Die Erstauflage der Abwrackprämie, die sogenannte Umweltprämie infolge der Finanzkrise 2008, hatte weder für die Umwelt noch für die Volkswirtschaft einen Nutzen. Von dem Strohfeuer vorgezogener Käufe profitierten hauptsächlich ausländische Hersteller. Schnell brach der Gebrauchtwagenmarkt ein, später auch der Neuwagenmarkt. Die Bilanz der bis dahin mit fünf Milliarden Euro größten Konjunkturspritze der Republik: 27 Millionen Steuerzahler schenkten zwei Millionen Autokäufern je 2500 Euro. Die Arbeitsplätze bei den deutschen Autoherstellern und Zulieferern sicherten hingegen das Kurzarbeitergeld und der damals rasant wachsende chinesische Markt. Alles vergessen?
Wenn heute erneut staatliche Hilfen für die Autobranche diskutiert werden, dann müssen diese so angelegt sein, dass sie der Industrie nicht nur kurzfristig durch die aktuelle Krise helfen. Sie müssen gleichzeitig einen Impuls für den Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft setzen. Denn die deutsche Autoindustrie wird nur dann wettbewerbsfähig und wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn ihre Geschäftsmodelle kompatibel sind mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem European Green Deal.
Elektroautos: Prämien mit Reservierung
Relativ unstrittig ist die Förderung des Kaufs von reinen Elektroautos. Denn im Pkw-Markt sind sie auf absehbare Zeit die beste Option, um auf erneuerbare Energien umzustellen. Schon jetzt gilt der Umweltbonus von 6000 Euro (für Fahrzeuge bis zu einem Nettolistenpreis von 40.000 Euro) beziehungsweise 5000 Euro (Nettolistenpreis bis 65.000 Euro). Hier kann nachgelegt werden. Eine Erhöhung auf 8000 Euro beziehungsweise 6000 Euro würde die Nachfrage weiter stimulieren.
Der Appetit der Branche auf einen Nachschlag bei der Kaufprämie von E-Autos hält sich jedoch in Grenzen. Man befürchtet Lieferengpässe, wenn die Nachfrage steigt. Wichtig wäre deshalb, dass die erhöhte Prämie auch dann gezahlt wird, wenn die Neufahrzeuge nicht sofort ausgeliefert werden können. Neuzulassungen bis ins Jahr 2022 sollten von der Prämie profitieren. Das gäbe der Industrie Planungssicherheit und regte dazu an, die Kapazitäten für Elektromobilität rasch auszubauen. Das sollte im Rahmen des Konjunkturprogramms durch zusätzliche Mittel für die Entwicklung und Produktion von Batteriezellen und für Qualifizierungsprogramme der Belegschaft bei den Autobauern und deren Zulieferern unterstützt werden.
Plug-in-Hybride: Förderung nach Nutzungsart
Kontroverser wird die Förderung von Plug-in-Hybriden gesehen, also Fahrzeugen, die sowohl mit einem Elektromotor als auch mit einem Verbrenner fahren können. Die berechtigte Kritik: Die Modelle sind kaum im elektrischen Fahrmodus unterwegs und im konventionellen Betrieb verbrauchen sie mehr als reine Verbrenner. Sie bringen also nur einen Klimavorteil, wenn sie so viel wie möglich elektrisch gefahren werden.
Deshalb sollte eine Kaufprämie für Plug-in-Hybride von der Art der Nutzung abhängig gemacht werden. Die erste Hälfte wird beim Kauf ausgezahlt, die zweite Hälfte folgt nur dann, wenn nach zwei Jahren bei der ersten Hauptuntersuchung anhand der Fahrzeugdaten eine klimaverträgliche Nutzung nachgewiesen wird. Dafür muss der Anteil der elektrisch gefahrenen Distanz an der Gesamtfahrleistung mehr als 50 Prozent betragen. Die Prämie könnte dann insgesamt auf 6000 Euro (Nettolistenpreis bis 40.000 Euro) beziehungsweise 4500 Euro (Nettolistenpreis bis 65.000 Euro) angehoben werden.
