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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Die Ära der nachhaltigen Mobilität einläuten

Florian Herrmann, Vize-Chef des des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart
Florian Herrmann, Vize-Chef des des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart Foto: Ludmilla Parsyak © Fraunhofer IAO

Nach vier Jahren zieht Florian Herrmann, Vize-Chef des Fraunhofer-Instituts IAO, Bilanz aus dem Forschungsprojekt Eco Fleet Services mit der Stadt Heidelberg. Entstanden ist eine digitale Buchungsplattform für betriebliche Mobilität, die als Vorbild für Verwaltungen und Unternehmen dienen soll.

von Florian Herrmann

veröffentlicht am 04.10.2021

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Der Abschluss eines Forschungsprojekts stellt traditionell einen Anlass für einen Blick in die Zukunft dar. Gleichzeitig bietet er aber auch Gelegenheit zur Rekapitulation. Als wir vor vier Jahren zusammen mit unseren Partnern mit dem Projekt Eco Fleet Services gestartet sind, war unsere Welt noch eine andere.

„PCR-Tests“ und „FFP2-Masken“ waren 2017 weitgehend unbekannte Begriffe und bei Homeoffice handelte es sich um ein Arbeitsmodell, das eher eine kleine Zahl an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für sich nutzen konnte. Was jedoch vor vier Jahren schon klar war, war die Notwendigkeit für innovative Lösungen, um die das Weltklima belastenden verkehrsbedingten Schadstoffemissionen zu minimieren. Wachsende Städte, Umweltprobleme und eine Überlastung des Verkehrs – die Liste der Herausforderungen, denen sich Kommunen heute gegenübersehen, ist lang.

Dass die betriebliche Mobilität einen großen Teil des Verkehrsaufkommens ausmacht, veranschaulichen die Zulassungszahlen: Rund 65 Prozent der Pkw-Neuzulassungen in den vergangenen Jahren gingen auf gewerblich genutzte Fahrzeuge zurück. Daher bildet das betriebliche Mobilitätsmanagement ein optimales Gestaltungsfeld für innovative Konzepte. Die betriebliche Mobilität beinhaltet dabei sowohl dienstliche Wege, die während der Arbeitszeit zurückgelegt werden, als auch den Arbeitsweg, also den Weg von und zum Wohnsitz der Angestellten.

Stadtverwaltungen haben Vorbildfunktion

Im Verbundprojekt Eco Fleet Services haben wir ganz bewusst Kommunen und ihr betriebliches Mobilitätsmanagement adressiert. Der Grundgedanke: Stadtverwaltungen haben ein herausgehobenes Interesse, die Mobilität in ihrer Kommune in Richtung Nachhaltigkeit weiterzuentwickeln und nehmen hierbei eine Vorbildfunktion gegenüber Unternehmen und Institutionen ein. Bei einer Befragung von mehr als 100 Kommunen, die von der Universität Hohenheim 2018 im Rahmen von Eco Fleet Services durchgeführt wurde, zeigte sich ein großes Entwicklungspotenzial der betrieblichen Mobilität in Stadtverwaltungen.

Zum Zeitpunkt der Befragung im Jahr 2018 erfolgte lediglich bei 5,9 Prozent der befragten Kommunen die Buchung über eine digitale Mobilitätsplattform, und in nur rund einem Viertel der Stadtverwaltungen gab es eine verantwortliche Person für das betriebliche Mobilitätsmanagement. 

Eine Reihe von Handlungsfeldern wurde im Projektverlauf fokussiert und Lösungskonzepte erarbeitet. Am Anwendungszentrum KEIM des Fraunhofer IAO entwickelten wir unter der Projektleitung von Stefan Schick eine Mobilitätsplattform, welche es Kommunen und Unternehmen ermöglicht, nicht nur die eigenen Fahrzeuge zu buchen, sondern auch auf externe Mobilitätsangebote zurückzugreifen.

Reifegradmodell als Startpunkt für die Weiterentwicklung

Der Vorteil liegt auf der Hand: Betriebe können flexibler agieren und den eigenen Fuhrpark besser auf den tatsächlichen Bedarf zuschneiden. Die externen Mobilitätsdienste, wie Car- oder Bikesharing, wurden dabei über eine im Projekt entwickelte und dezentral betreibbare Open-Source-Lösung angebunden. Vergleichen lässt sich diese Software auf der einen Seite mit einem Adapter, der verschiedene Schnittstellen auf ein einheitliches Format bringt.

Auf der anderen Seite wird jeder Dienst in einem Verzeichnis – eine Art Telefonbuch für Mobilitätsdienste – gelistet. Dies ermöglicht die Auswahl des am besten passenden Mobilitätsangebots. Eine umfassende Möglichkeit zur Bewertung der eigenen betrieblichen Mobilität bietet das in Eco Fleet Services entstandene Reifegradmodell. Hiermit bietet sich für Kommunen und Unternehmen ein Startpunkt für die Weiterentwicklung der betrieblichen Mobilität: Wie sieht der Status Quo aus, wo liegen Potenziale und welche Schritte müssen erfolgen, um die eigene Mobilität wirklich nachhaltiger zu gestalten?

Buchungsplattform löst Outlookkalender ab 

Die Mobilitätsplattform und das Reifegradmodell haben wir mit der Stadt Heidelberg erprobt. Mehr als 50 Mitarbeitende der Stadtverwaltung haben über 18 Monate die Buchungsoberfläche genutzt und Fahrzeuge gebucht. Dafür wurden interne Prozesse umstrukturiert und verschlankt. Wo vor Projektbeginn noch Outlookkalender und das Sekretariat nötig waren, um die Fahrzeuge des eigenen Fuhrparks zu buchen und die Schlüssel zu erhalten, gibt es nun eine digitale Buchungsplattform inklusive automatischer Schlüsselausgabe.

Was wir aus der Testphase gelernt haben, ist in unserem Leitfaden der nachhaltigen betrieblichen Mobilität eingeflossen, der Interessierten kostenlos zur Verfügung steht. Mit diesem Leitfaden möchten wir Unternehmen, Organisationen und Kommunen bei ihrem Transformationsprozess hin zu einer nachhaltigen betrieblichen Mobilität unterstützen, denn es besteht dringender Handlungsbedarf. Wir glauben daran, dass wir die Herausforderungen gemeinsam meistern können – mit den richtigen Werkzeugen, Begeisterung und der nötigen Entschlossenheit, die Ära der nachhaltigen Mobilität einzuläuten. 

Das Fraunhofer-Institut IAO veröffentlicht am heutigen Montag die Ergebnisse des Forschungsprojekts zu nachhaltigen Mobilitätslösungen für Verwaltungen und Unternehmen (Eco Fleet Services) mit der Stadt Heidelberg. Die virtuelle Präsentation läuft von 10 bis 16.30 Uhr. 

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