Die Bundesregierung will den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität voranbringen und hat das „Deutschlandnetz“ auf den Weg gebracht. Geplant ist, dass bis 2023 etwa 1100 vom Bund finanzierte Schnellladeparks entstehen sollen. Der Bundeshaushalt sieht ein Investitionsvolumen von etwa 1,9 Milliarden Euro vor. Doch es regt sich Widerstand gegen die Ausgestaltung des Projektes.
Die Förderung erfolgt im Rahmen einer Ausschreibung für Standorte im gesamten Bundesgebiet, wobei der Bund die Errichtungskosten finanziert und die Betriebskosten für eine Dauer von acht Jahren übernimmt. In den Ausschreibungsunterlagen ist vorgesehen, dass für das sogenannte Ad-hoc-Laden eine flexible Preisobergrenze gelten soll, wobei das Verkehrsministerium zu Beginn von einem Preis von 44 Cent pro Kilowattstunde ausgeht.
Gerade der letzte Punkt sorgte im Markt für Unmut und dem Vorwurf eines unnötigen Markteingriffs. Betreiber von Ladeinfrastruktur sorgen sich, dass die Preisobergrenze tatsächlich als staatliche Preisvorgabe wirkt, an die sich auch nicht geförderte Ladesäulenbetreiber halten müssen, da anderenfalls Kunden an geförderte Ladesäulen abwandern könnten.
Ähnliche Bedenken hat das Bundeskartellamt geäußert, da es keine Anzeichen für ein grundsätzliches Marktversagen beim Ausbau der Infrastruktur sieht. Zwar sei der Weg der Ausschreibung sinnvoll, um mangelnden Ausbau in der Fläche zu adressieren, aber die Preisobergrenze sei kritisch, da hierdurch funktionsfähiger Wettbewerb unterlaufen werden könne.
Verträge zu Marktbedingungen sind keine Beihilfe
Mit diesem argumentativen Rückenwind wenden sich Ladensäulenbetreiber gegen die Förderung des Deutschlandnetzes als illegale Beihilfe und haben Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht. Das europäische Recht sieht eine Überprüfung von Beihilfen – also besonderen Vorteilen – an Unternehmen vor, um zu verhindern, dass Staaten durch Bevorzugung einzelner Unternehmen in den Wettbewerb eingreifen und diesen verfälschen. Daher sind Beihilfen grundsätzlich bei der EU Kommission anzumelden.
Allerdings scheint sich die Bundesregierung auf einen möglichen Angriff durch die Wahl des Ausschreibungsmodells vorbereitet zu haben. Vereinfacht gesagt, stellen wirtschaftliche Transaktionen zwischen öffentlichen Stellen und privaten Unternehmen keine Beihilfe dar, wenn sie zu Marktbedingungen vorgenommen werden. In diesem Fall erhalten die Unternehmen keinen besonderen Vorteil, der eine Beihilfe darstellt.
Die EU Kommission selbst geht davon aus, dass Marktbedingungen im Wege eines wettbewerblichen Ausschreibungsverfahrens ermittelt werden können. Der so geschlossene Vertrag erfolgt dann zu Marktbedingungen und ist keine Beihilfe. Dies ist auch das Hauptargument der Bundesregierung, warum weder eine vorherige Anmeldung notwendig war, noch die Investitionen einer Prüfung unterliegen.
Ladensäulenbetreiber haben sich zumindest in öffentlichen Äußerungen auf einen ausreichenden Ausbau der Ladeinfrastruktur durch private Anbieter und damit funktionierende Marktkräfte berufen. Dies zielt auf ein übliches Argument für die Gewährung von Beihilfen ab – nämlich die Notwendigkeit der Beihilfe zur Beseitigung von Marktversagen.
Regierung will „weiße Flecken“ schließen
Dies hat auch die Bundesregierung bei Vorstellung des Deutschlandnetzes angeführt. Durch das Deutschlandnetz soll die Grundversorgung mit Schnellladeinfrastruktur sichergestellt und bereits vorhandene Schnellladestandorte ergänzt werden. Die Bundesregierung will „weiße Flecken“ schließen und sieht hier keinen ausreichenden Ausbau durch private Angebote.
Dies ist eine Argumentation, die in ähnlicher Form im Telekommunikationsbereich und der Förderung des Breitbandausbaus aufkam. Gemein ist diesen Infrastrukturprojekten, dass die Staaten sich aus Wettbewerbssicht auf die Ermittlung und Beseitigung von tatsächlichen Mängeln konzentrieren und anderenfalls der Marktentwicklung freien Lauf lassen sollten.
Insgesamt bleibt es fraglich, ob die EU Kommission das Deutschlandnetz tatsächlich kippen und die Beschwerde erfolgreich sein wird. Zum einen stehen die Förderung der Elektromobilität und der Ausbau der Ladeinfrastruktur ganz oben auf der politischen Agenda der EU Kommission. Konsequenterweise hat die EU Kommission in der Vergangenheit verschiedene deutsche Beihilfen im Bereich der Elektromobilität erlaubt.
Zum anderen hat die Bundesregierung mit der Ausschreibung einen Weg gewählt, der nach erstem Anschein die Probleme einer Beihilfeprüfung umschifft. Hier werden es die Beschwerdeführer schwer haben, schwerwiegende Fehler bei der Durchführung des Ausschreibungsverfahrens oder eine versteckte Gewährung von Vorteilen trotz einer wettbewerblichen Ausschreibung nachzuweisen.
Es ist ungewiss, ob die EU Kommission nach einem langjährigen Verfahren von einer Beihilfe ausgeht und von Deutschland verlangen wird, diese Beihilfen dann von den jetzigen Ausschreibungsgewinnern zurückzufordern. Insofern spricht vieles für eine Umsetzung des Deutschlandnetzes in der geplanten Form.