Aktuell ist nicht zu übersehen, dass sich in unserer Gesellschaft zwei Gruppen herausbilden: Die eine wirbt für immer mehr Maßnahmen für ein nachhaltigeren Finanzwesen, wie mehr Divestment, konsequentere Ausschlusskriterien, mehr Orientierung an dem CO2-Ziel und mehr Engagement bei privaten sowie öffentlichen Geldanlagen. Die andere Gruppe sieht keinen Nutzen in einzelnen dieser Maßnahmen oder lehnt die aktuellen Entwicklungen zu Sustainable Finance sogar gänzlich ab.
Echte Wirkung oder kontraproduktiv?
Daher stellt sich die Frage, ob nachhaltige Geldanlagen beziehungsweise nachhaltige Anlagestrategien überhaupt helfen können, unsere Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltiger zu machen, also einen echten Impact generieren können. Oder sind nachhaltige Geldanlagen sogar kontraproduktiv, weil sie nur zusätzliche Kosten produzieren und Greenwashing ermöglichen?
Was sagt die Wissenschaft? Das lässt sich beispielhaft an nachhaltigen Investmentfonds, liquiden Assets und damit verbundenen Umweltproblemen festmachen. Vieles davon ist auf andere Formen nachhaltiger Geldanlagen und andere Nachhaltigkeitsziele übertragbar.
Die wissenschaftliche Beurteilung solcher Fragestellungen erfolgt immer zweistufig: Im ersten Schritt ist prinzipiell (theoretisch) zu überlegen, ob nachhaltige Geldanlagen überhaupt eine Wirkung generieren können und von welchen Faktoren deren Stärke abhängt. Im zweiten Schritt kann untersucht werden, ob ein solcher Impact tatsächlich (empirisch) schon aufgetreten ist.
Grundsätzlich können nachhaltige Geldanlagen über drei Wirkungskanäle einen Einfluss haben. Der erste Wirkungskanal „Portfolioallokation“ steht für die bekannten Strategien Divestment (Veräußerung), Ausschlusslisten, Best-in-class-Ansätze, Positivlisten und so weiter.
Erste empirisch belegte Effekte der Portfolioallokation
Nachhaltige Finanzinvestoren wägen bei diesen Strategien – bewusst oder unbewusst – zwischen den Zielen ab, eine hohe finanzielle Performance beziehungsweise eine hohe Nachhaltigkeitsperformance zu erzielen. Auch in der Finanzpraxis heißt es immer häufiger, dass sich nachhaltige Finanzinvestoren nicht nur auf der Basis der erwarteten Rendite, dem Risiko und der Liquidität ihrer Geldanlagen entscheiden (Magisches Dreieck), sondern auch die Nachhaltigkeit der investierten Unternehmen einbeziehen (Magisches Viereck). Ein Beispiel hierfür ist das Gesetz für nachhaltige Finanzanlagen Baden-Württembergs.
Abhängig von den individuellen Präferenzen zur Nachhaltigkeitsleistung weichen die Portfolios der nachhaltigen Finanzinvestoren dann von denen klassischer Investoren ab, die ihr Portfolio ausschließlich an den finanziellen Ergebnissen ausrichten. Doch resultiert überhaupt mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft daraus, dass nachhaltige Finanzinvestoren ihre Portfolios nicht ausschließlich an der finanziellen Performance ausrichten?
In prinzipieller Hinsicht ist seit zirka zwanzig Jahren bekannt, dass dies tatsächlich dazu führen kann, dass sich infolge nachhaltiger Geldanlagen die Finanzierungskosten nachhaltiger Unternehmen gegenüber anderen Unternehmen verbessern. Das beeinflusst tendenziell Entscheidungen des Managements der Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit positiv. Wie sehr die zukünftigen Finanzierungskosten sinken und wie stark das die erwarteten Renditen der Finanzinvestoren verändert, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Aktuell ist davon auszugehen, dass diese Auswirkungen, isoliert betrachtet, zwar sehr gering sind, in Verbindung mit anderen Wirkungen aber durchaus relevant sein können. So gibt es erste empirische Anzeichen dafür, dass Divestments von Investmentfonds in Bezug auf Dekarbonisierung bereits Wirkungen in der Realwirtschaft erzielt haben.
Wirkung von Engagement wissenschaftlich noch wenig untermauert
Der zweite Wirkungskanal „Engagement“ – also aktives Aktionärstum mit Stimm- und Rederechtsnutzung sowie direkte Vorstandsdialoge – ist in prinzipieller Hinsicht leichter nachzuvollziehen: Es ist als Miteigentümer von Unternehmen grundsätzlich möglich, über sogenanntes Voting und Voicing Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen.
Aktuell liegen auch hierzu zwar nur wenige empirische Untersuchungen vor. Grundsätzlich erscheint es aber plausibel, dass über ernsthafte und nachdrückliche Engagements mehr zu erreichen ist als über Divestments. Daher nehmen international Engagement-Aktivitäten zu, insbesondere von Investoreninitiativen. Sie scheinen damit gute Erfahrungen zu machen.
Auch aus diesem Grund initiiert der Sustainable-Finance-Beirat gerade eine Engagement-Plattform. In Einzelfällen können aber auch Divestments höhere Wirkungen versprechen, zum Beispiel wenn Unternehmen nicht transformationsfähig oder transformationsbereit sind und sich daher große Investorengruppen von ihnen abwenden.
Weitere Wirkungskanäle sollten forciert werden
Unter dem dritten Wirkungskanal werden „weitere Wirkungen“ erfasst: Sie ergeben sich zum Beispiel daraus, dass über nachhaltige Investmentfonds zusätzliche nachhaltigkeitsbezogene Informationen generiert, die Reputation von Unternehmen beeinflusst und allgemein das Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Gesellschaft gestärkt wird. Auch wenn solche Wirkungen kaum quantifizierbar sein werden, sehen wir das hiermit verbundene Potential als sehr hoch an.
Zusammenfassend sind wir davon überzeugt, dass nachhaltige Geldanlagen beziehungsweise nachhaltige Anlagestrategien einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Gesellschaft leisten können, auch wenn das Wirkungspotential anderer Maßnahmen – wie im Zusammenhang mit CO2-Budgets, CO2-Preisen, CO2-Steuern und anderen ordnungspolitischen Maßnahmen – deutlich höher ist.
Call for Action: Beitrag von Geldanlagen zur Nachhaltigkeit erhöhen
Trotzdem sollten wir es uns vor dem Hintergrund der Dringlichkeit der (Umwelt-)Probleme nicht leisten, auf die Wirkungen im Zusammenhang mit Sustainable Finance zu verzichten.
Um das Wirkungspotential nachhaltiger Geldanlagen ergänzend und unterstützend zu den anderen Maßnahmen optimal zu nutzen, sollten wir uns gemeinsam – Politik, Real- und Finanzwirtschaft, Wissenschaft – so schnell wie möglich auch mit folgenden Aspekten beschäftigen: den damit verbundenen Kosten, den möglichen Wechselwirkungen mit den zuletzt genannten anderen Wirkungspfaden für nachhaltiges Investieren und letztlich der Effizienz aller möglichen Sustainable-Finance-Maßnahmen und Regulierungen.
Insgesamt sehen wir hier ein großes Potential für mehr Wirksamkeit – auch von nachhaltigen Investmentfonds und natürlich auch anderen nachhaltigen Anlagevehikeln.