Als Wissenschaftler kennt man das, eine Lösung, die sich als ungeeignet erwiesen hat, wird trotzdem wie wahnsinnig beforscht. In meinem Fach Informatik war dies einige Jahre lang die Blockchain, zu der es eine wunderbare Studie der australischen Regierung gibt, die zu dem Ergebnis kommt: „Für jede mögliche Anwendung der Blockchain gibt es eine bessere Alternative.“
Bis vor kurzem kamen teils die schwachsinnigsten Anträge auf Drittmittel durch, wenn das Buzzword Blockchain auftauchte – der Autor dieser Zeilen gibt zu, sich das selbst zunutze gemacht zu haben. Heute fliegen die Fördermittelgeber in Wirtschafts- und Forschungsministerien eher auf Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. Bei Verkehr und Umwelt gibt es einen ähnlichen Fall – wobei es hier zumindest überhaupt Anwendungsfälle gibt – den Wasserstoff.
Zahlreiche Projekte werden gefördert. So schmückt sich der Freistaat Bayern gerade damit, einen Wasserstoffzug in Schwaben zu testen und dies zu unterstützen. Auch die NOW GmbH fördert zahlreiche Projekte – NOW GmbH bedeutet auf Deutsch: Es fördert der Bund, der alleiniger Eigentümer des Unternehmens ist. Diesen Dienstag findet dessen Plattformtreffen Schiene statt. Neben generellen Wasserstoffthemen geht es um Rangierloks für Häfen und „Wasserstoff als Antrieb der Streckenreaktivierung“.
Wasserstoffzüge sind unwirtschaftlich
Gleichzeitig stöhnen die Aufgabenträger im Schienennahverkehr unter hohen Kosten sowie knappen Ressourcen und würden sich über jeden zusätzlichen Euro an Regionalisierungsmitteln freuen. Jetzt kann man natürlich mit Technologieoffenheit argumentieren und der Markt wird das schon regeln. Das hat er auch schon gemacht. Alle technologieoffenen Fahrzeugausschreibungen gingen an die deutlich effizienteren batterieelektrische Fahrzeuge. Dennoch geht die Förderung für Wasserstoffzüge im Regionalverkehr weiter.
Lediglich bei der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) und beim Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) kommen Wasserstoffzüge im Regelverkehr zum Einsatz – Akkus waren in den Ausschreibungen aber gar nicht erlaubt, obwohl insbesondere die Linie Bad Soden – Frankfurt-Höchst – Königstein förmlich nach der Kombination aus Batterie und Oberleitung schreit.
War es bei der LNVG vielleicht falsch verstandener Lokalpatriotismus um den Lokalmatador Alstom in Salzgitter – inzwischen hat man eingesehen, dass die Lösung nicht im Wasserstoff liegt, könnte es beim RMV doch an dem Wunsch gelegen haben, sich als modern und hip zu präsentieren und möglichst viel mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Letzteres ist aufgrund der Anlaufprobleme fraglos gelungen.
Geld sollte besser in mehr Oberleitungen fließen
Eigentlich regelt nur ein perfekter Markt ausreichend – sprich ein Markt ohne Subventionen und andere Steuerungseingriffe. Dass trotz massiver Förderung des Wasserstoffantriebs auf der Schiene die Batterietriebzüge unangefochten zu null führen, ist ein deutliches Zeichen. Dass trotzdem noch Forschungs- und Fördergelder in Wasserstoff im Regionalverkehr – egal ob Güter- oder Personenverkehr fließt, ist angesichts der Tatsache, dass Herr Lindner jeden Euro zweimal umdreht, nicht mehr zu vertreten.
Anstelle hier – übrigens ohne die überall sonst vorgeschriebenen Nutzen-Kosten-Untersuchungen, die wissenschaftlich ähnlich fragwürdig sein dürften, wie manches Förderprojekt – pauschal Geld hinauszuwerfen, sollte dieses gezielt investiert werden, um die notwendigen Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan und dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz umzusetzen und so weit zu ergänzen, dass der komplette Regionalverkehr elektrisch fährt – entweder nur mit Oberleitung oder in Kombination mit Batterien.
Der Fahrgastverband Pro Bahn hat nachgerechnet. In Bayern – einem Bundesland mit besonders vielen Dieselzügen im Regionalverkehr – braucht es zusätzlich zu den bereits geplanten Projekten lediglich sechs kleine bis mittlere Ausbauten.
Elektrifizierung wird ausgebremst
Teure und komplizierte Fahrzeuglösungen, wie der geplante Batterie-Oberleitung-Wasserstoff-Hybrid für die bayerischen Neigetechnikstrecken sind derzeit nur notwendig, weil sich der Bund beim Bundesverkehrswegeplan hinter Berechnungen versteckt, die den Ausbau der Schiene ausbremsen und bei deren Herangehensweise zahlreiche Beobachter vor Ort verständlicherweise von Absicht sprechen. Anstelle hier das Vorgehen grundsätzlich zu überdenken, schiebt man lieber Verkehrsprognosen vor, deren Prognosehorizont für 2030 die Schiene bereits im Jahr 2019 übertroffen hat.
Natürlich gibt es sinnvolle Anwendungen für Wasserstoff im Verkehrssektor. Seltsamerweise liegt der Fokus der politischen Förderung auf Einsatzgebieten, in denen Akkus die besseren Lösungen sind, wie Lastwagen – Pepsi fährt mit Tesla-Trucks erfolgreich quer durch die USA, Heizungen oder Industriehitze. Dagegen findet vergleichsweise wenig Arbeit an Forschung im Bereich der Luftfahrt auf Lang- und Mittelstrecke und der Schifffahrt statt – hier ist die Batterie absehbar keine Alternative. Daher ist eine nutzenorientierte Förderung dringend notwendig, sonst verpuffen die Fördermittel ähnlich wie der Wasserstoff an Bord der Hindenburg.
Für die Schiene steht fest, die Zukunft liegt in der Oberleitung, ergänzt mit Akkus. Bis zur Schließung von Elektrifizierungslücken stellen Zweikraftlokomotiven heute mit Diesel, vorübergehend zur Not auch mit E-Fuels und zukünftig mit leistungsfähigen Batterien den Güterverkehr sicher.