Verkehr-Smart-Mobility icon

Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Einfache Lösungen? Nicht in Deutschland

Elena Laidler-Zettelmeyer, Leiterin strategische Kooperationen bei Zukunft Fahrrad
Elena Laidler-Zettelmeyer, Leiterin strategische Kooperationen bei Zukunft Fahrrad Foto: Zukunft Fahrrad

Was sind das für politische Zustände, wenn selbst minimalinvasive Lösungen direkt im Keim erstickt werden? Anstatt das Thema Mobilitätsbudget pragmatisch anzugehen und die Umsetzung zu ermöglichen, hat die Koalition es kurzerhand aus dem Entwurf zum Jahressteuergesetz 2024 gestrichen. Eine vertane Chance.

von Elena Laidler-Zettelmeyer

veröffentlicht am 17.10.2024

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Wenn das Mobilitätsbudget wie vorgesehen verabschiedet worden wäre, hätte es für alle Arbeitnehmenden das Mobilitätsangebot erweitern können. Es wären emissionsarme Ergänzungen für Pendel- und Privatwege geschaffen worden. Im ländlichen Raum hätte es Finanzierungsmöglichkeiten für zusätzliche attraktive Angebote eröffnet und Mobilitätslücken schließen können. Arbeitgebende aus allen Branchen hätten damit die Möglichkeit erhalten, attraktive Mobilitätslösungen für ihre Mitarbeitenden anzubieten und vereinfacht steuerlich abzubilden.

Das Bündnis nachhaltige Mobilitätswirtschaft von Allianz pro Schiene, Bundesverband Carsharing, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und Zukunft Fahrrad hat gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) quer durch alle Interessengruppen an einem tragfähigen, möglichst unbürokratischen Konzept mitgearbeitet und dafür geworben. Das Projekt wurde nun erstmal maximal ausgebremst.

Einerseits hieß es seitens der Kritiker, dass Stadt- und Landbewohnende nicht gleichermaßen von einem Mobilitätsbudget profitieren würden. Das ist eine schwache Ausrede all jener, die seit drei Jahren keine Fortschritte beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs im ländlichen Raum erzielt haben – obwohl der Koalitionsvertrag mit dem Ausbau- und Modernisierungspakt eigentlich ein passendes Werkzeug dafür bietet. Das vermeintliche Gegeneinander von Stadt und Land ist eh ein durchschaubares Manöver vom Fehlen echter Argumente und Visionen abzulenken.

Unternehmen bevorzugen Pauschalversteuerung

Anderen fehlt die Förderung „wirklich emissionsfreier Mobilität“, auch sei die geplante Regelung „zu komplex“. Dabei ist das Mobilitätsbudget doch nichts anderes als ein Anreiz, auf nachhaltige Mobilitätsformen umzusteigen – ein alternatives Angebot, das neue Mobilitätsangebote stärkt, so dass zum Beispiel auch Angebote des On-Demand-Verkehrs wirtschaftlich eine größere Chance haben.

Die steuerliche Vereinfachung des Mobilitätsbudgets hätte viele Menschen profitieren lassen: nämlich diejenigen, die kein eigenes Auto haben, die neben dem Auto andere Mobilitätsdienstleistungen nutzen, die keinen Dienstwagen wollen (Stadtbewohner!) oder bei denen es gar keinen Dienstwagen gibt. Es wäre eine zusätzliche Möglichkeit gewesen, niedrigschwellig nachhaltige Mobilitätsangebote für mehr Menschen attraktiv zu machen.

Unternehmen fordern schon lange eine vereinfachte Anwendung von Mobilitätsbudgets: Für viele Arbeitgebende wäre die Pauschalversteuerung eine willkommene Lösung gewesen: für große Unternehmen, die ihren Angestellten ein attraktives und flexibles Angebot jenseits des Dienstwagens bieten möchten. Für kleine und mittlere Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden auch ohne Dienstwagen etwas anbieten möchten.

So gewinnt man heute Fachkräfte und bindet Mitarbeitende ans Unternehmen. Gleichzeitig können Unternehmen mit einem solchen Angebot aktiv zur nachhaltigen Entwicklung beitragen und ihren Nachhaltigkeitsberichtspflichten nachkommen. Die übrigens verschärft werden, das heißt die Unternehmen stehen hier unter Druck: Die Politik hat ihnen mit dem Streichen des Mobilitätsbudgets wirklich einen Bärendienst erwiesen.

Stellvertretend für die deutsche Industrie hat sich der BDI in den letzten Jahren sehr engagiert für das Mobilitätsbudget starkgemacht. Uta Maria Pfeiffer, Abteilungsleiterin für Mobilität und Logistik beim BDI kommentierte anlässlich der Streichung aus dem Jahressteuergesetz: „Hier zeigt sich wieder einmal die politische Verzagtheit. Noch nicht einmal eine so niedrigschwellige Maßnahme schafft es in die politische Umsetzung. Wir brauchen dringend mehr Tempo.“

Kein Schritt nach vorne

Gescheitert ist die Umsetzung auch an Umweltverbänden, die fordern, dass das Mobilitätsbudget nur in Verbindung mit der kompletten Abschaffung der Dienstwagenregelung eingeführt werden sollte. Aber so wird nichts gewonnen und nur der Status quo zementiert. Ein steuerrechtlich vernünftig verankertes Mobilitätsbudget wäre ein kluger erster Schritt gewesen. Im nächsten hätte nachgebessert und ergänzt werden können.

Und nun? Bleibt alles beim Alten. Für alle, die sich seit Jahren mit dem Mobilitätsbudget beschäftigen und dafür eintreten, ist nicht nachvollziehbar, mit welchem Eifer diese Maßnahme nun zerredet wurde. Das Mobilitätsbudget sollte nie, und wird es nie können, alle Probleme in der betrieblichen Mobilität auf dem Weg zu einem klimaverträglichen Verkehrssystem lösen. Es wäre nur ein Baustein für mehr Nachhaltigkeit, mehr Wahlfreiheit und weniger Bürokratie gewesen.

In der aktuellen politischen Situation kann offenbar nicht einmal ein solch vermeintlich kleiner Schritt Richtung Zukunft gegangen werden. Es gönnt keiner keinem etwas, und wenn man nicht gleich den großen Sprung schafft, dann macht man lieber gar keinen Schritt nach vorne. So wird Zukunft nicht gemacht.

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen