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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Schenker-Verkaufserlös zum Schließen der Finanzierungslücke

Neele Wesseln, stellvertretende Geschäftsführerin bei Die Güterbahnen
Neele Wesseln, stellvertretende Geschäftsführerin bei Die Güterbahnen Foto: Netzwerk Europäischer Eisenbahnen

Die FDP besteht auf der Einhaltung der Schuldenbremse. Doch in das vernachlässigte Schienennetz muss die Ampel investieren. Als Lösung bieten sich die Schenker-Milliarden an.

von Neele Wesseln

veröffentlicht am 29.06.2023

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Noch ist nicht klar, wie viel der Verkauf der Logistiktochter Schenker der Deutsche Bahn AG einbringen wird, aber er könnte Teil der Lösung bei der Haushaltsaufstellung werden. Der Verkehrsetat soll 2024, so meldete es der „Spiegel“, wegen Zuwächsen bei Investitionen ins Schienennetz um 3,9 Milliarden Euro wachsen. Klingt zunächst gut.

Doch die bekanntgewordene Zahl ist selbst unter der Annahme, dass sie komplett in die Schieneninfrastruktur ginge, keine erfreuliche Nachricht. Denn 45 Milliarden Euro binnen vier Jahren wären im Schnitt gut elf Milliarden Euro pro Jahr. Diese Summe hatte der Koalitionsausschuss – mit einem allgemeinen Vorbehalt der Finanzierbarkeit – für die Bahnsanierung zugesagt. Zwei Drittel weniger passen nicht zu den Schwüren, jetzt endlich mit der Vergangenheit zu brechen und Sanierung und Ausbau der Schiene zur Chefsache zu machen.

Was passiert mit dem Geld aus der Lkw-Maut?

Die Güterbahnen messen die Ampel-Regierung darüber hinaus an dem Versprechen, die zusätzlichen Einnahmen aus der künftigen CO2-Komponente der Lkw-Maut von jährlich annähernd sieben Milliarden Euro weitgehend in die Schieneninfrastruktur zu stecken. Doch die nach außen gedrungenen Berichte aus den laufenden Haushaltsberatungen lassen die Transportbranche zweifeln, ob die zusätzlichen Milliarden für den Bundeshaushalt 2024 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2027 wirklich im entsprechenden Einzelplan 12 ankommen werden.

Fakt ist: Wenn die Einnahmen nicht vollständig erhöhend wirken, widerspricht die Ampel ihren eigenen Zielen aus dem Koalitionsvertrag, „die Mehreinnahmen für Mobilität“ einzusetzen. Die Güterbahnen halten es überdies für konsequent, die zusätzlichen Mittel ausschließlich für die Schiene und dabei mit eindeutigem Nutzen für den Güterverkehr aufzuwenden.

Die Inflation verringert real die Bundeszuschüsse

Eine weitere Lücke: Der jährliche Bundeszuschuss für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) beträgt aktuell 4,64 Milliarden Euro. Nach den Infrastrukturzustands- und -entwicklungsberichten für 2022 und 2021 gab die DB bei den Infrastrukturen jeweils rund acht Milliarden Euro für Ersatzinvestitionen aus. Die Baukostensteigerungen liegen gegenüber 2019 schätzungsweise im Bereich von 20 Prozent.

Es darf in Folge nicht passieren, dass Kapazitätszuwachs gegen die Bestandsnetzsanierung ausgespielt wird – das Schienennetz braucht beides. Und noch gar nicht betrachtet sind die Finanzbedarfe für zusätzliche kleine und mittlere Maßnahmen, Elektrifizierungsmaßnahmen, ETCS und Serviceeinrichtungen.

Schenker-Geld löst das Problem

Die Lösung, den Verkaufserlös aus der DB Schenker AG investiv einzusetzen, wirkt auf den ersten Blick vielleicht wie eine Milchmädchenrechnung: Zuletzt schwebte zum Thema Schenker-Verkauf ein Betrag von rund 20 Milliarden Euro durch den Raum. Und durch die Ausweitung der Lkw-Maut und ihre Ergänzung durch einen CO2-Aufschlag ließen sich bereits 23 der 45 zusätzlichen Milliarden finanzieren. Die Causa Schenker würde die Haushaltslücke bis 2027 füllen.

Spielräume für die Jahre danach sind ebenfalls da: Die Bemautung des gesamten Straßennetzes und der Abbau kontraproduktiver Subventionen erlauben eine Finanzierung der Schieneninfrastruktur unter Einhaltung der Schuldenbremse und ohne Steuererhöhungen – wenngleich ein Ausschluss letzterer nicht im Koalitionsvertrag steht. Die entsprechende Forderung aus dem FDP-Wahlprogramm scheint mittlerweile Regierungsprogramm zu sein.

Auszahlung über den Schienenfonds

Doch was, wenn der Verkaufserlös erst später kommt? Was, wenn das Geld nicht im Einnahmejahr ausgegeben werden kann? Der erzielte Erlös ist daher als Grundstock in einen Schieneninfrastrukturfonds einzubringen, um langfristige Investitionssicherheit für alle Akteure zu gewährleisten – auch über 2027 hinaus.

Der Bund steht am Scheideweg und muss sich entscheiden, wohin er geht: Hält er Wort und investiert verstärkt in die Schieneninfrastruktur oder bricht er seine bereits gemachten Versprechen? Jetzt gilt es, die Realität zu verändern.

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