finanzierung gekoppelt sein sollte – sowie einen klaren Fokus auf Einstiegsmodelle für die soziale Komponente.

Ganz und gar ein Fehler wäre dagegen die Rücknahme der Flotten-Strafzahlungen. Nicht nur würde dies all jene Hersteller bestrafen, die ihre Hausaufgaben bereits gemacht haben, sondern des würde auch zu einer Umkehr der gerade erst einsetzenden Preiseinbrüche bei E-Autos führen.

Sabine Nallinger ist Vorständin der Stiftung KlimaWirtschaft, einer CEO-Initiative für unternehmerischen Klimaschutz in Deutschland. Von 2008 bis 2020 saß sie im Münchener Stadtrat für Bündnis 90/Die Grünen, wo sie vor allem energie-, stadtentwicklungs- und verkehrspolitische Themen betreute.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen