Erweiterte Suche

Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Sustainable Aviation Fuel: Herausforderung Markthochlauf

Peter Smeets, Partner bei Bruski Smeets & Lange Rechtsanwälte
Peter Smeets, Partner bei Bruski Smeets & Lange Rechtsanwälte

Der Markthochlauf für nachhaltige Flugkraftstoffe findet derzeit praktisch nicht statt, obwohl empfindliche Strafen drohen, wenn die kommenden Beimischquoten nicht erfüllt werden. Den Investoren fehlt das Vertrauen in die langfristige Regulierung – der Staat muss eingreifen.

von Peter Smeets

veröffentlicht am 06.09.2024

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen

Beim Thema nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF) lauteten die Schlagzeilen der letzten Wochen: „Refocusing Plans: BP pauses work on SAF plants“ und „Shell to pause construction of Dutch huge biodiesel plant“ und „Shell to exit e-SAF project in Sweden“.

Wie kann das sein, wo doch die Rahmenparameter für SAF klar definiert sind? Die EU-Regulierung in Form der verpflichtenden Beimischungsquoten greifen ab kommendem Jahr. Jeder Flugkraftstoffanbieter, der seinen Verpflichtungen bezüglich der Inverkehrbringung von SAF nicht nachkommt, hat erhebliche Bußgelder zu zahlen. Das Ziel Net Zero 2050 wird in der Luftfahrt von allen Akteuren geteilt, ebenso wie die Erkenntnis, dass SAF kurz- und mittelfristig der einzig realistische Weg zu diesem Ziel ist.

Keine echten Fortschritte bei den wenigen SAF-Projekten

Dennoch muss man derzeit konstatieren, dass es keinen Markthochlauf für SAF gibt. Es gibt weltweit rund 200 angekündigte SAF-Projekte, jedoch machen die wenigsten echte Fortschritte. Die aktuellen Vorhaben sind unternehmerische Pionierprojekte. Als solche sind sie von höchster Bedeutung, denn ohne sie gibt es keine Lernkurve, keine Erfahrungswerte und keine Glaubwürdigkeit für die Produktionstechnologie. Es sind jedoch Einzelprojekte, ein Markthochlauf entlang der SAF-Quoten lässt sich daraus nicht ableiten. Der Grund dafür ist einfach: Eine SAF-Produktionslandschaft zu errichten erfordert riesige Investitionsmittel. Allein für die Bereitstellung der bis 2030 in Deutschland nötigen SAF-Mengen von 600.000 Tonnen sind über vier Milliarden Euro Investitionen erforderlich. Diese Werte vervielfachen sich bis 2035.

Wer kann diese Finanzierungsaufgabe übernehmen?

Die Finanzindustrie, aber dann führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass Bankability die Funktion aus Engineering, Feedstock und Offtake ist. Im Lichte dieser Formel lassen sich die Risiken, die heute der Finanzierung von SAF-Produktionen noch im Weg stehen, gut abschichten. Engineering ist die beherrschbarste Komponente. SAF-Produktion bedeutet die Zusammenschaltung von Produktions-modulen, die teilweise aus Jahrzehnte alten, ausgereiften Technologien bestehen, allerdings in ihrem Zusammenspiel noch wenig erprobt sind. Dieses Risiko des Produktionshochlaufs wird mit Hilfe der Lernkurve der First-Mover-Projekte egalisiert. Diese werden den Weg bahnen und SAF über die Zeit zu einer etablierten Technologie machen.

Feedstock ist je nach SAF-Produktionsverfahren unterschiedlich zu betrachten und führt doch immer zur gleichen Frage: Wie gelingt es, möglichst langfristig und preisstabil den Bezug des benötigten Feedstocks sicherzustellen? Ungeachtet, ob sich der Bezug auf Biomasse, CO2, Wasser, Arbeitskräfte oder erneuerbare Energie bezieht, ist die Wahl des Standorts von enormer Bedeutung, denn nur Best-in-Class-Produktionsbedingungen werden langfristig für die nötige Wettbewerbsfähigkeit einer SAF-Anlage sorgen.

Gelöst werden muss die preisliche Volatilität für den Feedstock. Hedging, Indexierung und Preisgleitklauseln in Offtake-Vereinbarungen könnten passende Instrumente sein. Das ist herausfordernd im Rahmen einer langlaufenden Projektfinanzierung mit einem Produkt, für das es noch keinen Markt gibt; aber nichts, was Banken nicht aus anderem Zusammenhang kennen würden und bereits gelöst hätten.

Anders hingegen stellt sich der dritte Finanzierungsbaustein dar: Offtake. Die Cash-flows aus dem Offtake sind das zwingende Äquivalent zur Finanzierung. Die Zahlungsprofile müssen sich in Laufzeit und Höhe auskömmlich und mit Risikopuffer entsprechen, sonst muss eine Bank die Finanzierung ablehnen. Gleichzeitig muss es sich um fixe Zahlungen handeln, denn variable Cash-flows sind nicht geeignet, eine Fremdfinanzierung zu tragen.

