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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Der Haken am nachhaltigen Transportboom

Ex-Vonovia-COO und Investor Klaus Freiberg
Ex-Vonovia-COO und Investor Klaus Freiberg Foto: Promo

E-Bikes sind nicht per se grün, schreiben Investor Klaus Freiberg und Gründer Christian Lenz. Sie fordern ein Konzept für gebrauchte Zweiräder mit Akku. Das mache die Zweiräder nicht nur ökologischer, sondern auch zugänglicher.

von Klaus Freiberg

veröffentlicht am 01.08.2022

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Das Auto ist nicht mehr das Verkehrsmittel der Zukunft. In den Städten wird umgebaut, auf öffentlichen Nahverkehr und auf (elektrischen) Individualverkehr, von E-Rollern über Fahrräder bis hin zu Lastenrädern. Bei diesem vielfältigen Angebot an Alternativen stellt sich die Frage, wie wir den Individualverkehr zukünftig gestalten wollen.

Eines ist sicher, E-Roller sind als Alternative zum Auto nicht geeignet. Sie ersetzen eher kurze Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, aber keine weiteren Strecken. Damit tragen sie in Städten auch nicht zur Mobilitätswende bei, sondern sind nur Ersatz für die letzten paar Meter ins Büro oder zur Party.

Für weiter entfernte Strecken bietet sich das Fahrrad an. Derzeit wird einiges getan, um den Radverkehr in Städten zu fördern. Das macht sich auch bei den Verkaufszahlen bemerkbar. 2020 wurden laut europäischem Verband der europäischen Fahrradindustrie Conebi 22 Millionen Fahrräder verkauft, davon 5 Millionen E-Bikes. Ein absoluter Rekord.

Zu wenig Beachtung für den CO2-Fußabdruck eines E-Bikes 

Der Grund für die hohe Diskrepanz zwischen E Bikes und normalen Fahrrädern sind schlichtweg die Kosten, denn im qualitativ akzeptablen Rahmen kann ein neues E- Bike schon mal 2.000 bis 5.000 Euro kosten. Die darunterliegenden Angebote sind meist nicht zu empfehlen und so wird komfortabler Individualverkehr in Städten schnell zum sozialen Problem.

Wer sich nur ein günstigeres Modell ab 500 Euro leisten kann, muss häufiger in die Werkstatt, hat weniger Reichweite und längere Ladezeiten. Außerdem gehen sie schneller kaputt und das ist weder ökonomisch für die Käufer noch gut für die Umwelt. Abgesehen davon, dass die billigeren Varianten meist außerhalb der EU produziert werden und somit nicht den Umwelt- und Arbeitsschutzstandards entsprechen, die teure Marken aufweisen. Das treibt den sowieso schon recht hohen ökologischen Fußabdruck der Akkuproduktion höher, als er sein müsste. Denn auch Fahrräder müssen irgendwie irgendwo produziert werden, ein Aspekt der viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.

Um den CO2 Fußabdruck eines E-Bikes zu verringern und auch für mehr Bevölkerungsschichten verfügbar zu machen, könnten E-Bikes wieder aufbereitet und günstiger und mit ähnlicher Qualität weiterverkauft werden. Für Autos ist der Gebrauchtwagenmarkt schon lange etabliert. Aber bis das System aufkam, sich entwickelte und klare Regelungen aufgestellt wurden, dauerte es Jahrzehnte. Das können wir uns mit der Dringlichkeit, die Energiewende zu beschleunigen, schlicht nicht leisten. Deshalb ist es wichtig, dass sowohl Industrie als auch Politik diesen Teil des stetig wachsenden E-Bike-Markts nicht vernachlässigen.

Für einen Gebraucht-E-Bike-Markt 

Neben Regulierungen, die für die Transparenz und die Verlässlichkeit des Marktes nötig sind, geht es vor allem darum, dass alle Beteiligten den Blick auf den ganzen Kreislauf im Blick haben. Die Konzeption von Fahrrädern nach dem Motto, lieber verhindern, dass repariert wird, um Neukäufe zu erzwingen, ist nicht zeitgemäß. Eine mehrfache Nutzung der Räder aktiv zu fördern, erlaubt es, das absolute Maximum aus den Ressourcen herauszuholen. Ressourcenschonung muss auch für die Verkehrswende ganz oben auf der Agenda stehen.

Das Potenzial ist riesig. Der E-Bike-Branche wird ein jährliches Wachstum von über zehn Prozent vorausgesagt. Ein Gebraucht-E-Rad-Konzept macht E-Bikes zugänglich für mehr Menschen und macht sie ökologischer, was den Markt weiter antreiben wird. Auch politische Entwicklungen, die in der Stadtplanung zu erwarten sind, werden weiteres Wachstum antreiben. Die Stiftung PeopleForBikes beschäftigt sich mit der Radinfrastruktur in verschiedenen Städten in den USA und konnte eindeutig feststellen, dass dort wo sichere Radwegenetze existieren, auch mehr Leute Rad fahren. In einer Zeit, wo immer mehr Städte und Kommunen Radwege ausbauen, ist davon auszugehen, dass mehr Menschen auf Fahrräder umsteigen werden.

Mobilitätswende ressourcenschonend umsetzen bedeutet, nicht Fahrräder grundsätzlich als grün abzustempeln. Es ist wichtig, dass wir gerade bei E-Bikes von Anfang an den Markt so gestalten, dass er Refurbishing und Recycling fördert. Für einen nachhaltigen und bequemen Verkehr für alle. 

Klaus Freiberg ist ehemaliger COO des WohnungskonzernsVonovia und Investor beim Risikokapitalfonds Proptech 1 und beim Fahrrad-Start-up Velio. Christian Lenz hat Velio gegründet. 

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