Wie wollen wir in diesem Jahrzehnt im Supermarkt bezahlen? An der Kasse einen QR-Code scannen, dann den aktuellen Supermarkt auswählen, dann anklicken, dass wir als Gast weitermachen wollen, dann unseren Einkauf bestätigen, dann die Bezahlmethode wie Paypal oder Kredit- beziehungsweise Debitkarte anklicken und dann auf gutes Internet im Gebäude hoffen? Oder die Bankkarte beziehungsweise das Smartphone nutzen und Pin oder Fingerabdruck eingeben? Fünf von der Internetverbindung abhängige Schritte oder zwei Schritte und das Internet spielt keine Rolle?
Aktuell verläuft die hitzige Debatte um den neuen Paragrafen 4 in der Ladesäulenverordnung (LSV) so, als wäre die Fünf-Schritte-Lösung kundenfreundlicher als die Zwei-Schritte-Lösung und müsse unbedingt wieder in die Verordnung aufgenommen werden. Dabei könnte Deutschland mit der LSV in ihrer aktuellen notifizierten Form wegweisend sein: Für moderne Bezahlmöglichkeiten in ganz Europa, wo im Juni die Neuregelung der Alternative-Fuels-Infrastructure-Richtlinie (AFID) ansteht. Warum die Aufregung?
Eigentlich geht es nur um bis zu zehn Prozent der öffentlich zugänglichen Ladevorgänge: Aus Kundensicht ist das kontaktlose Bezahlen mit App und Vertrag weit mehr gefragt als das Ad-hoc-Bezahlen des Ladevorgangs mit Kredit- oder Debitkarte – diese Direktbezahl-Möglichkeit liegt bei weniger als zehn Prozent der Ladevorgänge. Dies ergeben Backend-Auswertungen sowohl von ChargePoint in den USA und Großbritannien, als auch von großen anderen Betreibern etwa von Schnellladenetzen und Backends in Deutschland.
Und es scheint, als sollten diese Ad-hoc-Ladevorgänge auch nicht attraktiver werden als die genannte umständliche QR-Code-Lösung. Umso eher laden sich Kunden die App eines E-Mobilitätsanbieters herunter oder bleiben bei der RFID-Karte des Anbieters, so die Hoffnung. Aber sollte nicht das bessere Angebot im Markt gewinnen? Wenn das die Kredit- oder Debitkartenzahlung ist, dann muss eine App (oder die RFID-Karte) einen Mehrwert bieten, der der Kartenzahlung überlegen ist. Das tut sie zum Beispiel bei Firmenwagen, wo sie die Tankkarte für Verbrenner ersetzt. Eine private Bankkarte kann das nicht. Oder wenn sie im Navigationssystem, mit dem sie synchronisiert ist, direkt die Preise in Echtzeit an Ladesäulen anzeigt. Auch das kann eine Bankkarte nicht.
Wenn nur Kredit- und Debitkarte verpflichtend an AC- und DC-Säulen angeboten werden und Web-basiertes Zahlen optional ist – wie es die LSV aktuell vorsieht – dann müssen Voraussetzungen geschaffen werden, damit dies eichrechtskonform und kontaktlos erfolgen kann. Und dafür ist bis zur Einführungspflicht in 2023 noch ausreichend Zeit.
Weder Eichrecht noch PIN-Pad sind Showstopper:
- Ersteres
– das sogenannte eichrechtskonforme „secure receipt“ beim Kartenzahlen – ist in
der Entwicklung mit den Konformitätsbewertungsstellen. Einige Banken und
Kreditkarten-Anbieter erstellen bereits transparent aufgeschlüsselte
Rechnungen, wo der Fahrer zusätzlich zu seinem Ladevorgang auch einen Link
findet, um die Daten nochmals zu überprüfen. Am Eichrecht wird das Ad-hoc-Bezahlen
nicht scheitern.
- Letzteres – das kontaktlose Bezahlen mit Karte ohne PIN-Eingabe selbst bei Beträgen über 50 Euro – wäre analog zu Parkuhren oder U-Bahnen möglich, wo dank der Ausnahme von einer EU-Richtlinie (Payment Service Directive 2 PSD2) keine Tastatur für einen PIN benötigt wird. Denn: Bei direkten Kartenzahlungen dürfte es absehbar keine anderen Authentifizierungsverfahren als PIN geben, eine Ausnahme wäre die Lösung. Für Kartenzahlungen mit digitalen Brieftaschen, auf die die Kreditkarte geladen ist, wird jedoch bereits heute keine PIN zur Authentifizierung des Karteninhabers verwendet, sondern andere Faktoren wie Biometrie, In-App-Lösungen usw. Bei diesen Zahlungen reagiert der NFC-Reader auch auf die Kreditkarte im Handy, denn das Smartphone ist nur eine andere Form der Kreditkarte. Zudem ist es beim Nutzen der digitalen Brieftasche nicht notwendig, dass der Fahrer das Display der Ladestation oder die Tastatur berührt. Die Kredit- oder Debitkarte im Smartphone als „Formfaktor“ benötigt dann am NFC-Terminal kein PIN-Pad. Der Verzicht auf das Berühren des Displays wird auch in Pandemie-Zeiten von Kunden begrüßt.
Einige Missverständnisse in der hitzigen Debatte:
- Niemand
muss künftig ein physisches Terminal einbauen mit Tastatur und Schlitz – diese
sind mit etwa 300 Euro für Hardware und genauso viel jährlich für Betrieb und
Wartung teuer und haben zudem eine Ausfallrate von zwei bis drei Prozent. An
Tankstellen und Verkaufsautomaten sind sie das Gerät mit der höchsten
Ausfallrate: Schmutz, Staub, Salz dringen ein – und in der Regel
haben Ladesäulen keine Überdachung. Zur Reinigung wird eine mit Alkohol
getränkte Plastikkarte verwendet – mühsam. Ein Grund, warum nun auch
Automatenhersteller, Bäckereien und Busunternehmen in großem Stil auf NFC
übergehen.
- Ein
NFC-Terminal ohne PIN-Pad, dessen Reader auch gleichzeitig RFID-Karten lesen
kann, kostet aktuell wenige Hundert Euro. Jedoch ist die Fertigung von
Ladesäulen mit diesen Readern bisher noch kein Massenmarkt. Hier sind sowohl Preissenkungen
zu erwarten als auch Lösungen mit einem Reader für mehrere Ladepunkte. Daher
haben einige Hersteller von Ladestationen diese Produkte längst im Angebot –
und sind in der Argumentationsschlacht der Verbände eher zurückhaltend. Zudem ist auch eine
WebApp nicht umsonst zu haben, sie muss programmiert und gehostet und weiter
entwickelt werden.
- Natürlich könnte die LSV auch wieder um die WebApp als Option erweitert werden – aber dann werden die Betreiber von Ladeinfrastruktur und die Hersteller und E-Mobility-Service-Provider wieder in Sippenhaft genommen, wenn diese umständliche Bezahlfunktion an einer Säule die Einzige ist und Nutzer-Foren über das Bezahlen wie im 20. Jahrhundert schimpfen. Zu Recht.