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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Die Förderung des Ladesäulenausbaus ist unverzichtbar

 Kurt-Christoph von Knobelsdorff, CEO der NOW GmbH
Kurt-Christoph von Knobelsdorff, CEO der NOW GmbH Foto: NOW

Darauf zu vertrauen, dass die Kraft des Marktes für den rechtzeitigen und flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur sorgt, reicht nicht. Vielmehr handelt es sich um ein logisches und legitimes Feld staatlicher Förderung, die auch mehr Sinn ergibt als die Umweltprämie zum E-Auto-Kauf.

von Kurt-Christoph von Knobelsdorff

veröffentlicht am 23.01.2024

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1,85 Milliarden Euro hat der Haushaltsausschuss bei seiner Bereinigungssitzung vergangenen Donnerstag für „Zuschüsse zur Errichtung von Tank- und Ladeinfrastruktur“ im Wirtschaftsplan des KTF vorgesehen. Am selben Tag erschien in diesem Newsletter eine Fundamentalkritik der Hauptgeschäftsführerin des BDEW, Kerstin Andreae. Die Förderung von Ladeinfrastruktur sei „eine Verschwendung von Steuergeld“ und vollständig verzichtbar. Große Besorgnis „um den Markt“ zieht sich durch ihren Beitrag, der Staat behindere mit seinen falsch eingesetzten Subventionen dessen dynamische Entwicklung. Das gewünschte Ergebnis ergäbe sich durch Marktmechanismen von alleine.

Darum geht es

Zur Erreichung der Klimaschutzziele im Verkehr muss die Elektrifizierung insbesondere im Straßenverkehr einen bedeutenden Beitrag leisten. Dazu wird eine vollständig neue Infrastruktur benötigt, die ohne die politische Zielvorgabe des Klimaschutzes von alleine nicht entstehen würde. Der Staat kann zusätzlich zu regulatorischen Vorgaben Fördermittel einsetzen, um eine von den Bürgern gewünschte Verhaltensänderung anzureizen. Streiten kann man sich darüber, wie und in welchem Umfang er das tut.

Um den klimapolitisch gewünschten Markthochlauf der Elektromobilität anzuschieben, ist die dafür dauerhaft benötigte Ladeinfrastruktur zunächst ein logischer und legitimer Gegenstand von staatlichen Fördermaßnahmen. Ohne staatliche Unterstützung, die den privaten Investoren einen Teil des Risikos in geeigneter Weise abnimmt, wird sie nicht im nötigen Umfang und schon gar nicht rechtzeitig entstehen. Das gilt für Pkw-Ladeinfrastruktur ebenso wie die für den Lkw. Die technischen und finanziellen Herausforderungen – und damit die Zurückhaltung privater Investoren – sind bei letzterer sogar noch einmal deutlich größer.

Kerstin Andreae fordert sehr nachdrücklich, dass der Staat sich aus der Förderung von Ladeinfrastruktur vollständig heraushalten solle. Stattdessen müsse er die Anschaffung von E-Fahrzeugen wieder subventionieren, deren Ende gerade erst beschlossen wurde. Mit dieser Forderung konterkariert sie ihre scheinbar ordnungspolitisch orientierte Argumentation, die sich um den effizienten Einsatz von Steuermitteln sorgt: Über zehn Milliarden Euro wurden seit 2016 für die Subvention von Fahrzeugkäufen aufgewendet. Die angekündigten massiven Preissenkungen der Pkw-Hersteller seit dem Ende der Umweltprämie zeigen aber sehr deutlich, dass diese mittlerweile in großem Umfang eingepreist war. Warum sie hier bei einer Fortsetzung keine Steuerverschwendung befürchtet, bei der Förderung von Ladeinfrastruktur aber schon, erschließt sich nicht.

Förderung und Ausschreibung trennen

In ihrem Beitrag vermischt Kerstin Andreae die Begriffe „Förderung“ und „Ausschreibung“, die man aber auseinanderhalten muss. Über die bisherigen Förderprogramme wurden Investitionskostenzuschüsse für den Aufbau von Ladesäulen vergeben. Diese Programme hatten ihre Berechtigung, sie haben für ein Erstangebot an Ladeinfrastruktur gesorgt. Dass viele bewilligte Förderungen bislang von den Antragstellern nicht umgesetzt wurden, ist ärgerlich und beklagt der BDEW zurecht.

Von diesen „konventionellen“ Förderprogrammen zu trennen sind Ausschreibungen wie die für das Deutschlandnetz. Dieses hat der BDEW von Anfang an und wiederholt hart attackiert. Erstaunlich, denn der Ansatz dieses neuen Förderinstrumentes ist ja gerade, über Ausschreibung und Zuschlag für den wirtschaftlichsten Bieter für einen möglichst effizienten Einsatz der Steuermittel zu sorgen.

Das Deutschlandnetz soll ein flächendeckendes Initialnetz an Schnellladern für Pkw sicherstellen, die „weißen Flecken“ auf der Landkarte werden geschlossen. Und: Bei den Planungen für das Deutschlandnetz wurden die privatwirtschaftlichen Ausbauaktivitäten ausdrücklich berücksichtigt und die Ausschreibung entsprechend und stetig angepasst. Der größte Teil der benötigten Schnellladeinfrastruktur für eine immer größer werdende Flotte von BEVs – also die Skalierung des Initialnetzes – kommt erst noch. Er muss und wird, ganz im Sinne des BDEW, ohne staatliche Förderung, alleine von den privaten Akteuren zu bewältigen sein. 

Chancen für kleinere Marktakteure

Über die Ausschreibung konnten außerdem gleiche Markt- und Wettbewerbsbedingungen für möglichst viele Akteure auf dem neuen Markt für Ladestrom sichergestellt werden. Die Gewinner der Deutschlandnetz-Ausschreibungen sind verpflichtet, allen anderen Ladestromanbietern gleiche und faire Roaming-Konditionen anzubieten. Damit haben auch kleinere Akteure bessere Chancen auf ein tragfähiges Geschäftsmodell. Mit seinen fortgesetzten Angriffen auf das Deutschlandnetz unterstützt der BDEW de facto den Kampf einiger großer Player um möglichst große Marktanteile.

Der sich nach Ansicht von Kerstin Andreae „dynamisch entwickelnde Markt“ läuft so stramm auf ein Oligopol hinaus – was sicher nicht im Interesse der Kundinnen und Kunden ist. Das jedoch hat die Bundesregierung bei der Förderung vor allem im Blick. Und dieser Grundsatz gilt auch für die anstehende Ausschreibung eines initialen Lkw-Ladenetzes. Unter dem Strich sind Ausschreibungen wie die für das Deutschlandnetz die mit Abstand „marktfreundlichste“ Variante einer Förderung. Auch vor diesem Hintergrund wirkte die Kritik des BDEW daran immer völlig überzogen.

Zweierlei Maß

Wie ernst es dem BDEW mit dem effizienten Einsatz von Steuermitteln und funktionierenden Märkten tatsächlich ist, zeigt sich beim Thema Netzentgelte. Zu den in 2023 bereits geflossenen Subventionen an die Übertragungsnetzbetreiber (also Mitglieder des BDEW) von 3,5 Milliarden Euro sollten in 2024 noch einmal 5,5 Milliarden Euro dazu kommen. In Summe das Fünffache dessen, was jetzt für Tank- und Ladeinfrastruktur im KTF geplant ist. Der Zuschuss in 2024 wurde nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gestrichen, was der BDEW mit einem interessanten Spin öffentlich beklagt hat. Das die Netzentgelte nach oben treibende Engpassmanagement verursache keine echten Netz-, sondern „Transformationskosten“. Diese müssten aus dem Bundeshaushalt subventioniert werden.

Der Grund für diese Kosten ist aber, dass man sich in Deutschland eine einheitliche Strompreiszone leistet und auf regionale Preissignale und darauf basierende, effizient steuernde Marktreaktionen bewusst verzichtet. Der BDEW leitet in diesem Fall aber eben nicht die Forderung nach „mehr Markt“ und einem entsprechenden Strommarkt-Design ab, sondern fordert stattdessen sogar die Ausdehnung der Subventionen auf die Verteilnetzbetreiber (auch Mitglieder des BDEW). Vornehm formuliert: Die Liebe des BDEW zur Ordnungspolitik erblüht offenbar recht selektiv

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