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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Autonomes Fahren: Von der Strategie zur Umsetzung

Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen
Martin Schmitz, Geschäftsführer Technik, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen Foto: VDV

Es ist zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung Deutschland zum Leitmarkt für autonomes Fahren machen und gemeinsam mit den Ländern Modellregionen entwickeln und mitfinanzieren will. Die Überführung der Entwicklung eines europäischen Gesamtsystems in ein sogenanntes IPCEI-Projekt könnte den Markthochlauf hierzulande ankurbeln.

von Martin Schmitz

veröffentlicht am 02.04.2025

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Im Dezember 2024 hat das Bundesverkehrsministerium (BMDV) unter dem Titel „Die Zukunft fährt autonom“ eine neue Strategie zum autonomen Fahren im Straßenverkehr veröffentlicht.
Darin hat sich die (letzte) Bundesregierung zum Ziel gesetzt, geeignete Rahmenbedingungen für Unternehmen zu schaffen, die wettbewerbsfähige Lösungen und Mobilitätsangebote für den ÖPNV entwickeln und in das öffentliche Verkehrssystem einführen wollen, um das autonome Fahren vom Testbetrieb in den Regelbetrieb zu überführen. Auch die kommende Regierungskoalition sollte sich diesen Zielen verpflichtet fühlen und die Umsetzung der Strategie vorantreiben.

Der ÖPNV als Innovationstreiber für autonomes Fahren

Sowohl die strategische Ausrichtung auf den ÖPNV als auch die in der Strategie formulierten Ziele sind richtig und zielführend. Autonomes Fahren im ÖPNV bietet die Chance für mehr Daseinsvorsorge, soziale Teilhabe, eine echte Angebotserweiterung und damit auch für mehr Klimaschutz.

Entscheidend ist, dass Deutschland noch in dieser Legislaturperiode zügig in eine skalierbare Umsetzung kommt. Umso begrüßenswerter ist es, dass sich auch die kommende Bundesregierung nach vorläufigem Stand zum Ziel gesetzt hat, Deutschland zum Leitmarkt für autonomes Fahren zu machen und gemeinsam mit den Ländern Modellregionen zu entwickeln und mitzufinanzieren. Damit kann es auch den Verkehrsunternehmen und öffentlichen Auftraggebern gelingen, den notwendigen Nachfrageimpuls für die Fahrzeug- und Zulieferindustrie zu setzen, umso die notwendigen Stückzahlen an autonomen Fahrzeugen im ÖPNV-Einsatz zu ermöglichen.

Im Strategiepapier der Bundesregierung ist das Ziel festgeschrieben, noch in diesem Jahr gemeinsam mit den Ländern die Finanzierung und Förderung autonomer Mobilitätsangebote zu erörtern. Genau dieser ambitionierte Zeitplan ist notwendig, wenn Deutschland Leitmarkt für autonomes Fahren werden soll.

Autonomes Fahren als „important project of common european interest“

Betrachtet man jedoch die aktuelle Marktsituation für die Beschaffung entsprechender Fahrzeuge, so zeigt sich, dass die innovativsten und marktfähigsten Gesamtprodukte überwiegend nicht in Europa entwickelt werden. Es gibt Stimmen, die behaupten, dass die Entwicklungen aus China, Israel und den USA unerreichbar seien. Doch nur, weil es hierzulande (noch) an skalierten kommerziellen Piloten mangelt, sollten eigene Entwicklungen nicht vorschnell abgeschrieben werden.

Europa und auch Deutschland müssen jedoch mit mehr Entschlossenheit und ausreichenden Ressourcen agieren, wenn es im Bereich des autonomen Fahrens wettbewerbsfähig bleiben will. Die Entwicklung eines europäischen autonomen Fahrsystems der Stufe 4 ist teuer und komplex.

Um das notwendige öffentliche und private Kapital zu mobilisieren, könnte die Entwicklung eines europäischen Gesamtsystems in ein sogenanntes „IPCEI“ überführt werden. Dabei handelt es sich um transnationale Großprojekte „von gemeinsamem europäischem Interesse“, die durch öffentliche Förderung einen wichtigen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft leisten.

Ein IPCEI muss einen Beitrag zu den strategischen Zielen der Europäischen Union (EU) leisten, von mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden, eine eigene Kofinanzierung durch die beteiligten Institutionen vorsehen, positive Spill-over-Effekte in der gesamten EU erzeugen und ehrgeizige Forschungs- und Innovationsziele verfolgen, das heißt deutlich über den internationalen Stand der Technik im jeweiligen Sektor hinausgehen.

Die Ausgestaltung des autonomen Fahrens als IPCEI ermöglicht es zudem, außerhalb der bestehenden Förderlogik ein europarechtlich zulässiges Beihilfeinstrument zur Förderung privater und öffentlicher Investitionen zu schaffen. Die Ausgestaltung als IPCEI könnte die notwendigen Investitionssummen schaffen, dem Binnenmarkt zugutekommen und die Transformation der Automobilindustrie unterstützen.

Wo steht der deutsche ÖPNV im Wettbewerb?

Erprobungsbetriebe und Forschungsprojekte gibt es bei den Verkehrsunternehmen schon seit Jahren. Ein wesentlicher Engpass für die Skalierung ist jedoch die derzeitige Verfügbarkeit marktfähiger Fahrzeuge. Die „ÖPNV-Branche“ hat selbst noch einige „Hausaufgaben“ zu erledigen, um einen Markthochlauf autonomer Flotten in ihren Betrieben gewährleisten zu können.

Dazu gehören unter anderem die Anpassung der Customer Journey bei der Nutzung autonomer Mobilitätsangebote sowie die betriebliche Integration autonomer Fahrzeuge und der Aufbau der technischen Überwachung und IT-Kommunikationsinfrastruktur. Der Bau von Robo-Shuttles gehört jedoch nicht dazu. In den vom Bund geförderten Projekten (zum Beispiel Kira, Alike, Ahoi, Minga) werden derzeit genau diese Grundlagen für den Einsatz fahrerloser Fahrzeuge im Mischverkehr in verschiedenen Betriebsbereichen in Deutschland geschaffen.

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