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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte So wird die Herkunft des Ladestroms transparent

Johanna Bronisch, Innovation Technologist beim Digital Hub Mobility
Johanna Bronisch, Innovation Technologist beim Digital Hub Mobility Foto: promo

Der geladene Strommix hat den größten Einfluss auf die CO2-Bilanz eines Elektroautos in der Nutzung. Allerdings lässt sich in Deutschland nur selten nachweisen, welcher Strom gerade geladen wird. Für einen einfachen Nachweis gibt es technische Lösungen, nun muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen.

von Johanna Bronisch

veröffentlicht am 08.11.2022

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13 Uhr, die Sonne steht im Zenit. Die Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) auf dem Hausdach produziert jetzt am meisten Strom – und leitet ihn direkt weiter in die Tiefgarage. Hier steht eine Flotte von E-Autos von Arbeitnehmern, Anwohnern und Kunden. Die Lade-App zeigt grün, zur Mittagszeit kann man besonders günstig und nachhaltig laden. Zudem erläutert die Applikation, von welcher Anlage der lokal erzeugte Strom stammt, welcher Anteil aus dem Netz ergänzt wird und welche CO2-Emissionen bei der Produktion entstanden sind.

Der Inhaber der PV-Anlage kann wiederum lückenlos und automatisch nachweisen, woher der abgegebene Strom stammt und an wen dieser zu welchem Preis abgegeben wurde. Am Ende des Jahres bilden die Daten ganz unkompliziert die Grundlage für das Nachhaltigkeitsreporting des Unternehmens.

Viel Papier, wenig Vernetzung

Die aktuelle Situation in Deutschland sieht leider anders aus. Intransparenz und eine geringe Automatisierung überwiegen. Während Heim-Ladelösungen in Verbindung mit PV-Anlagen schon vielerorts angeboten werden, ist die Kopplung von lokaler Stromerzeugung und Ladeinfrastruktur im öffentlichen und halböffentlichen Raum, wie beispielsweise in Tiefgaragen, noch Mangelware. Das Problem: E-Autos, Solaranlagen und Ladesäulen werden vielerorts in getrennten Systemen verwaltet.

Jede Registrierung erfolgt händisch mit viel Papieraufwand. Zudem sind zwischen Ladesäulenbetreibern und E-Autofahrern verschiedene Dienstleister zwischengeschaltet. Bisher fehlen verlässliche digitale Abrechnungs- und Verwaltungsprogramme, die Daten für Stromerzeugungsanlagen, Ladestationen, Gebäudemanagement und E-Autofahrer bündeln und automatisierte Geschäftsprozesse unterstützen. Ein Wirrwarr an Verträgen und Abhängigkeiten, das viel Zeit kostet und das Laden von lokal erzeugtem Strom verhindert.

Geladenen Solarstrom mit digitalen Identitäten verifizieren

Das in München vom Digital Hub Mobility durchgeführte Pilotprojekt „Trusted Green Charging“ zeigt erstmals, wie eine automatisierte, vertrauenswürdige Infrastruktur für nachhaltiges Laden funktionieren kann. Im Zentrum der Lösung steht eine einfache Anwendbarkeit über Systemgrenzen hinweg. Deshalb brachte das Team des Digital Hub Mobility relevante Unternehmen aus der Energie-, Tech- und Verkehrsbranche zusammen: Softwareentwickler SAP, Chiphersteller Infineon, die Energy Web Foundation und bloXmove, zwei Anbieter von Blockchain-Technologien, sowie die E-Mobilitäts-Start-ups ChargeX und TRONITY. Gemeinsam entwickelten sie einen Prototyp, der auf drei Bausteinen basiert:

  • Digitale Maschinen-Identitäten: Um Solaranlagen, Ladestation, E-Auto und Gebäudemanagement universal digital identifizierbar zu machen, nutzt das Team sogenannte digitale Maschinen-Identitäten, basierend auf einem weltweit standardisierten Protokoll. Ein Microcontroller bildet eine sichere Brücke zwischen physischer und digitaler Welt: er sorgt für die physische Absicherung der Identitäten und schützt speziell gegen Manipulation von außen.
  • Sichere und systemübergreifende Kommunikations- und Transaktionsinfrastruktur: Die Identitäten sind auf der Open Source Plattform „Energy Web Chain“ verankert, einer effizienten Blockchain, die von Unternehmen weltweit betrieben wird.
  • Fälschungssichere und verifizierbare Daten: Die zu verarbeitenden Daten werden in Echtzeit mit Hilfe der digitalen Maschinen-Identitäten signiert und kryptographisch abgesichert.

In der Praxis werden alle beteiligten Maschinen mit digitalen Identitäten ausgestattet und an die „Energy Web Chain” geknüpft. Das ermöglicht es, alle Stromerzeugungs- und Ladedaten in Echtzeit zwischen den Systemen zu teilen: Die örtliche Solaranlage, die verfügbaren Ladestationen, das Lademanagementsystem sowie die verwendeten E-Autos über die Lade-App. Ist Solarstrom verfügbar, informiert der Stromzähler die E-Autofahrer per Applikation.

Am Ende jedes Ladezyklus wird der Strommix berechnet und die Authentizität des, in diesem Fall, nachhaltigen Solarstroms durch eine Signatur der Transaktion belegt. Die Menge des geladenen Stroms sowie alle abrechnungsrelevanten Daten der Ladevorgänge können anschließend im Lademanagementsystem sowie in der Lade-App gelesen und beispielsweise zur offiziellen Berichterstattung an Behörden genutzt werden.

Anreize für lokal produzierten Strom schaffen

Die Mobilitätswende ist untrennbar mit der Energiewende verbunden und beide Systeme müssen clever und herstellerübergreifend verknüpft werden. Ein Weg ist die standardisierte Integration Hardware-gestützter digitaler Identitäten und einer dezentralen Dateninfrastruktur. Gemeinsam schaffen sie ein vertrauenswürdiges Netzwerk für nachhaltige Stromerzeugung und grünes Laden über System-, Regulations- und Ländergrenzen hinweg.

Einmal umgesetzt, kann das Netzwerk schnell skaliert werden. Damit das Laden von lokal erzeugtem Strom aus dem Carport in die öffentliche Garage kommt, muss die Politik nun nachziehen und regulatorische Rahmenbedingungen schaffen, die den Ausbau wirklich grüner Ladeinfrastruktur begünstigen. Dann landet die Mittagssonne bald deutschlandweit und darüber hinaus im Tank.

Johanna Bronisch ist Innovation Technologist beim Digital Hub Mobility von UnternehmerTUM und Partnerin im Zukunftscluster MCube der Technischen Universität München. Sie stellt am 23.11. auf dem Symposium „Klimaverträgliche Mobilität“ des Digital Hub Mobility das Projekt vor.

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