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Standpunkte Wenn Akkus brennen

Frank J. Bernardi, Rechtsanwalt und Partner bei Rödl & Partner
Frank J. Bernardi, Rechtsanwalt und Partner bei Rödl & Partner Foto: promo

Als kürzlich in Südkorea ein elektrischer Mercedes-Benz in Brand geriet, verlangten die Behörden Aufklärung über den Hersteller der Batterie. Der Autobauer stand vor der Wahl, ein Geschäftsgeheimnis zu lüften oder Strafen und eine Klagewelle zu riskieren. Kann so etwas auch in Deutschland passieren?

von Frank J. Bernardi

veröffentlicht am 10.10.2024

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Brennende Elektrofahrzeuge sind schwer zu löschen. Das kann in Parkhäusern und Tiefgaragen zu weitreichenden Folgen und hohen Kosten führen. Wenn solche Ereignisse öfter eintreten, ist es nicht abwegig, mit neuen Sammelklagen der Geschädigten zu rechnen. Die Klagen infolge des Dieselskandals sind vielen noch gut im Gedächtnis.

Kürzlich wurde über den Fall eines brennenden Pkw in Südkorea berichtet. Es handelte sich den Angaben zufolge um einen Mercedes, und die südkoreanischen Behörden wollten offenbar vom deutschen Hersteller wissen, welcher Zulieferer die Batterien für das brennende Fahrzeug geliefert hatte. Andere Hersteller hatten ihre Zulieferer freiwillig benannt.

Würde Mercedes-Benz auch in Deutschland solch eine Pflicht zur Offenlegung einzelner oder aller Zulieferer treffen können? Und wäre deswegen eine neue Prozesswelle im Schadensfall zu erwarten? Die Beantwortung dieser Frage ist komplizierter, als es scheint, weshalb das Problem im Folgenden vor allem aus deutscher Sicht betrachtet wird.

Die koreanischen Behörden haben den Namen des Batterie-Zulieferers mit hoher Wahrscheinlichkeit abgefragt, um den Schadensfall – wie auch gegebenenfalls andere – zu sammeln und zuzuordnen. So kann abgewogen werden, ob aus Sicht der Behörden für häufig schadhafte Produkte zusätzliche Auflagen gelten oder diese genauer beobachtet werden müssen.

Produkthaftung liegt beim Hersteller

Auf der anderen Seite kann der Hersteller erklären, dass der Name des Zulieferers und die Produktion der Batterie Betriebsgeheimnisse sind. Der Weigerung zur Offenlegung können also berechtigte Interessen des Herstellers zugrunde liegen. Das steht allerdings den Interessen der Verbraucher nicht grundsätzlich entgegen, denn der Hersteller eines Produktes muss für das Produkt haften.

In den meisten Staaten gibt es hierfür besondere Produkthaftpflichtgesetze, so auch in Südkorea und Deutschland. Darin sind die Voraussetzungen einer möglichen Ersatzpflicht geregelt. Diese Gesetze zielen auf den Schutz der Bevölkerung des jeweiligen Staates.

Das deutsche Produkthaftungsrecht ist infolge einer EU-Richtlinie erlassen worden. Nach der Systematik des Gesetzes ist der Hersteller eines Produktes dann zum Schadenersatz verpflichtet, wenn durch den Fehler eines Produktes ein Mensch oder eine andere Sache zu Schaden kommt. Hinsichtlich der Sachbeschädigung ist das Produkthaftungsgesetz als Schutzgesetz zugunsten von Verbrauchern ausgestaltet, denn nur, wenn die Sache für den privaten Gebrauch bestimmt und verwendet wird, greift die Vorschrift.

Typengenehmigung regelt technische Sicherheit

Es scheint also gar keine Notwendigkeit zu geben, die Identität des Zulieferers offenzulegen, denn der jeweilige Autohersteller würde bei solch einem Brand ohnehin gegebenenfalls in Anspruch genommen werden können. Das allein, weil dessen Name, also hier im Fall von Südkorea Mercedes-Benz, auf dem Endprodukt steht.