Benziner und Diesel: Einstieg ins Bonus-Malus-System
Bei der Frage, ob auch Pkw mit Verbrennungsmotor gefördert werden sollen, scheinen die Lager unversöhnlich getrennt. Die Crux: Der Konjunktureffekt für die Branche wäre hier am größten, da Benziner und Diesel den Löwenanteil der Produktion ausmachen. Genauso groß sind aber auch die Sorgen, dass eine Förderung in diesem Bereich der Verkehrswende schadet und den nötigen Strukturwandel verschleppt.
Eine Kaufprämie für Verbrennerfahrzeuge wäre aus Klima- und Umweltperspektive denkbar, wenn sie auf die effizientesten Modelle abzielt. In Verbindung mit der Reform der Kfz-Steuer in Richtung einer Bonus-Malus-Regelung kann sie aufkommensneutral und nur so auch sozial ausgewogen finanziert werden. Der Bonus für sparsame Fahrzeuge würde über eine höhere Kfz-Steuer auf emissionsintensive finanziert – aber aufgrund der Konjunkturlage zeitlich verzögert. Der Bonus käme also schon jetzt, der Malus später. Pkw, deren Emissionen den aktuellen durchschnittlichen EU-Flottengrenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer (g CO2/km) nicht überschreiten, könnten einen Bonus von bis zu 1500 Euro erhalten. Die Gegenfinanzierung würde über die Malus-Komponente ab dem Jahr 2022 erfolgen.
CO2-Flottengrenzwerte: kein Grund zur Lockerung
Die genannten Kaufanreize würden nicht nur Konjunkturimpulse setzen, sondern die Hersteller auch bei der Einhaltung der CO2-Flottengrenzwerte der EU unterstützen. Werden diese nicht eingehalten, drohen empfindliche Strafzahlungen. Offiziell beteuern die Vertreter der deutschen Branche, dass sie zur Einhaltung der Grenzwerte stehen, aber hinter den Kulissen mehren sich die Stimmen für eine Lockerung. Die EU schreibt bis zum Jahr 2021 eine Reduktion der Durchschnittsemissionen neu registrierter Pkw auf 95 g CO2/km vor. Das ist schon etliche Jahre bekannt.
Die aktuelle Krise kann nicht als Entschuldigung dafür dienen, die Grenzwerte nicht einzuhalten. Wenn die Absätze insgesamt zurückgehen, heißt das längst nicht, dass damit automatisch die Grenzwerte schwieriger zu erreichen sind. Denn das hieße, dass der Verkauf der effizienten Modelle überproportional sinken würde. Dazu könnten Fehlanreize führen wie der, die Mehrwertsteuer auf Pkw pauschal zu senken oder auszusetzen, wie es einige Branchenexperten fordern. Genau das Gegenteil muss das Konjunkturprogramm bewirken: Effizienz und Elektromobilität. Eine Lockerung der Grenzwerte wäre süßes Gift für die Hersteller. Dadurch würde der Übergang der Unternehmen in die Mobilität der Zukunft erschwert. Die aktuelle Krise in der Branche würde sich fortschreiben.
Blick nach vorn: Konjunkturimpulse mit Strukturreformen verbinden
So wichtig die Debatte um die Unterstützung einer Schlüsselbranche der deutschen Industrie auch ist – zwei Dinge sollten nicht vergessen werden: Erstens sollte die Bundesregierung die gesamte Mobilitätswirtschaft im Blick behalten, denn es geht nicht nur um Jobs in der Autoindustrie. Zweitens: Die Konjunkturimpulse werden nur dann nachhaltig wirken, wenn sie verknüpft werden mit den überfälligen Reformen für klimaneutrales Wirtschaften: von der Bepreisung von CO2-Emissionen inklusive der Abschmelzung des Dieselprivilegs bis hin zur langfristigen Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte nach 2030 auf null. So können Investitionsprogramme der Bundesregierung doppelte Dividende erzielen, sowohl für den Klimaschutz und die Verkehrswende als auch für die Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit der Mobilitätswirtschaft. Darauf zu hoffen lohnt sich – eben doppelt.