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Sustainable Finance

Standpunkte Mit der EU-Taxonomie die Transformation finanzieren?

Daniel Quinten, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), diesjähriger Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft (DK)
Daniel Quinten, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), diesjähriger Federführer der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) Foto: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR)

Der Wandel der EU zur Klimaneutralität ist herausfordernd und benötigt Investitionen in nie dagewesenem Umfang. Die EU-Taxonomie klassifiziert dabei nur ausgewählte „dunkelgrüne Wirtschaftstätigkeiten“ die bereits auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sind. Der größte Finanzierungsbedarf und auch der größte Hebel der Transformation wird jedoch für Unternehmen bestehen, die sich auf den Weg begeben, „grün“ zu werden, schreibt Daniel Quinten in seinem Standpunkt-Gastbeitrag.

von Daniel Quinten

veröffentlicht am 21.09.2023

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Zumindest die Zielsetzung ist klar: Bis 2050 will die Europäische Union (EU) klimaneutral werden, um die Erderwärmung zu stoppen. Die Wirtschaft muss sich dafür wandeln. Der Finanzwirtschaft kommt eine zentrale Rolle als Transformationsbegleiter zu. Bereits 2018 veröffentlichte die EU daher den Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Die zehn Maßnahmenschwerkpunkte des Plans bilden die Grundlage der Umgestaltung des Finanzsystems.

Zentrales Element des Aktionsplans ist die Einrichtung eines einheitlichen Klassifizierungssystems für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten in der EU. Wie geplant, wird diese EU-Taxonomie inzwischen in einer Vielzahl von gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt. Das ist der Fall zum Beispiel bei der aufsichtsrechtlichen Offenlegung zu ESG-Risiken und der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Mit der EU-Taxonomie wurde ein Instrument geschaffen, das ambitionierte Kriterien dafür definiert, was als ökologisch nachhaltig gilt und einen Beitrag zu den Klima- und Umweltzielen der EU leistet. Sie wird daher häufig als binär bezeichnet, da sie die Transition der Unternehmen auf dem Weg zu den ehrgeizigen Umwelt- und Klimastandards nicht mit einbezieht.

Die Idee hinter der EU-Taxonomie ist, dass sie als „gemeinsame Sprache“ für die Realwirtschaft, die Finanzwirtschaft und die Politik dienen soll. Sie soll dabei die Einordnung und Einstufung einer Investition als „grün“ beziehungsweise nachhaltig deutlich vereinfachen und den Aufwand für die Finanzwirtschaft bei der Beurteilung „grüner“ und nachhaltiger Projekte und Investitionen reduzieren.

An dieser Stelle lässt sich allerdings Goethes Faust trefflich zitieren: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, / Und grün des Lebens goldner Baum.“

EU-Taxonomie bindet zu viele Ressourcen

Das politische Ziel der EU-Taxonomie hat sich bislang nicht eingestellt. Die Vielzahl an verschiedenen Regularien, inklusive der zahlreichen begleitenden Dokumente mit einem unklaren Rechtscharakter und vielseitig möglichen Auslegungen, bindet nicht nur viele Ressourcen in Finanzinstituten und Unternehmen, sondern schafft auch nicht die erhoffte Planungs- und Rechtssicherheit. Berichterstattung und Compliance stehen dann oftmals vor der Implementierung von konkreten Zukunftsinvestitionen. Das EU-weit uneinheitliche Verständnis der überaus komplexen Vorgaben sorgt zusätzlich für fehlende Vergleichbarkeit der berichteten Zahlen und Quoten.

Eine Studie der Frankfurt School of Finance & Management, Econsense und der Universität Kassel zeigt, dass der von der Taxonomie erfasste Anteil der Wirtschaftstätigkeiten sehr begrenzt und ihre Kriterien sehr anspruchsvoll sind: der durchschnittliche Umsatz der untersuchten berichtspflichtigen Unternehmen, der als EU-taxonomiefähig bezeichnet werden kann, beträgt nur 26 Prozent (wie auch Tagesspiegel Background berichtete). Von diesen 26 Prozent sind drei Prozent auch taxonomiekonform, das heißt nur drei Prozent dieser Aktivitäten tragen entsprechend der EU-Taxonomie zu den Klimazielen bei.

EU-Taxonomie funktioniert nur zum Controlling

Die Entwicklung der Taxonomie ist ein erster wichtiger Schritt zur Förderung der Nachhaltigkeit in der EU. Aber sie ist nur ein Instrument zur Feststellung des Status-Quo bei ausgewählten Wirtschaftstätigkeiten sowie für einen eingeschränkten Kreis von Unternehmen. Die ermittelten Quoten können noch nicht einmal mit der „grünen“ Ambition des Unternehmens gleichgesetzt werden, da sie eine Vielzahl an nachhaltigen Investitionen außer Acht lassen. Die Taxonomie berücksichtigt also keine Anstrengungen und Bestrebungen der Wirtschaft, sich zu transformieren. Zugespitzt könnte man sagen: Sie ist im Moment ein Controlling-, aber kein Lenkungsinstrument. Die EU-Taxonomie trägt derzeit daher nur bedingt dazu bei, die Herausforderung der Finanzierung eines Übergangs zu bewältigen. Das ist insbesondere bei energieintensiven und emissionsreichen Unternehmen (wie Stahl, Aluminium, Chemie) mit „schwer vermeidbaren”, prozessbedingten Emissionen der Fall.

Rahmen für die Transformation notwendig

Aus Sicht der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) bedarf es keiner zusätzlichen Taxonomie für die Transformation, sondern eines prinzipienbasierten Rahmens, um dynamische Übergangsprozesse sowie Klimaschutzziele und deren Zwischenziele bewerten zu können. Anders als bei der EU-Taxonomie mit strengen technischen Kriterien sollte dabei der Raum für Flexibilität und Innovationen geöffnet werden. Ein solcher Ansatz erfordert unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Finanzinstituten, Unternehmen, der Politik und weiteren Stakeholdern. Solche Partnerschaften sollten gezielt gefördert werden, da sie Ressourcen bündeln und so gemeinsame Lösungen für eine nachhaltige Transformation entwickelt werden.

In diesem Sinne sind die kürzlich veröffentlichten Empfehlungen der EU-Kommission im Umgang mit Übergangsfinanzierung als ein erster Schritt zu begrüßen. Die EU-Taxonomie kann in diesem Rahmen als ein Instrument dienen, um aktuelle oder geplante Nachhaltigkeitsleistung abzugleichen oder beim Vorliegen messbarer Daten Ziele abzuleiten. Auch die zum Teil bereits entwickelten wissenschaftlich fundierten Dekarbonisierungspfade sind bei der Entwicklung und der Bewertung von Übergangsplänen von Unternehmen ein wichtiges Instrument. Ausschlaggebend ist jedoch, dass der Umsetzungsaufwand für Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer angemessen ist und unverhältnismäßige Mehrbelastungen vermieden werden.

Zudem braucht die Transformation der Wirtschaft Investitionssicherheit. Die Novellierung des Klimaschutzgesetzes mit dem Wegfall der Sektorvorgaben bedeutet eine erneute Verunsicherung des Marktes. Markteilnehmer benötigen planbare und langfristige Rechtsvorgaben, um ihre Investitionsentscheidungen nachhaltig zu lenken. Die Verlässlichkeit der politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen ist eine notwendige Grundlage für die Transformation der Wirtschaft.

Finanzinstitute können bei der Finanzierung dieser eine wichtige Rolle als Enabler spielen. Die engen Beziehungen zu ihren Kunden können Banken und Sparkassen helfen, das nachhaltige Entwicklungspotenzial ihrer Kunden zu erkennen und zu unterstützen sowie Übergangsrisiken einzuschätzen. Damit der Europäische Green Deal ein Erfolg wird und die Klimaziele umgesetzt werden können, ist es nun wichtig, den vorstehend skizzierten Rahmen zu setzen, damit der Markt das Tempo in Richtung Klimaneutralität erhöhen kann.

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