Bislang existiert keine Markt- und Preisbildung für SAF. Der Preis für eine Tonne SAF liegt rund drei- bis zehnmal so hoch wie für herkömmliches Kerosin, und Treibstoff macht rund 20 bis 30 Prozent der Kosten der Airlines aus. SAF ist ein Produkt, das klimapolitisch wichtig und regulatorisch erzwungen, gleichzeitig aber ohne echten Business Case ist. Dass die Kosten des Nicht-Handelns langfristig eindeutig höher liegen, mag niemand bestreiten, allerdings ist dieser „Schadensaufschlag“ nur schwer in Zahlen auszudrücken.

Diskrepanz zwischen Nachfrage und Angebot

Aufgrund dieser Unsicherheiten klafft zwischen der Nachfragebereitschaft und dem Angebot aufgrund der hohen Produktionskosten eine massive Lücke. Um diese Lücke zu schließen, ist eine Preisbildung auf Basis der Pönalen nach ReFuelEU zwingend, sofern die Inverkehrbringung nicht erfolgt. Ohne Regulierung wird es nicht zum Entstehen eines SAF-Marktes kommen, allerdings stellen die Pönalen allein kaum eine ausreichende Finanzierungssicherheit für eine Anlage dar.

Der große Vorteil der EU-Regulierung durch Schaffung eines Level Playing Field, die lückenlos alle Inverkehrbringer verpflichtet, SAF in den EU-Markt einzubringen, markiert auch ihre Fallhöhe: Die Regulierung muss Bestand haben, nur dann vermittelt sie Investoren und Banken eine hinreichende, aber nicht ausreichende Sicherheit. Die Finanzindustrie könnte Pönalen allein kaum als Fallback-Position nutzen, um eine Finanzierung querzuschreiben. Den Grund für Skepsis in die eigene Regulierung hat die EU-Kommission mit der Core Review Clause nach Artikel 17 ReFuelEU selbst gesetzt. Diese Klausel ermöglicht eine weitgehende Überprüfung der ReFuelEU unter dem Blickwinkel eines Gleichgewichts zwischen Klimaschutz und der Wettbewerbsfähigkeit des Luftfahrtbinnenmarktes. Zweifelsohne wichtig und gleichzeitig eine kaum planbare Größe für SAF-Investitionen.

Vorbild Großbritannien?

Das Problem des fehlenden Markthochlaufs ist geradezu mustergültig in der vor wenigen Wochen publizierten Stellungnahme des britischen Verkehrsministeriums „Sustainable Aviation Fuels Revenue Certainty Mechanism – Revenue certainty options to support a sustainable aviation fuel industry in the UK“ beschrieben. Hier wird zutreffend ausgeführt, dass allein die Quoten und Pönalen angesichts der massiven Erlösunsicherheiten nicht ausreichen, um Investoren zu veranlassen, in den Aufbau von SAF-Produktionsanlagen zu investieren.

Aus diesem Grund kommt die (damalige) britische Regierung zu dem Schluss, dass nur über die Schaffung von staatlichen Instrumenten zur Erlösabsicherung für SAF-Produzenten ein Finanzierungskreislauf für den Markthochlauf von SAF gewährleistet werden kann. Alle in dem Papier aufgezeigten Ansätze sind es absolut wert, in der EU bedacht zu werden.

Alle Parteien in die Pflicht nehmen

Nach unserer Überzeugung ist die staatliche Einführung dieser oder ähnlicher Instrumente die zwingende Voraussetzung für einen SAF-Markthochlauf. Da der Staat das Risiko der Regulierung kontrollieren kann, kann er auch die Kosten von Unterstützungsmaßnahmen kalkulieren, die eingreifen müssen, wenn sich das Regulierungsrisiko materialisiert. Im besten Fall helfen diese Instrumente, einen funktionierenden Markt zu erschaffen, ohne jemals in Anspruch genommen zu werden. Niemand sollte sich durch die Zahl der angekündigten SAF-Projekte blenden lassen, denn die Wahrheit liegt nicht in der Ankündigung von Vorhaben, sondern der Final Investment Decision (FID) für Vorhaben. Derer gibt es weltweit unter fünf. Die Dauer ab FID bis zur Produktion beläuft sich auf rund drei bis fünf Jahre.

Die Energiewende in der Luftfahrt wird alle Parteien in die Pflicht nehmen: Die SAF-Infrastruktur muss privat finanziert werden, den einzelnen Staaten fehlen dazu die Mittel. Ihnen respektive der EU-Kommission kommt die Aufgabe zu, für eine stabile Regulierung als Basis für Bankability zu sorgen, diese in Form der Pönalen auch durchzusetzen und darüber hinaus in der Hochlaufphase Erlösabsicherungsmechanismen für First Mover-Anlagen zu gewähren. Gleichzeitig bedarf es der unbedingten Bereitschaft aller Stakeholder in der Luftfahrt, sich in SAF-Projekten mit Kapital, Know-how und Commitment zu engagieren. mit Helena Griesbeck, Volker Ratzmann und Jan Toschka

Lernen Sie den Tagesspiegel Background kennen

Sie lesen einen kostenfreien Artikel vom Tagesspiegel Background. Testen Sie jetzt unser werktägliches Entscheider-Briefing und erhalten Sie exklusive und aktuelle Hintergrundinformationen für 30 Tage kostenfrei.

Jetzt kostenfrei testen
Sie sind bereits Background-Kunde? Hier einloggen