Das Auto ist nicht mehr das Verkehrsmittel der Zukunft. In den Städten wird umgebaut, auf öffentlichen Nahverkehr und auf (elektrischen) Individualverkehr, von E-Rollern über Fahrräder bis hin zu Lastenrädern. Bei diesem vielfältigen Angebot an Alternativen stellt sich die Frage, wie wir den Individualverkehr zukünftig gestalten wollen.
Eines ist sicher, E-Roller sind als
Alternative zum Auto nicht geeignet. Sie ersetzen eher kurze Fahrten mit
öffentlichen Verkehrsmitteln, aber keine weiteren Strecken. Damit tragen sie in Städten auch nicht zur
Mobilitätswende bei, sondern sind nur Ersatz für die letzten paar Meter ins
Büro oder zur Party.
Für weiter entfernte Strecken bietet sich das Fahrrad an. Derzeit wird einiges getan, um den Radverkehr in Städten zu fördern. Das macht sich auch bei den Verkaufszahlen bemerkbar. 2020 wurden laut europäischem Verband der europäischen Fahrradindustrie Conebi 22 Millionen Fahrräder verkauft, davon 5 Millionen E-Bikes. Ein absoluter Rekord.
Zu wenig Beachtung für den CO2-Fußabdruck eines E-Bikes
Der Grund für die hohe Diskrepanz zwischen E Bikes und normalen Fahrrädern sind schlichtweg die Kosten, denn im qualitativ akzeptablen Rahmen kann ein neues E- Bike schon mal 2.000 bis 5.000 Euro kosten. Die darunterliegenden Angebote sind meist nicht zu empfehlen und so wird komfortabler Individualverkehr in Städten schnell zum sozialen Problem.
Wer sich nur ein günstigeres Modell ab 500 Euro leisten kann, muss häufiger in die Werkstatt, hat weniger Reichweite und längere Ladezeiten. Außerdem gehen sie schneller kaputt und das ist weder ökonomisch für die Käufer noch gut für die Umwelt. Abgesehen davon, dass die billigeren Varianten meist außerhalb der EU produziert werden und somit nicht den Umwelt- und Arbeitsschutzstandards entsprechen, die teure Marken aufweisen. Das treibt den sowieso schon recht hohen ökologischen Fußabdruck der Akkuproduktion höher, als er sein müsste. Denn auch Fahrräder müssen irgendwie irgendwo produziert werden, ein Aspekt der viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt.
Um den CO2 Fußabdruck eines E-Bikes zu
verringern und auch für mehr Bevölkerungsschichten verfügbar zu machen, könnten
E-Bikes wieder aufbereitet und günstiger und mit ähnlicher Qualität
weiterverkauft werden. Für Autos ist der Gebrauchtwagenmarkt schon lange
etabliert. Aber bis das System aufkam, sich entwickelte und klare Regelungen
aufgestellt wurden, dauerte es Jahrzehnte. Das können wir uns mit der
Dringlichkeit, die Energiewende zu beschleunigen, schlicht nicht leisten.
Deshalb ist es wichtig, dass sowohl Industrie als auch Politik diesen Teil des
stetig wachsenden E-Bike-Markts nicht vernachlässigen.
Für einen Gebraucht-E-Bike-Markt
Neben Regulierungen, die für die Transparenz und die Verlässlichkeit des Marktes nötig sind, geht es vor allem darum, dass alle Beteiligten den Blick auf den ganzen Kreislauf im Blick haben. Die Konzeption von Fahrrädern nach dem Motto, lieber verhindern, dass repariert wird, um Neukäufe zu erzwingen, ist nicht zeitgemäß. Eine mehrfache Nutzung der Räder aktiv zu fördern, erlaubt es, das absolute Maximum aus den Ressourcen herauszuholen. Ressourcenschonung muss auch für die Verkehrswende ganz oben auf der Agenda stehen.
Das Potenzial ist riesig. Der E-Bike-Branche
wird ein jährliches Wachstum von über zehn Prozent vorausgesagt. Ein
Gebraucht-E-Rad-Konzept macht E-Bikes zugänglich für mehr Menschen und macht
sie ökologischer, was den Markt weiter antreiben wird. Auch politische
Entwicklungen, die in der Stadtplanung zu erwarten sind, werden weiteres
Wachstum antreiben. Die Stiftung PeopleForBikes beschäftigt sich mit der
Radinfrastruktur in verschiedenen Städten in den USA und konnte eindeutig
feststellen, dass dort wo sichere Radwegenetze existieren, auch mehr Leute Rad
fahren. In einer Zeit, wo immer mehr Städte und Kommunen Radwege ausbauen, ist
davon auszugehen, dass mehr Menschen auf Fahrräder umsteigen werden.
Mobilitätswende ressourcenschonend umsetzen bedeutet, nicht Fahrräder grundsätzlich als grün abzustempeln. Es ist wichtig, dass wir gerade bei E-Bikes von Anfang an den Markt so gestalten, dass er Refurbishing und Recycling fördert. Für einen nachhaltigen und bequemen Verkehr für alle.
Klaus Freiberg ist ehemaliger COO des WohnungskonzernsVonovia und
Investor beim Risikokapitalfonds Proptech 1 und beim Fahrrad-Start-up Velio. Christian Lenz hat Velio gegründet.