Pfingsten ist alle Jahre wieder, insbesondere bei schönem Wetter, eine Offenbarung bezüglich der Zukunft der Stromversorgung im Sommerhalbjahr. Deutschland hatte von vormittags bis abends negative Strompreise. Dabei sind hierzulande gerade mal etwas über 70 Gigawatt (GW) Photovoltaik installiert – und somit etwa ein Drittel dessen, was der Zielsetzung der Bundesregierung zufolge 2030 – energiewirtschaftlich also übermorgen – installiert sein soll.
Angesichts der Entwicklung wird immer mehr Solarunternehmen klar, dass sie in Speicher investieren müssen, wenn sie den Strom in Zukunft nicht häufig verschenken wollen. Künftig soll es ja auch keine Marktprämie mehr in preisnegativen Stunden geben. Der Speicher wird damit zur wirtschaftlichen Absicherung. Da es in Zukunft im Sommerhalbjahr bereits vormittags und bis in den Abend hinein Stunden regelmäßig niedriger oder sogar negativer Preise geben wird, dürften sich Anlagenkonzepte wie Ost-West-Anlagen und sogar nachgeführte Anlagen kaum lohnen. Mit Speichern hingegen lässt sich die Stromeinspeisung in die Nacht verlagern.
Bereits heute bauen Hausbesitzer kaum noch PV-Anlagen ohne Speicher; inzwischen gibt es in Deutschland hunderttausende Batteriespeicher. Energiewirtschaftlich relevant wurden große Batteriespeicher in den vergangenen Jahren im Primärregelleistungsmarkt, der inzwischen fast vollständig von Batterien abgedeckt wird.
Jetzt kommen wegen des absehbaren Marktwertverfalls auch die großen Solarparks und vermutlich auch zunehmend Windparks dazu, Speicher zur Absicherung bauen. Sie werden entweder gleich geplant oder nachträglich eingebaut und skalieren gegebenenfalls im Laufe der Zeit hoch. Es wird dabei primär um Energy-Shift gehen, also die Verlagerung der Einspeisung in Zeiten höheren Bedarfs und niedrigeren EE-Angebots und damit auch höherer Marktwerte.
Technik nach vorn, Kosten runter
Da passt es sehr gut, dass sich die Batterietechnologien und die Herstellung rasant weiterentwickeln. Vor allem in China, aber auch im Rest der Welt werden die Produktionskapazitäten hochgefahren. 2025 wird mit 500 Gigawattstunden (GWh) Output im stationären (!) Bereich gerechnet. Mit den Skaleneffekten fallen dann auch die Kosten.
Aber auch die technische Entwicklung bei den Speichern ist spannend. Große Schritte bei unterschiedlichen Batterietechnologien sind zu sehen, die in starkem Wettbewerb zueinanderstehen. Neben den herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien mit hoher Energiedichte kommen deutlich günstigere Lithium-Eisen-Phosphat-Speicher (LFP) hinzu, die wiederum Konkurrenz von Natrium-Ionen-Speichern erhalten werden. Und das, um im Bild zu bleiben, nicht übermorgen, sondern morgen. Die rasante Entwicklung ist natürlich für Unternehmen sehr hilfreich, die möglichst bald in Speicher investieren wollen und aus ökonomischer Sicht auch müssen. Großes Angebot wird hier auf große Nachfrage treffen.
Das Interesse an Speichern wird parallel noch durch den Engpass bei den Netzanschlüssen gesteigert werden. Derzeit deutet vieles darauf hin, dass die Verteilnetzbetreiber nicht genügend Kapazitäten bereitstellen können, die für die vielen Gigawatt zusätzlicher Solar- und Windenergiekapazitäten notwendig wären. Speicher werden das Problem nicht ganz lösen können. In vielen Fällen dürfte es aber interessant werden, Anlagen deutlich oberhalb der zugewiesenen Netzanschlussleistung zu dimensionieren und dann den Überschussstrom einzuspeichern, statt abzuregeln. Zumal die Marktwerte zu den Erzeugungsspitzen absehbar sowieso niedrig sind.
Photovoltaik und Speicher werden zu einer Einheit
Schon in wenigen Jahren dürfte es aufgrund dieser Entwicklung kaum noch eine neuere Photovoltaikanlage geben, die keinen Speicher hat. Eine Folge ist, dass sich auch unser Bild von Solaranlagen verändern wird. Photovoltaik und Batterien sind dann als Einheit zu betrachten. So, wie heute Auto und Batterie bei der E-Mobilität eine Einheit bilden. Spätestens wenn in Deutschland die ersten PV-Großspeicher mit Kapazitäten im dreistelligen MWh-Bereich in Betrieb genommen werden, wird dem oben erwähnten Energy-Shift der Mental-Shift folgen.