Denn das deutsche Produkthaftungsgesetz knüpft die Herstellereigenschaft unter anderem daran, dass der Name oder die Marke auf dem Produkt aufgebracht ist. Und deswegen könnte ein geschädigter Verbraucher stets seine Automarke in Anspruch nehmen, wenn er durch den Fehler des Autos geschädigt wird.

Eben deswegen ist davon auszugehen, dass es den Behörden in Südkorea nicht um den Einzelfall ging, sondern um die generelle Datenerhebung zur Einschätzung, ob herstellerübergreifend bestimmte Batterien anfällig für Schäden sind. Dafür sind weitere Angaben zur Batterie nötig, wie eben auch der Name des tatsächlichen Herstellers.

Es mag überraschen, dass diese Daten den Behörden nicht bereits aufgrund der Bauartzulassung des Fahrzeuges vorlagen, aber das muss in Deutschland und der EU nicht zwingend anders sein. Die Typengenehmigung des Fahrzeuges wird nach der EU-Typengenehmigungsrichtlinie erteilt. Nach ihr wird der Typ beziehungsweise die Bauart des Fahrzeuges dann zugelassen, wenn sichergestellt ist, dass die Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständigen technischen Einheiten gemäß den Anforderungen der Verordnung hergestellt und genehmigt sind.

EU-Batteriepass ab 2027

Verantwortlich hierfür und für alle Aspekte des Genehmigungsverfahrens sowie für die regelkonforme Produktion ist der Hersteller. Nachgewiesen wird die Erfüllung der Vorgaben in der Regel durch Gutachten, die aber nur die grundsätzliche und technische Tauglichkeit der einzelnen Bauteile und des gesamten Produktes nachweisen. Der Hersteller der einzelnen Teile muss hierbei nicht zwingend offengelegt werden, denn es gibt ja die oben angeführte Herstellerhaftung.

Aber: Bei Batterien wird sich EU-weit kurzfristig etwas ändern. Nach der erst im vergangenen Jahr neu gefassten EU-Batterieverordnung muss ab Mitte Februar 2027 jede Batterie eines Elektroautos einen Batteriepass haben. In diesem Batteriepass ist der Erzeuger der Batterie anzugeben. Wohlgemerkt, der Erzeuger und nicht der Hersteller.

Dieser kleine Formulierungsunterschied bewirkt, dass der Zulieferer der Batterie künftig offenzulegen ist. Denn der Erzeuger wird in der Richtlinie als die Instanz definiert, die nicht nur auf der Batterie ihren Namen aufbringt oder sie in den Markt bringt. Sondern die Eigenschaft als Erzeuger tritt einen Verarbeitungsschritt früher ein: bei der Person oder der Firma, die die Batterie tatsächlich entwickelt und erzeugt, also körperlich herstellt. Die Verpflichtung zur Transparenz ist sogar sehr weitgehend, denn es sind auch Adresse und Kontaktdaten einschließlich der E-Mailadresse anzugeben.

Identifikation der Batteriezulieferer künftig einfacher

Brennen Elektroautos komplett oder nur die Batterie ab, wird ab Frühjahr 2027 die Identifikation der Teilehersteller europaweit unschwer möglich sein. Denn der neue EU-Batteriepass ist in einer elektronischen Akte anzulegen und diese wird nicht im Auto mitgeführt.

Die zuständigen Staatsanwaltschaften können also künftig unschwer die benötigten Daten sicherstellen. Voraussetzung hierfür wäre allerdings die Eröffnung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, und hierfür muss ein Anfangsverdacht vorliegen, dass eine Straftat begangen wurde. Den kann man aber hier zunächst nicht unterstellen. Andernfalls wäre – wie beim Dieselskandal – mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder mit einer Klagewelle zu rechnen.

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