Im Fokus der IAA Mobility 2023 stehen wieder Neuheiten aus den Bereichen Batterieantriebe, Fahrautomatisierung und Infotainment. Ganz besonders im Rampenlicht befinden sich in diesem Jahr aber die Herausforderer westlicher Autobauer aus der Volksrepublik China. Deren Präsenz darf mit besonderer Spannung erwartet werden.
Wurden chinesische Spieler in der Vergangenheit oft eher als kuriose Exoten betrachtet, welche bei Design, technischen Eigenschaften und Verarbeitung zumeist eher als plumpe Kopien westlicher Hersteller galten, so werden sie inzwischen nicht mehr nur unter Fachleuten als echte Herausforderer gehandelt.
Hersteller wie Xpeng, Nio oder BYD gehören in puncto Elektrifizierung und Vernetzung längst zu den Schrittmachern im internationalen Rennen um die Mobilität von morgen. Das Event in München ist eine dankbare Gelegenheit, das eigene Können auch westlichen Käufern näherzubringen. Mit dem Wohlwollen der Regierung in Beijing haben sich zahlreiche kompetitive Hersteller in der Volksrepublik entwickelt. Schon heute ächzen westliche Spieler über die Marktmacht der chinesischen Konkurrenten im vollelektrischen Segment im größten Fahrzeugmarkt der Welt.
Deflation in China treibt die Expansion
Zunehmend schwierig wird allerdings die ökonomische Lage in der Volksrepublik, deutlich gestiegene Sparquoten bedrohen die Absatzzahlen – auch deflationäre Tendenzen bereiten Sorgen: Chinas Käufer erhalten derzeit tendenziell mehr Auto für ihr Geld, während der Trend im Westen genau gegenteilig ausfällt.
Gerade diese Melange führt derzeit dazu, dass verschiedene Spieler aus China verstärkt auf eine internationale Expansion setzen. Dabei soll auch der deutsche Markt ein wichtiges Puzzleteil darstellen. Die IAA kommt hier als Schaufenster überaus gelegen, stärker denn je suchen chinesische Spieler die (mediale) Aufmerksamkeit.
Ohne Zweifel bringen die Branchengrößen aus China ein Portfolio spannender Modelle mit nach München, welches gerade auch für hiesige Käufer, die mit der Anschaffung eines E-Fahrzeugs liebäugeln, von Interesse sein dürfte. In puncto Design, technischer Ausstattung und Vernetzung werden die neuen Modelle der Marke „made in China“ wohl mit einem neuen, frischeren Anstrich aufwarten können.
Während Chinas Autobauer im Heimatmarkt inzwischen dominieren, muss es ihnen in Deutschland jedoch gelingen, ihre Marken emotional aufzuladen. Dass dies nicht gänzlich undenkbar ist, zeigen die Verkaufszahlen der Marke Tesla. Dem Newcomer ist es gelungen, eine spezielle öffentliche Wahrnehmung zu erzeugen. Bis heute genießen die Produkte einen extrem innovativen Nimbus.
Vertrieb und Service müssen aufgebaut werden
Es wird spannend sein zu beobachten, ob chinesische Spieler – in Zeiten geopolitischer Vorbehalte – einen ähnlichen Effekt erzielen können. Ein besonderes Augenmerk wird hierbei sicherlich auf der günstigen Einstiegsmoblilität liegen, bei der Chinas Player mit ihrem Batterie-Know-how besonders starke Kompetenzen mitbringen.
Neben der emotionalen Aufladung der eigenen Marke müssen aber auch Hürden auf dem Weg zum Erfolg in Europa genommen werden. Es gilt, den Anforderungen und Ideen westlicher Käufer gerecht zu werden, die diese mit ihrer Automarke verbinden. So müssen die chinesischen Unternehmen jetzt auch einen lokalen Vertrieb und Service aufbauen, um die europäischen Kunden zu überzeugen. Denn es darf bezweifelt werden, dass die Kundschaft bereit ist, in diesen Punkten Abstriche gegenüber ihren Stammmarken hinzunehmen.
Für westliche Wettbewerber könnte die kommende Messe ein wichtiger Warnschuss werden. Chinas Autobauer werden quasi im eigenen Hinterhof ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis stellen. Europas Autobauer werden ihre elektrischen Angebote weiter ausbauen müssen. Offene Flanken – etwa im Bereich günstiger elektrischer Kleinwagen – gilt es schnellstmöglich zu schließen, um das Interesse europäischer Kunden an Chinas Newcomern nicht zu groß werden zu lassen.