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Standpunkte Die Infrastrukturquote als Hebel für verantwortungsvolles Investieren

Gregor Kurth
Gregor Kurth, Partner und Head of Transactions Europe bei Igneo Infrastructure Partners Foto: Igneo Infrastructure Partners

Pensionskassen, Sterbekassen und Versorgungswerke dürfen nun bis zu fünf Prozent ihres Sicherungsvermögens gezielt in Infrastrukturanlagen investieren. Gregor Kurth von Igneo Infrastructure Partners erwartet, dass die Gewichtung von Infrastruktur im Portfolio betrieblicher Vorsorgeeinrichtungen dadurch dauerhaft ansteigt.

von Gregor Kurth

veröffentlicht am 05.06.2025

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Investitionen in Verteidigung und Infrastruktur sind gerade in aller Munde. Doch auch ohne das geplante 500-Milliarden-Euro-Paket aus Berlin befindet sich der deutsche Infrastruktursektor aktuell in einer spannenden Phase. Denn mit der Einführung der fünfprozentigen Infrastrukturquote im Zuge des Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetzes wurde im Februar 2025 ein entscheidender Impuls gesetzt, der private Investitionen in Infrastrukturprojekte erheblich steigern könnte. Diese regulatorische Neuerung dürfte die Gewichtung von Infrastruktur im Portfolio betrieblicher Vorsorgeeinrichtungen dauerhaft ansteigen lassen und darüber hinaus für eine nachhaltig höhere Attraktivität der Anlageklasse sorgen.

Infrastrukturinvestitionen in Deutschland: Vom Nachzügler zum Vorreiter?

Noch vor wenigen Jahren hinkte Deutschlands Volumen privater Investitionen in Infrastruktur im europäischen Vergleich hinterher. Seit 2020 jedoch hat sich dies deutlich verändert: Der Markt verzeichnete ein starkes Wachstum, insbesondere durch Investitionen in digitale Infrastruktur, darunter Glasfasernetze, Funkmasten und Rechenzentren. Auch erneuerbare Energien standen zunehmend im Fokus, während traditionell stabile Sektoren wie Gas- und Stromnetze weiterhin hohe Investitionssummen anzogen. Im Jahr 2024 kam es jedoch zu einem spürbaren Einbruch der Investitionstätigkeit in Deutschland. Ursachen waren vor allem wirtschaftliche Unsicherheiten, gestiegene Finanzierungskosten sowie regulatorische Verzögerungen.

Allerdings gibt es auch noch ungenutzte Potenziale in Deutschland. Einige Subsektoren bleiben hierzulande bislang weitgehend unerschlossen. Dazu zählen Wasserinfrastruktur, Schienennetze sowie alternative Infrastruktur-Subsektoren wie Militär- oder Freizeitinfrastruktur. In anderen Märkten wie Italien, Frankreich und Großbritannien sind Investitionen privater Anleger in diesen Sektoren längst Realität.

Die vergangenen Jahre waren in Deutschland auch durch einzelne extrem große Infrastruktur-Deals geprägt: Im Februar 2023 übernahmen Brookfield und DigitalBridge 51 Prozent der Funkturm-Sparte der Deutschen Telekom (GD Towers) für 10,7 Milliarden Euro. Im März 2023 investierten GIP und KKR in Vantage Towers, den größten Funkmastbetreiber Europas. Zudem sicherten sich Allianz, Norges Bank und AIP im Mai 2023 Anteile am Offshore-Windpark He Dreiht, während KKR im Juli 2024 die Mehrheit am Renewables-Unternehmen Encavis übernahm. Diese Großtransaktionen unterstreichen das starke Interesse institutioneller Investoren an Kerninfrastrukturen in Deutschland, insbesondere in den Bereichen erneuerbare Energien und digitale Netzwerke.

Die Infrastrukturquote als Impulsgeber

Die Einführung der Infrastrukturquote im Rahmen des Zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz markiert einen Wendepunkt für Infrastrukturinvestitionen in Deutschland. Erstmals können institutionelle Anleger – darunter Pensionskassen, Sterbekassen und Versorgungswerke – bis zu fünf Prozent ihres Sicherungsvermögens gezielt in Infrastrukturanlagen investieren. Damit wird nicht nur dem Diversifikationspotenzial der Assetklasse Rechnung getragen, sondern der Anteil renditestarker und schwankungarmer Komponenten in der betrieblichen Altersvorsorge gestärkt.

Schließlich weisen Infrastrukturinvestitionen eine geringe Korrelation zu traditionellen Anlageklassen auf und bieten eine vergleichsweise niedrige Volatilität. Laut einer Studie, die das Forschungsinstitut Afi im Jahr 2024 im Aufrag von Igneo durchgeführt hat, erzielen Infrastrukturwerte im Durchschnitt Renditen von acht bis zwölf Prozent, während langfristige Verträge und inflationsgebundene Erträge für zusätzliche Planungssicherheit sorgen. Besonders in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten fungieren sie als wertstabile Anker im Portfolio institutioneller Investoren.

Die Infrastrukturquote beendet die frühere Praxis, Infrastrukturinvestments unter Quoten für Risikokapital, Beteiligungen oder Immobilien zu führen, die oft bereits durch andere alternative Anlagen ausgeschöpft waren. Mit dieser Entwicklung stärkt der Gesetzgeber nicht nur Infrastruktur als eigenständige Anlagekategorie, sondern reduziert auch den Konkurrenzdruck zwischen Infrastruktur und anderen alternativen Investments.

Gleichzeitig hat die Reform Auswirkungen auf die gesamte Asset-Management-Branche in Deutschland und darüber hinaus, da Fondsanbieter Anlagelösungen im Rahmen der Anlageverordnung für institutionelle Kunden entwickeln müssen und damit nun mehr Spielraum im Bereich der Infrastrukturinvestments haben. Insgesamt ist die neue Infrastrukturquote also ein wichtiger Schritt, um Kapital in essentielle Zukunftsprojekte zu lenken und wird dazu beitragen, mehr Planungssicherheit für Projektentwickler zu schaffen, was den Markt für private Infrastrukturfinanzierung nachhaltig beleben sollte.

Verantwortungsvolle Investitionen bieten Potenziale für die Zukunft

Institutionelle Investoren richten ihren Fokus dabei zunehmend auf verantwortungsvolle Infrastrukturprojekte, denn Nachhaltigkeit ist längst kein „Add-on“ mehr, sondern ein integraler Bestandteil der Performance. Verantwortungsbewusste Investitionen profitieren von regulatorischen Anreizen, günstigeren Finanzierungsbedingungen und einer steigenden Nachfrage. Besonders Offshore-Windparks, grüne Wasserstoffprojekte, Dekarbonisierungsinitiativen, moderne Wasserversorgungssysteme, emissionsarme urbane Mobilitätslösungen und digitale Infrastrukturen mit erhöhter Energieeffizienz dürften von einer höheren Allokation institutioneller Investoren profitieren.

Nachhaltige Wertschöpfung für Investoren lässt sich jedoch nicht allein durch Kapitalallokation erreichen – sie erfordert proaktives Management der Portfoliounternehmen. Institutionelle Investoren, die Infrastrukturwerte nicht nur halten, sondern auch aktiv steuern, können gezielt Einfluss auf Energieeffizienz, Ressourcenschonung und CO2-Reduktion nehmen. Dies beginnt bei der Auswahl emissionsarmer Technologien und reicht bis zur Digitalisierung von Versorgungsnetzen und vielen weiteren Stellhebeln. Besonders in langfristigen Portfolios ist diese unternehmerische Verantwortung entscheidend, um ökologische Zielsetzungen mit wirtschaftlicher Resilienz zu verbinden – und Nachhaltigkeit dauerhaft messbar zu verankern.

Über die rein ökonomischen Aspekte hinaus darf der gesellschaftliche Wert von Infrastrukturinvestitionen nicht aus dem Blick geraten. Eine moderne, resiliente Infrastruktur ist Grundvoraussetzung für funktionierende Gesundheitssysteme, Bildungseinrichtungen, Mobilitätsangebote und digitale Teilhabe. Institutionelle Investoren tragen heute mehr denn je Mitverantwortung für die Gestaltung der Zukunft. Wer heute in diesen Bereich investiert, gestaltet aktiv mit – und kann gleichzeitig von attraktiven, langfristig stabilen Renditen profitieren.

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