Er hatte es im Wahlkampf angekündigt: Seit der Amtseinführung arbeitet die Regierung unter US-Präsident Donald Trump daran, Klimaschutzmaßnahmen des Vorgängers Barack Obama rückgängig zu machen. Dazu gehören auch Vorgaben für höhere Kraftstoffeffizienz und weniger Emissionen bei Pkw ab 2025. Inzwischen ist die amerikanische Autoindustrie gespalten.
Die einen halten es mit den 24 Bundesstaaten und mehr als 400 Städten, die hohe Umweltstandards unterstützen. Die anderen stehen aufseiten der Trump-Regierung. Steigender Kraftstoffverbrauch und zunehmende Verschmutzung stören sie anscheinend nicht. Daimler hat bisher keine Stellung bezogen. Der Konzern steht nun vor der Frage, ob er sich auf die richtige Seite der Geschichte stellen soll oder von der Trump-Administration einschüchtern lässt.
Als Abteilungsleiterin bei der US-Umweltbehörde EPA habe ich an den Effizienzvorgaben für Pkw mitgewirkt – ein Meilenstein der US-Umweltpolitik. Die Besonderheit: Die Vorgaben wurden der Branche nicht gegen ihren Willen aufgezwungen. Vielmehr einigten sich zwölf große Autobauer, die US-Bundesregierung und der Bundesstaat Kalifornien darauf, bis 2025 die Treibhausgasemissionen von Pkw und Kleinlastwagen um 50 Prozent zu senken.
Gleichzeitig soll die Kraftstoffeffizienz verdoppelt werden. Der neue Grenzwert: 99 Gramm CO2 pro Kilometer. Diese erste in den USA auf Bundesebene eingeführte Klimaschutzmaßnahme soll über vier Milliarden Barrel Erdöl einsparen und den Verbrauchern 1,7 Billionen US-Dollar an Spritkosten ersparen.
Trump teilt Branche in zwei Lager
2018 machte die Trump-Administration Pläne publik, die Ziele für 2025 auf dem Stand von 2020 einzufrieren. Sollte dies Realität werden, könnten sich die Emissionen durch den US-amerikanischen Verkehrssektor um einen Wert erhöhen, der dem Ausstoß von 43 Kohlekraftwerken entspricht. Die Verbraucher würden an der Zapfsäule allein im Jahr 2040 55 Milliarden US-Dollar mehr bezahlen. Diese Rückwärtsrolle, die dem Wunsch einiger Autobauer nach „Flexibilität“ entspricht, geht vier Herstellern – Ford, Honda, VW und BMW – zu weit. Sie erklärten im letzten Juni, sich der kalifornischen Strategie mit schärferen Emissionsstandards anzuschließen.
Ford, Honda, VW und BMW eröffnen so auch anderen großen Autobauern die Möglichkeit, sich der Allianz anzuschließen. Doch leider schlugen sich GM, Fiat Chrysler, Toyota und weitere Hersteller, die sich zynischerweise „Coalition for Sustainable Automotive Regulation“ nennen, auf die Seite der Trump-Regierung.
Damit kommen wir zu Daimler, dem Konzern, dem die berühmte Marke Mercedes-Benz gehört. Bis jetzt macht die Daimler-Führung keine Anstalten, sich für eine Seite zu entscheiden. Doch es gibt viele gute Gründe, warum sie genau das tun und sich im Kampf gegen die Klimakrise der Allianz aus Ford, Honda, VW und BMW anschließen sollte.
Erstens wurde der Ruf der Marke Mercedes als Hersteller von leistungsstarken, hochwertigen Fahrzeugen durch den Abgasskandal schwer beschädigt. Daimler stimmte im September 2019 einem von der deutschen Staatsanwaltschaft verhängten Bußgeld von 879 Millionen Euro zu. Der Autobauer musste außerdem weltweit 700.000 Dieselfahrzeuge zurückrufen, davon 280.000 in Deutschland. Als die Einzelheiten des Skandals ans Licht kamen, musste Daimler die Gewinnerwartungen für 2019 drastisch nach unten korrigieren.
Unter dem Eindruck des Umweltskandals kommt Mercedes-Benz nun zu dem Schluss: „Die Zukunft fährt elektrisch.“ Bis 2030 soll die Hälfte der Flotte CO2-neutral werden, ab 2039 soll dies für alle Fahrzeuge gelten. Wahrscheinlich hat Mercedes-Benz – genau wie VW – kaum eine andere Wahl und die neue Strategie muss unbedingt ein Erfolg werden. Das Überleben der Marke hängt davon ab. Wie kann es sich diese herausragende deutsche Luxusmarke erlauben, beim Thema Umweltpolitik keine Stellung zu beziehen, wenn doch durch den Abgasskandal ihr Ruf gefährdet ist?
Zweitens soll das neue Elektroauto von Mercedes, der EQC, auch in den USA an den Start gehen. Auf dem riesigen US-amerikanischen Markt wird die Einführung des Modells zu einem großen Teil vom Erfolg in Kalifornien abhängen: Auf diesen Bundesstaat gehen fast 50 Prozent aller Verkäufe von Elektrofahrzeugen in den USA zurück.
Daimler sollte sich Volkswagen und BMW anschließen
Die Bundesstaatsverwaltung von Kalifornien wird für ihre Flotte ab 2020 ausschließlich Fahrzeuge von den vier Autobauern kaufen, die das Recht der kalifornischen Umweltbehörde anerkennen, eigene Emissionsstandards festzulegen. Widersetzt sich Daimler den kalifornischen Normen, könnte dies die Einführung des EQC auch im Rest der USA torpedieren. 13 weitere US-Bundesstaaten richten sich nämlich nach den strengeren kalifornischen Standards. Auch viele Verbraucher erklären, sie würden keine anderen Fahrzeuge kaufen.
Und drittens droht Trump den europäischen Autobauern mit Zöllen und weiteren Strafmaßnahmen. Doch diese Drohung hielt BMW und VW nicht davon ab, sich an die Seite von Ford und Honda zu stellen und saubere Verkehrslösungen zu unterstützen. Gleichzeitig investieren sie in die Elektrifizierung. Sind die finanziellen Auswirkungen von Zöllen auf die Lieferketten von Mercedes so viel stärker als bei BMW oder VW? Wohl kaum.
Daher steht Daimler vor einer dringenden Entscheidung. Ein Unternehmen, das sich selbst als umweltfreundlich bezeichnet, darf sich in diesem ökologischen Konflikt von historischer Dimension, der sich auf dem riesigen US-amerikanischen Automarkt abspielt, nicht aus der Verantwortung stehlen. Wenn sich Daimler tatsächlich auf eine umweltfreundlichere Zukunft ausgerichtet hat und auch bei der jungen, klimabewussten Generation eine Chance haben will, gibt es nur einen Weg: Daimler muss sich bei der Forderung nach verantwortungsvollem, zukunftsfähigem Umweltweltschutz mutig an die Seite von BMW und VW stellen.