Im Jahr 2023 sind wir von einer strategischen Anerkennung und Einbettung dieser neuen strategischen Realitäten leider noch sehr weit entfernt. In den Netzplanungen sind relativ wenig Speicher vorgesehen und in den Langfristszenarien des BMWK spielen sie eine unbedeutende Nebenrolle. Speicher waren früher teuer und tauchen in der Welt der Modellierer noch nicht auf, weil dort die enorme Dynamik der Entwicklungen nicht antizipiert wurde.
Die Auswirkungen werden bislang völlig vernachlässigt
Das ist bedauerlich – und hochproblematisch. Denn die Langfristszenarien sind zum Beispiel Grundlage der Diskussionen über das künftige Strommarktdesign, das gerade in der entsprechenden Plattform Klimaneutrales Stromsystem diskutiert wird. Die Entwicklung hat vielfältige Implikationen für den Netzzubau wie auch für den Residual-Kraftwerkspark. Auch die Abregelungen für Windstrom und die Volllaststunden von Elektrolyseuren, die möglicherweise auch von Speichern profitieren könnten, sind betroffen. Die Liste ließe sich fortsetzen – ein vom PV Think Tank veröffentlichtes Strategiepapier vertieft die Argumentation.
In der Regulierung findet der „Shift“ sogar noch weniger Berücksichtigung. Speicher wurden in der Vergangenheit mehr als Problem denn als Teil der Lösung betrachtet. Wer einen Großspeicher installieren will, muss dem Netzbetreiber dafür sogar Baukostenzuschüsse zahlen. Da hält so mancher Netzbetreiber gerne die Hand auf. Und die Befreiung bei Netzentgelten soll Ende 2026 auslaufen. Wer jetzt gedacht hätte, dass das eine oder andere im aktuellen EnWG-Gesetzentwurf korrigiert würde, wird enttäuscht sein.
Das dürfte kein böser Wille sein, zeigt aber, wie niedrig die Aufmerksamkeit für die künftige Rolle von Speichern im BMWK noch immer ist. Wenig spricht dafür, dass zumindest die Bundesnetzagentur einen Wechsel von der Priorisierung von Netzen hin zur Stärkung von Speichern vollziehen wird.
Da, wo man vor Jahren gezielt Speicher als Möglichkeit in Innovationsausschreibungen ermöglicht hat, ist man konzeptionell stehengeblieben. Anstatt dieses Instrument für Innovationsanreize etwa im Bereich der Systemdienstleistungserbringung zu nutzen, gibt es vielfältige Restriktionen. Leider kein schlechter Scherz: Nicht einmal der Windstrom eines benachbarten Windparks darf in eine PV-Speicher-Kombinationsanlage eingespeichert werden.
Die Wahrnehmung, dass Speicher gestärkt werden müssen, damit die Ausbauziele bei Erneuerbaren Energien erreicht werden können, scheint erst recht nicht vorhanden. Es wird stattdessen davon ausgegangen, dass die Anlagenbetreiber trotz Verfalls der Marktwerte massiv investieren werden. Man wünscht sich, dass die Modellierer und Regulierer stärker den Blickwinkel von Marktteilnehmern einnehmen könnten, die mit der sich abzeichnenden neuen Realität eines massiven PV-Stromangebots konfrontiert sind.
Natürlich liegt auf der Hand, dass auch andere Flexibilitäten und Sektorenkopplungstechnologien gestärkt werden müssen, unter anderem das Lastmanagement und flexible neue Nachfrage von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen und Elektrolyseuren.
Die Investoren in Erneuerbare-Energie-Anlagen können sich aber bei ihren Investitionsentscheidungen kaum darauf verlassen, dass die Politik und die Bundesnetzagentur dies in hohem Tempo erfolgreich hinbekommen. Für die Investoren sind Speicher damit das primäre Absicherungsinstrument gegen niedrige oder sogar negative Marktwerte. Die Erschließung weiterer Flexibilitäten und Nachfrager wird hier eine wichtige Ergänzung sein, ersetzen können diese aber Speicher keineswegs. Das Fazit lautet also: Deutschland braucht ein Speicherstrategie.
Dieser Beitrag wird von Carsten Pfeiffer und Karl-Heinz Remmers in ihrer Funktion als Mitglieder des PV Think Tank veröffentlicht. Der Zusammenschluss von Expertinnen und Experten wurde 2011 gegründet. Pfeiffer ist hauptberuflich Leiter Strategie und Politik beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE). Remmers ist Solarunternehmer, -berater und -investor.